| Trainingslager II

DLV-Läufer spulen hunderte Kilometer in Flagstaff ab

Schönes Wetter, atemberaubende Natur und viel Schweiß: Nach der Hallensaison heißt es für die Top-Athleten Grundlagen, Athletik und Kraft für eine erfolgreiche Sommersaison aufbauen – das geht am besten in klimatisch günstig gelegenen Trainingslagern. Wir haben die verschiedenen Disziplingruppen aufgespürt und nachgefragt, wie die Vorbereitung läuft. Heute: die Läufer in Flagstaff (USA).
Pamela Ruprecht

Schon seit dem 9. März, dem allgemeinen Anreisetag, sind mehr als 30 deutsche Läufer aus dem A/B-Kader unterschiedlicher Lauf-Disziplingruppen – von 800 Meter bis Marathon – zur Saisonvorbereitung auf gut 2.000 Meter Höhe in Flagstaff, Arizona (USA) und spulen dort ein beeindruckendes Pensum an Trainingskilometern ab. Zwischen 100 (kurze Mittelstrecke) bis 200 Wochen-Kilometer (Langstrecke) bewegt sich das Spektrum der absolvierten Umfänge.

Laut dem Leitenden Bundestrainer Lauf Thomas Dreißigacker sind drei Strecken besonders erwähnenswert. Die sogenannte flache „Kenia-Piste“ neben den Ferienhäusern, in denen die Athleten in Vierer-Apartments untergebracht sind, verdankt ihren Namen dem leicht rötlich sandigen, aber festen Boden, den es auch in Afrikas Lauf-Mekka Iten gibt. Weitere Laufstrecken sind in fünf bis 30 Minuten mit dem Auto erreichbar, zum Beispiel ein schön angelegter Kurs im Buffalo Park. Eine halbe Stunde entfernt liegt nochmals 300 Meter höher eine anspruchsvolle, profilierte Strecke (2.400 m), welche die Langstrecken-Gruppe um Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid 01) ausprobiert hat.

Robert Farken steht auf Tempoläufe

In die örtlichen Stadien auf die Tartanbahn geht es nur ein bis zweimal pro Woche: Kurze Sprints für die Schnelligkeit und Schnelligkeitsausdauer. Tempoläufe werden zu diesem Zeitpunkt bevorzugt im Gelände gemacht. Typische Serien: 15-20 mal 200 Meter Berganläufe oder als längere Distanz acht mal 1.000 Meter. „An den Tempoläufen habe ich sehr viel Spaß“, berichtet der Deutsche Hallenmeister über 800 Meter Robert Farken (SC DHfK Leipzig), dem eher die vielen Dauerläufe schwer fallen. „Aber da muss man als Läufer in der Grundlagenphase eben durch.“ Bis auf leichte Kniebeschwerden läuft sein Training sehr gut, die Bedingungen seien nahezu optimal.

Die Höhenlage spürt man dabei ordentlich: „Schon durch niedrige Intensitäten wird der Pulsschlag stark angeregt, man kommt hier sozusagen schnell ans Pumpen beziehungsweise außer Puste“, erzählt der Hallen-EM-Teilnehmer, der unter anderem mit Hallen-Vizemeister Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe) und Robin Schembera (TSV Bayer 04 Leverkusen) läuft. „Außerdem ist man zwischen den Einheiten oft müde und muss viel schlafen und trinken“, sagt Robert Farken. Bei alledem hat der 19-Jährige seine Zeit-Ziele vor Augen: „Ich möchte meine ‚PB‘ verbessern und ein schnelles stabiles Niveau im Bereich meiner Bestzeit erreichen.“ Diese steht bei 1:46,65 Minuten (2016).

Abgesehen von einer kleinen Störung durch Schnee und Wind vergangenen Donnerstag, was in den Bergen schon mal vorkommen kann, herrschen in Flagstaff Sonnenschein und Temperaturen von 15 bis 20 Grad. „Das Klima ist sehr angenehm, man kann in kurzer Kleidung trainieren“, sagt Thomas Dreißigacker. Die Möglichkeit zu alternativem Training unter Dach bietet in der Nähe ein großes Fitness-Studio mit Laufbändern und Rädern, Kraftraum, Spielhalle, Pools drinnen wie draußen und Sauna. „Das nutzen die Läufer zur Nachbereitung und zum Athletik- und Krafttraining.“

Es rollt bei Caterina Granz, Konstanze Klosterhalfen und Co.

Die DLV-Läufer, darunter 14 TopTeam- und JuniorElite-Team-Athleten sowie sieben Geher um den Olympia-Fünften Christopher Linke (SC Potsdam) mit Bundestrainer Ronald Weigel, versorgen sich in ihren kleinen Ferienhäusern selbst. Ein Vierer-Apartment teilen sich zum Beispiel Konstanze Klosterhalfen, Sarah Schmidt (beide TSV Bayer 04 Leverkusen), Anna Gehring (SC Itzehoe) und Caterina Granz (LG Nord Berlin). Sie schnüren auch gemeinsam die Lauf-Schuhe und motivieren und pushen sich gegenseitig.

