„Leichtathletik zwischen Gestern – Heute – Morgen“ war der Titel der Regionalkonferenz Saar am Wochenende in Saarbrücken. Robert Meurer, Lehrreferent des Saarländischen Leichtathletikbundes (SLB) und Organisator der Trainerfortbildung, spannte bereits in der Veranstaltungs-Ausschreibung den pädagogischen Bogen von der Antike über die Gegenwart mit ihrer Leistungspädagogik, –athletik und –steuerung bis in die Zukunft der Nachwuchseliten im Hochleistungssport.
Die Rolle des Meistertrainers in all ihren Facetten stand an den beiden Konferenztagen in Theorie und Praxis im Mittelpunkt. Der moderne Trainer ist kein Kapitän, der auf der Brücke Kommandos gibt, kein Prediger, der von der Kanzel Vorträge hält, und schon gar kein Dompteur, der mit der Peitsche in der Arena steht. Vielmehr muss er eine pädagogische Autorität sein, der „hart aber herzlich, engagiert und vorbildhaft, innovativ und entschlossen, kompetent und strategisch agiert“.
Gerade die Trainer in der Kinder- und Jugendleichtathletik steuern die Leistungsentwicklung ihrer Schützlinge mit einfachen und komplexen Trainingsmaßnahmen, immer altersadäquat und zielgerichtet. Sie fördern ihre Athleten individuell und ermöglichen gleichzeitig Team-Erlebnisse. Sie brauchen „neugierige Augen und sensible Antennen“. Sie sind mit Kompetenz und Empathie bei der Arbeit, echte Talent-Flüsterer und Athleten-Versteher.
Theorie am Freitagabend - Leichtathletik ist Grundlage
Eingestimmt auf das Seminar zur Verlängerung ihrer C- und B-Trainer-Lizenz wurden die Konferenzteilnehmer von SLB-Vizepräsident Lothar Altmeyer begrüßt, der als Verantwortlicher für den Leistungssport die Bedeutung eines vielseitigen Trainings im Nachwuchsbereich unterstrich. Gebannt lauschten die Anwesenden dann dem Impulsreferat zur Pädagogischen Offensive in der Leichtathletik, dem leidenschaftlichen Plädoyer für Kinderleichtathletik und Hochleistungssport von Fred Eberle, DLV-Vizepräsident Bildung und Wissenschaft.
Von den antiken olympischen Spielen bis ins britische London 2012 übt die Leichtathletik eine große Faszination auf die Menschen aus. Die Grunddisziplinen Laufen, Springen und Werfen sind auch die motorischen Grundlagen in fast allen anderen Sportarten, die oft in irgendeiner Form „angewandte Leichtathletik“ sind. Leichtathletik wird also gebraucht.
Und obwohl keine andere Sportart so vielfältig ist, 47 olympische und 37 KiLa-Disziplinen, halten immer noch zu viele Trainer für ihre Kinder am klassischen Dreikampf fest und lehnen die neuen Disziplinen als Kinderkram ab. Dabei benötigen diese Kinder ihren eigenen „Kram“, damit sie irgendwann im Spitzensport ankommen können. Durch eine kindgerechte Lernmethodik und mit auf seine körperliche Entwicklung angepassten Geräten kann das Kind etwa die richtige Hürdentechnik lernen. „Die große Leichtathletik beginnt bei den Kleinen.“
Freude vermitteln
Und die wollen sich messen, ausprobieren und Neues entdecken. Sie wünschen sich Aufmerksamkeit und Abwechslung, Lob und Anerkennung. Kinder brauchen ein Team, andere Kinder, mit denen sie Spaß haben wollen. Dennoch steht Kinderleichtathletik nicht just for fun. Freude zu vermitteln ist die zentrale Aufgabe der Kinder- und Jugendleichtathletik auf dem Weg zum Hochleistungssport. „Das ist der Stein, den man ins Wasser werfen muss, damit er Kreise ziehen möge,“ so Fred Eberle.
