Nach einem ersten Leistungs-Höhepunkt um das Jahr 2007 erlebt Hochspringer Eike Onnen (Hannover 96) seinen „zweiten Frühling“. Bei der EM in Amsterdam (Niederlande) hat er im fortgeschrittenen Alter von 33 Jahren mit Bronze seine erste internationale Medaille gewonnen. Im Interview mit leichtathletik.de spricht er über seinen Weg zurück zu alter Stärke, seine Ziele für Olympia und gibt einen Gold-Tipp ab.
Eike Onnen, Sie haben Ihre Olympia-Vorbereitung im vergangenen Herbst auf der kleinen Nordseeinsel Juist begonnen. Ein etwas ungewöhnlicher Ort für ein Trainingslager …
Eike Onnen:
… das stimmt. Aber das hat schon Tradition bei uns. Juist ist so etwas wie unsere zweite Heimat, da mein Vater von der Insel stammt. Außerdem sind die Trainingseinheiten am Strand sehr gut für die Fußstabilität und die tiefe Muskulatur.
Eine Hochsprunganlage gibt’s dort aber nicht?
Eike Onnen:
Hochsprung auf gehobenem Niveau ist auf Juist nicht möglich. Aber im Herbst sind hohe Sprünge in der Saisonvorbereitung ja noch nicht gefragt.
Sie haben sich schon auf so einige Saisons vorbereitet. Sie werden am Mittwoch (3. August) 34 Jahre alt. Das ist schon ein gehobenes Alter für einen Weltklasse-Hochspringer. Trotzdem springen Sie so konstant und hoch wie nie. Erklären Sie uns Ihr Erfolgsrezept?
Eike Onnen:
Es ist eine Mischung. Ich betreibe meinen Sport mit Freude und habe in den vergangenen Jahren eine gewisse Lockerheit gewonnen. Außerdem bin ich im Training und im Wettkampf robuster als je zuvor. Dadurch kann ich in höherer Qualität trainieren und auch mehr hochwertige Wettkämpfe bestreiten. Rückblickend betrachtet, hat mir auch die Zeit gutgetan, als ich ein wenig Abstand vom Leistungssport genommen habe.
Sie sprechen die Jahre 2013 und 2014 an, als Sie nicht über 2,12 Meter hinausgekommen sind. Nun springen Sie 20 Zentimeter höher, das sind Hochsprung-Welten. Gab es einen entscheidenden Tag, eine Situation oder Begegnung für den neuerlichen „Karriere-Kick“?
Eike Onnen:
Das gab’s nicht. Ich habe das Hauptaugenmerk aufs Studium gelegt, dabei den Sport aber nicht aus den Augen verloren. Ich habe viel Beachvolleyball gespielt oder mit Freunden Discgolf, das ist eine Frisbee-Variante. So sind eins und eins zusammengekommen. Durch den Abstand hat das Hochsprung-Training wieder mehr Spaß gemacht und es ist eine neue Begeisterung entstanden.
Haben Sie eigentlich vor zwei Jahren damit gerechnet, dass es mit einer Olympia-Teilnahme noch klappen würde?
Eike Onnen:
Nein, überhaupt nicht. Aber mittlerweile bin ich seit einiger Zeit verletzungsfrei, kann gut trainieren und habe auch den Kopf frei für den Leistungssport.
Hatten Sie in den schwierigen Jahren mal daran gedacht, die Brocken hinzuwerfen?
Eike Onnen:
Natürlich, und zwar häufiger. Schließlich war meine Situation frustrierend und enttäuschend zugleich. Aber aufhören konnte und wollte ich nicht.
Kommen wir in die Gegenwart: Ihre Bestleistung steht seit 2007 bei 2,34 Metern. Zuletzt sind Sie in Eberstadt nur knapp an 2,36 und in Viersen nur knapp an 2,35 Metern gescheitert. Welche Höhen trauen Sie sich in den kommenden Wochen und speziell bei den Olympischen Spielen zu?
Eike Onnen:
Eine neue Bestleistung ist bei den Olympischen Spielen auf jeden Fall möglich. Ich will in Rio in Bestform sein, dafür ist das Training ausgelegt. In Eberstadt und Viersen hat sich die Latte erst spät entschieden, doch noch zu fallen. In Rio darf sie dann gern liegenbleiben.