„Das Training in der Gruppe macht viel Spaß und lässt die Zeit wie im Fluge vergehen“, sagt Sarah Schmidt. Die U20-Vize-Europameisterin über 800 Meter von 2015 konnte ein größeres Pensum als zuhause realisieren. „Nach einer guten Anpassung an die Höhe, steigern wir in den letzten eineinhalb Wochen nun die Intensität.“ Am 6. April geht es für die meisten zurück nach Deutschland, die Sommersaison nähert sich. Die 20-Jährige will an ihre starke Saison 2015 anknüpfen und sich für die U23-EM in Bydgoszcz (Polen; 13. bis 16. Juli) qualifizieren.

„Das Training läuft super“, kann auch die höhenerfahrene Deutsche U23-Meisterin über 1.500 Meter Caterina Granz vermelden. Das war in den Monaten vor dem USA-Aufenthalt nicht so, jede Einheit war anstrengend und nicht locker. „Seitdem ich hier bin, rollt es wieder richtig. Obwohl die Umfänge fast doppelt so hoch sind“, freut sich die 23-Jährige. „Das hat auf jeden Fall viel mit dem Umfeld und den Bedingungen in Flagstaff zu tun.“ Die Studentin möchte mit einer guten 5.000-Meter-Zeit einsteigen, ihre 1.500-Meter-Bestzeit angreifen und auf dieser Strecke an der Universiade in Taipeh (Taiwan; 19. bis 30. August) teilnehmen.

Erstes Höhentrainingslager für Anna Gehring

Für die U23-Vize-Europameisterin im Cross Anna Gehring ist es hingegen erst das erste Höhentrainingslager. „In der ‚dünnen Luft‘ fallen einem die Einheiten deutlich schwerer, der Puls ist höher und die Beine auf den ersten Kilometern viel schwerer als auf Meereshöhe“, musste die 20-Jährige zu Beginn feststellen. „Mittlerweile hat sich mein Körper aber gut angepasst, so dass wir die Geschwindigkeiten und Umfänge immer weiter steigern können.“ Den Mix verschiedener Alters- und Disziplingruppen sieht sie als Gewinn. „Die Älteren geben Erfahrungen und Tipps an die jüngeren Athleten weiter.“ Ihren Leistungssprung der letzten Cross-Saison will sie im Sommer auf die Bahn bringen und über 5.000 Meter bei der U23-EM starten.

Diese Titelkämpfe hat auch Zimmerkollegin Konstanze Klosterhalfen im Visier. „Bisher hat alles ganz gut geklappt. Ich hoffe, hier eine gute Grundlage für den Sommer legen zu können und dann auf internationale Aufgaben wie die U23-EM vorbereitet zu sein“, sagt die Vize-Hallen-Europameisterin über 1.500 Meter. Auch neben dem Training sei die Stimmung gut, ob beim Basketball, Shoppen oder bei gemeinsamen Filme- oder Poker-Abenden. Eine Gruppe mit Konstanze Klosterhalfen und Robert Farken machte am Sonntag sogar einen Ausflug nach Las Vegas („sehr cool“).

Der eineinhalb Autostunden entfernte Grand Canyon, eine steile, etwa 450 Kilometer lange Schlucht im Norden des US-Bundesstaats Arizona, ist an freien Nachmittagen (ein bis zwei in der Woche) ein beliebtes Ziel und eine willkommene Abwechslung zum Trainingsalltag. Dort können die Sportler einfach die Aussicht genießen oder – was dann als Training einzustufen ist – eine mehrstündige Wanderung unternehmen. Einen Flug mit dem Helikopter über das Naturwunder, das jährlich fünf Millionen Besucher anzieht, riskierten Robin Schembera und Rebekka Ackers (TSV Bayer 04 Leverkusen), wie dieses <link https: www.instagram.com p bsjzjfvhs1e _blank>Instagram-Video zeigt.

Tägliche Überprüfung der Trainingsbelastung

Ein typischer Trainingstag der DLV-Läufer beginnt direkt nach dem Aufstehen mit einer Blutentnahme durch die medizinisch-technische Assistentin Romina Goller zur Bestimmung von Belastungskennziffern. Übertraining soll rechtzeitig erkannt und das Training an die körperliche Verfassung angepasst werden. „Das ist eine gute Möglichkeit zu steuern und aufzupassen, dass man nicht überzieht“, erklärt der Leitende Bundestrainer.

Nach dem Frühstück bleibt noch ein wenig Zeit für Entspannung oder Lernen, bevor um 10 Uhr die erste Einheit verteilt in kleineren Trainingsgruppen durchgezogen wird. Nach Mittagessen und kurzer Pause geht es um 16 Uhr zur zweiten Einheit. Das Training fordert die Athleten stark. Eisbäder, Massagen im Rahmen der Physiotherapie und Sauna sind am Ende des Tages wichtige Regenerationsmaßnahmen. Abends heißt es dann, ein wenig relaxen, Abstand gewinnen und Kraft für den nächsten Tag schöpfen.

„Das Training ist bisher sehr gut verlaufen, ich bin sehr zufrieden. Bis auf kleinere Erkältungsproblematiken, die man immer hat, gab es in der gesamten Gruppe keine größeren Einschränkungen“, berichtet Thomas Dreißigacker nach seiner Rückkehr. Der Leitende Bundestrainer wird in diesen Tagen in Flagstaff vom neuen Bundestrainer der U23-Mittelstrecklerinnen Sebastian Weiß abgelöst. Dessen Pendant für die Frauen Henning von Papen ist den gesamten USA-Aufenthalt zur Betreuung der Athleten vor Ort. Die hunderte von Kilometern in den Beinen werden sich in der Sommersaison für die DLV-Läufer bestimmt auszahlen.

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