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Der große Disziplin-Check – Hürdensprint Männer

Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: die Kürzhürden der Männer.
Pamela Ruprecht

Der Moment des Jahres 2016

Nur zwei Hundertstel, das wird sich Gregor Traber nach dem Halbfinale in Rio öfters gedacht haben. Nur zwei Hundertstel fehlten ihm zum Einzug ins Olympia-Finale. Auf Bahn vier laufend kam der 23-Jährige ganz knapp hinter dem auf Bahn neun laufenden Kanadier Jonathan Cabral als Fünfter ins Ziel. Der Mann vor ihm schaffte es mit 13,41 Sekunden noch über die Zeit ins Finale. Platz neun für Gregor Traber, dennoch stark! Der Stuttgarter stürmte außerdem in die Top Fünf der ewigen deutschen Bestenliste. 13,21 Sekunden in Mannheim sind ein Wort. Auch für die Zukunft.

Bei der EM in Amsterdam (Niederlande) wäre das Finale für die DLV-Hürdensprinter wesentlich leichter drin gewesen. Mit teils regnerischen Bedingungen hatten Gregor Traber, Matthias Bühler und Alexander John zu kämpfen. Im Halbfinale war für alle drei Endstation, die beste Leistung lieferte Alexander John mit 13,60 Sekunden ab. Der Leipziger kam in diesem Mai beim Meeting in Clermont (USA) mit 13,38 Sekunden nahe an seine Bestzeit aus 2009 (13,35 sec) heran.

Die Top Drei

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail gregor-traber _blank>Gregor Traber

VfB Stuttgart, 23 Jahre
SB/PB: 13,21 sec (2016)
DM: 2. Platz
EM: Halbfinale, 18. Platz
Olympische Spiele: Halbfinale, 9. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 5.
Welt-Jahresbestenlisten: 11.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail alexander-john>Alexander John

SC DHfK Leipzig, 30 Jahre
SB: 13,38 sec (2016) | PB: 13,35 sec (2009)
DM: 3. Platz
EM: Halbfinale, 16. Platz
Olympische Spiele: Vorlauf
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 12.
Welt-Jahresbestenlisten: 29.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail matthias-buehler>Matthias Bühler

TSG 1862 Weinheim, 30 Jahre
SB: 13,44 sec | PB: 13,34 sec (2012)
DM: 1. Platz
EM: Halbfinale, 17. Platz
Olympische Spiele: Vorlauf
DLV-Jahresbestenliste: 4.
Europäische Bestenliste: 17.
Welt-Jahresbestenlisten: 41.

Internationale Top Acht-Platzierungen 2016

Olympische Spiele: keine
EM: keine
Hallen-WM: keine
U20-WM: keine
U18-EM: keine

Der Hoffnungsträger

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail henrik-hannemann>Henrik Hannemann

LAZ Salamander Kornwestheim-Ludwigsburg, 19 Jahre
SB: 13,64 sec | PB: 13,57 sec (2015)

Das letzte Jugendjahr musste Henrik Hannemann ausnahmsweise ohne internationale Medaille beschließen, es stand mit der U20-WM auch die am stärksten besetzte Meisterschaft an. Der Inhaber der deutschen U18-Bestleistung geht mit Silber von den Olympischen Jugendspielen (2014) und Bronze von der U20-EM (2015) gestärkt in den Erwachsenenbereich. Das erste Jahr bei den Aktiven hat der ein Jahr ältere Chemnitzer Patrick Elger mit seinem ersten Rennen unter 14 Sekunden eingeläutet.

Der Pechvogel

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail matthias-buehler _blank>Matthias Bühler

TSG 1862 Weinheim, 30 Jahre
SB: 13,44 sec | PB: 13,34 sec (2012)

Sein Traum war zu Saisonbeginn das Olympia-Finale. Dafür bereitete sich Matthias Bühler große Teile seiner Zeit in den USA vor. Doch eine Rückenverletzung machte ihm den Sommer über das Leben schwer. "Es war extrem bitter, wenn man verletzt am Start steht und genau weiß, dass es unmöglich ist, schnell zu laufen. Mein Rücken hat mein komplettes System außer Kraft gesetzt", schrieb er nach den Spielen in Rio auf Facebook. Vor einem Monat flog er nach Übersee zum Start in die Vorbereitung auf die WM 2017 in London.

Fazit des Bundestrainers

Jan May, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?