Sie sind in Amsterdam EM-Dritter geworden. Sehen Sie sich als Medaillenkandidat für Olympia, zumal Europameister Gianmarco Tamberi verletzt ausfällt und die starken russischen Hochspringer fehlen?
Eike Onnen:
Ich liege in der Meldeliste unter den Top 10. Aber als konkreten Medaillenkandidaten sehe ich mich nicht, da gibt’s andere. Für mich geht’s darum, ins Finale zu kommen, die Qualifikation wird schwierig genug. Wenn ich dann im Finale Bestleistung springe, ist es egal, welchen Platz ich belege. Dann bin ich zufrieden. Aber mit 2,35 Metern wird man sicherlich recht weit vorn landen.
Welches Wetter wünschen Sie sich für das Hochsprung-Finale in Rio am 16. August?
Eike Onnen:
Keinen Regen. Dafür bin ich einfach zu schwer und rutsche daher stärker beim Absprung als leichtere Springer. Wobei ich aber auch keine Probleme damit habe, bei Regen zu springen. Obwohl ich schon ein paar Kilo abgenommen habe, sehe ich von der Figur doch noch mehr aus wie ein Mehrkämpfer als ein Hochspringer. Da erkennt man noch meine Wurzeln im Mehrkampf. Gleichzeitig bin ich robuster als andere Springer und habe mittlerweile die für mich passende Technik aus Kraft und Tempo gefunden.
Früher konnte man sagen: „Ist das Wetter schlecht, wird auch Eike Onnen nicht gut springen.“ Denn bis vor zwei Jahren sind Sie mit Lauf-Spikes ohne Dornen an der Ferse gesprungen, die weniger Halt gaben. Mittlerweile vertrauen Sie aber wieder den Spezial-Spikes. Ist das Teil des Erfolgsgeheimnisses?
Eike Onnen:
Das stimmt, ich habe lange gesucht, bis ich die richtigen Spikes für mich gefunden habe. Vor zwei Jahren habe ich dann endlich die passenden entdeckt. Und die sind super!
Bei Ihnen ist Hochsprung Familiensache. Sie trainieren bei Ihrer Mutter Astrid und zusammen mit Ihrer Schwester Imke. Ist es nicht nervig, wenn sich alles um den Sport dreht?
Eike Onnen:
Nein, das habe ich so kennengelernt und mich daran gewöhnt. Außerdem hat ja jeder von uns seine Freiräume. Ich finde beispielsweise den nötigen Ausgleich bei meiner Freundin.
Ihre Schwester Imke ist zwölf Jahre jünger als Sie und hat noch eine längere Karriere vor sich. Welche Tipps können Sie ihr mit auf den Weg geben?
Eike Onnen:
Dass man nicht gleich bei den ersten Problemen aufgeben sollte, sondern Rückschläge zum Sport gehören. Diese Erfahrung macht ja auch gerade Imke, die immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hat. Ich habe selbst einige längere und tiefere Täler hinter mir und habe mir eine zweite und sogar dritte Chance gegeben. Es hat sich gelohnt. Das sollten vielleicht viele jüngere Sportler beherzigen.
Wird Ihre Mutter Sie in Rio betreuen?
Eike Onnen:
Nein, das wird Bundestrainerin Brigitte Kurschilgen übernehmen. Das ist aber kein Problem, ihre Technik-Vorstellungen decken sich mit denen meiner Mutter. Sie war vergangene Woche noch bei uns in Hannover bei einer Technikeinheit und hat mich schon bei der EM in Amsterdam betreut. Außerdem bin ich ja ein erfahrener Springer. Ich merke selbst, was ich falsch gemacht habe. Die Bestätigung des Trainers gibt dann die nötige Sicherheit.
Letzte Frage: Wer wird Hochsprung-Olympiasieger?
Eike Onnen:
Puh, das ist schwer. Es wird ein enges Finale. Klar ist Mutaz Essa Barshim mit 2,40 Metern Nummer eins der Welt. Mir hat Derek Drouin in Eberstadt mit seinen 2,38 Metern imponiert. Vielleicht ist er momentan der stärkste Springer der Welt.