Jan May:

Im aktuellen Jahr gab es international wieder mit 55 Hürdensprintern unter 13,50 Sekunden eine sehr hohe Leistungsdichte. Wir müssen also am Ball bleiben und dürfen jetzt nicht nachlassen! Mit Martin Vogel hatten wir etwas überraschend einen international noch unerfahren Athleten bei der Hallen-WM, der vor Ort etwas zu viel wollte. In technisch anspruchsvollen Disziplinen wie dem Hürdensprint ist das leider nicht immer vorteilhaft, aber lernen muss hier erlaubt sein.

Die EM in Amsterdam war für das komplette Team schlicht enttäuschend, da gibt es leider nichts schönzureden. Matthias Bühler und Alexander John konnten leider bedingt durch eine gestörte Vorbereitung bei den Olympischen Spielen nicht überzeugen. Erik Balnuweit konnte aufgrund eines Fußproblems dieses Jahr leider nicht sein gewohntes Leistungsniveau zeigen.

Mit dem neunten Platz bei den Olympischen Spielen konnte Gregor Traber eine Platzierung erreichen, die wir in den letzten 16 Jahren – seit dem siebten Platz von Florian Schwarthoff (13,42 sec) im Jahr 2000 – nicht erreicht haben. Zudem hatte er eine sehr stabile Wettkampf-Saison mit einem 10er-Schnitt von unter 13,40 Sekunden bei hochklassigen Wettkämpfen. Dazu konnte er mit 13,21 Sekunden eine neue Bestleistung aufstellen. Positiv überrascht hat mich Maximilian Bayer, der sich dieses Jahr auf 13,43 Sekunden und Platz drei in Deutschland steigern konnte.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Jan May:

Vielleicht nicht ein 'wirkliches Highlight', aber der emotionalste Moment: Als ich in Rio im Warm-Up Stadion realisiert hatte, dass Gregor um 0,02 Sekunden am Finale vorbeigeschrammt ist, und ich die Reaktionszeit auf dem Telefon gesehen habe. Da habe ich leider das Teil etwas überemotional zu weit geworfen und geschrottet. Das Finale beim Wettkampf in Mannheim am 29. Juli war zugegeben aber auch eine Granate!

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison?

Jan May:

So schlecht wie es manchmal in der Öffentlichkeit dargestellt wird sind wir Leichtathleten nicht! Das haben auch die Gespräche der letzten Wochen gezeigt. Die Richtung stimmt, es geht weiterhin darum, die Entwicklung der Disziplin voranzutreiben, und zur Spitze hin sehr gut zu entwickeln. Unsere Stärken im gemeinsamen lösungsorientierten Arbeiten im Training, bei Lehrgängen und Trainingslagern, mit Einbindung der Heimtrainer, sollten wir weiter nutzen, ohne individuelle Lösungen zu vernachlässigen. Letztes Jahr hatte ich mir an gleicher Stelle 'Deutscher Hürdensprinter im Finale von Rio' als Schlagzeile gewünscht. Die Ansprüche müssen hoch bleiben, für die WM in London oder die U23-EM muss auch der Finaleinzug das Ziel sein.

Statistik – Das sagen die Zahlen

Die zehn Jahresbesten

13,21 sec – Gregor Traber (VfB Stuttgart)
13,38 sec – Alexander John (SC DHfK Leipzig)
13,43 sec – Maximilian Bayer (SC DHfK Leipzig)
13,44 sec – Matthias Bühler (TSG Weinheim)
13,56 sec – Erik Balnuweit (SC DHfK Leipzig)
13,71 sec – Julian Marquart (SV Halle)
13,79 sec – René Mählmann (LAZ Saar 05)
13,91 sec – Patrick Elger (LAC Erdgas Chemnitz)
14,00 sec – Pedro Garcia-Fernandez (LG Stadtwerke München/ESP)
14,01 sec – David Klöckner (LAZ Rhede)
14,07 sec – Sven Zellner (LG Staufen)

Entwicklung des deutschen Spitzenniveaus

Athleten < 13,50Schnitt Top 10
2005Thomas Blaschek (13,31)13,66
2006Thomas Blaschek (13,33)13,74
2007Thomas Blaschek (13,33)13,71
2008Thomas Blaschek (13,49)13,67
2009Alexander John (13,35), Matthias Bühler (13,36), Helge Schwarzer (13,39), Willi Mathiszik (13,49)13,53
2010Alexander John (13,47)13,62
2011Alexander John (13,45), Willi Mathiszik (13,48), Erik Balnuweit (13,49)13,66
2012Matthias Bühler (13,34), Alexander John (13,35), Erik Balnuweit (13,46), Gregor Traber (13,47)13,62
2013Erik Balnuweit (13,44), Matthias Bühler (13,45), Gregor Traber (13,49), Alexander John (13,49)13,69
2014Matthias Bühler (13,39), Gregor Traber (13,43), Erik Balnuweit (13,46)13,61
2015Gregor Traber (13,31), Matthias Bühler (13,34), Alexander John (13,46)13,67
2016Gregor Traber (13,21), Alexander John (13,38), Maximilian Bayer (13,43), Matthias Bühler (13,44)13,64
  • Die Schwankungen des TopTen-Schnittes sind seit 2010 gering. Der Wert von diesem Jahr liegt im besten Drittel der letzten zehn Jahre.
  • Auch 2016 konnten vier DLV-Hürdensprinter Zeiten unter 13,50 Sekunden erzielen, mehr waren es seit 2005 nie.

Entwicklung Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich

JahrDeutschlandEuropaDiff.WeltDiff.
200513,31 (T. Blaschek)12,97 (Doucouré/FRA)0,3412,97 (Doucouré/FRA)0,34
200613,33 (T. Blaschek)13,15 (Olijars/LAT)0,1812,88 (Liu/CHN)0,45
200713,33 (T. Blaschek)13,22 (Demydyuk/UKR)0,1112,92 (Liu/CHN)0,41
200813,49 (T. Blaschek)13,22 (Doucouré/FRA)0,2712,87 (Robles/CUB)0,44
200913,35 (A. John)13,30 (Turner/GBR)0,0513,04 (Robles/CUB)0,31
201013,47 (A. John)13,27 (Svoboda/CZE)0,2012,89 (Oliver/USA)0,58
201113,45 (A. John)13,22 (Turner/GBR)0,2312,94 (Oliver/USA)0,51
201213,34 (M. Bühler)13,09 (Shubenkov/RUS)0,2512,80 (Merritt/USA)0,54
201313,44 (E. Balnuweit)13,12 (Martinot- Lagarde/FRA)0,3213,00 (Oliver/USA)0,44
201413,39 (M. Bühler)12,95 (Martinot- Lagarde/FRA)0,44     12,94 (Parchment/ JAM)0,45
201513,31 (G. Traber)12,98 (Shubenkov/RUS)0,3312,94 (Ortega/CUB)0,37
201613,21 (G. Traber)13,04 (Ortega/ESP)0,1712,98 (McLeod/JAM)0,23
  • Der Weltjahresschnellste des Vorjahres Orlando Ortega – damals noch unter der Flagge Kubas – ist nach seinem Nationalitätenwechsel mit spanischem Landesrekord 2016 an der Spitze der europäischen Bestenliste zu finden.
  • Der Abstand zu Europas Spitze ist so niedrig wie seit 2009 nicht mehr. Den Abstand zur Weltspitze konnte Gregor Traber mit seinem fünften Platz in der ewigen deutschen Bestenliste sogar auf die geringste Differenz seit 2005 bringen.
  • Eine absolute Weltklasse-Zeit verbuchte der Jamaikaner Omar McLeod, der die 13-Sekunden-Marke unterbot.

Video-Clips

Halle:

Hallen-DM: <link video:13747>Leipziger Publikum trägt Erik Balnuweit zum Sieg
ISTAF Indoor: <link video:13542>7,41 Sekunden – Dimitri Bascou glänzt mit Landesrekord
Meeting Düsseldorf: <link video:13338>Orlando Ortega mit hochklassiger Hürdenzeit
Meeting Düsseldorf: <link video:13308>Orlando Ortega: "Persönliche Bestleistung angreifen"
Jugend-Hallen-DM: <link video:13609>Henrik Hannemann denkbar knapp vorne

Freiluft Männer:

Weinheim: <link video:14205>Matthias Bühler nimmt vier Hürden mit
Weinheim: <link video:14194>Alexander John tuschiert, Gregor Traber brilliert
U23-DM: <link video:14797>Elger touchiert die Hürden – Lickteig jubelt
Ratingen: <link video:14532>Arthur Abele ärgert sich trotz Hürdensieg

Freiluft Nachwuchs:

U16-DM: <link video:15301>Fabian Olbert nutzt seine Chance
Jugend-DM: <link video:14986>Henrik Hannemann wird Favoritenrolle gerecht
Jugend-DM: <link video:14923>Raphael Thoma mit furiosem Finale
Junioren-Gala: <link video:14592>James Weaver eine Klasse für sich
Junioren-Gala: <link video:14595>Viele Stürze im B-Finale des Hürdensprints

Die weiteren Disziplin-Checks 2016 im Überblick

<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-maenner _blank>Männer – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-frauen _blank>
Frauen – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-maenner _blank>
Männer – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-frauen _blank>
Frauen – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-mittelstrecke-maenner _blank>
Männer – Mittelstrecke
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langstrecke-maenner>Frauen – Mittelstrecke
Männer – Langstrecke
<link news:50879>Frauen – Langstrecke

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