DLV-Projektmanager David Deister wies in seinem Referat „Was Kinder wollen“ auf den ganzheitlichen Ansatz der Kinderleichtathletik als Voraussetzungstraining hin. Er zeigte die wissenschaftlich begründeten Notwendigkeiten auf, die von vielen Trainern seit Jahren praktizierten, kindgerechten Trainingsformen eben nicht nur im Training zu üben, sondern gerade auch im Wettkampf anzuwenden und sich mit anderen Kindern darin zu messen.
Und wenn jüngere Kinder koordinativ so gut prägbar sind, warum sollen sie dann immer nur geradeaus schnell laufen, weit springen und werfen? Und wenn Kinder so gerne die Großen imitieren, warum sollen sie dann nicht im Wettkampf mit dem Stab springen, mit dem Diskus werfen oder über Hindernisse sprinten? Und gerade der Hindernissprint nimmt eine herausragende Bedeutung im Konzept Kinderleichtathletik ein, zeigt doch die Erfahrung, dass sich gute Hürdensprinter im Spitzensport auch zu guten Weitspringern oder Mehrkämpfern entwickeln.
Hürdensprint in jungen Jahren lohnt sich
Warum also wertvolle Zeit in günstigen Entwicklungsphasen verstreichen lassen und erst U14-Jugendlichen den Hürdensprint als Wettkampfdisziplin anbieten? Ein wichtiger Effekt des vielfältigen Wettkampfangebots: Kinderleichtathletik wirkt auch als Spezialisierungsbremse und beugt dadurch Einseitigkeit und frühem Burn-out vor.
Ein Novum des KiLa-Wettkampfsystems ist die oft kritisierte und hinterfragte Rangwertung, die zulasten einer exakten Zeiten- und Weitenmessung in der U8 und U10 eingeführt wurde. Die Rangpunktevergabe berücksichtigt am ehesten den sozialen und kognitiven Entwicklungsstand der U8- und U10-Kinder. Die Zone, in der sie im Weitsprung gelandet sind, können sie auf dem vorhandenen Zonen-Messband immer wieder nachschauen und so visuell verifizieren, dass sie Erster, Zweiter oder Dritter sind.
KiLa-Trainer trainieren nicht mit Mini-Erwachsenen-Athleten, sie unterstützen Kinder in ihrer Entwicklung. David Deister präsentierte den Konferenzteilnehmern eine kleine Sammlung verschiedener Schlumpf-Figuren, um die motorischen, kognitiven, sozialen, emotionalen oder motivationalen Facetten der kindlichen Persönlichkeit zu symbolisieren. Aufgabe des Trainers ist es, die Mittel und Methoden seines Trainings, sowie das Disziplinen- und Wettkampangebot auf die Perspektiven des Kindes anzupassen. Denn „die Frage ist doch nicht, wie wir die Kinder an die Leichtathletik heranführen, sondern wie wir die Leichtathletik zu den Kindern bringen.“
Praxis am Samstag - altersgerechte Sprungtechnik im Fokus
Am Samstag fand in der Leichtathletik-Halle der Prxis-Teil statt, mit U16-Jugendlichen des SLB-Stützpunkttrainings, die den Referenten als Modell-Athleten dienten. Der Leiter der DLV-Trainer-Akademie Dr. Wolfgang Killing referierte über ein erfolgversprechendes Konzept zur Entwicklung von Sprungkompetenz. Killing zeigte ausgewählte Übungen aus dem Sprung-ABC und weitere Sprungformen an diversen Hindernissen. Vielfältige Übungsvariationen und eine altersadäquate Anpassung des koordinativen Niveaus sind Basis für Erfolg und Technik.
Danach präsentierten David Deister und Nicolas Fröhlich, Leiter der Fachkommission Aus- und Fortbildung im DLV-Bundesausschuss Jugend, Übungsmodelle, Technikelemente, Drills für eine motivierende und zielgerichtete Leistungsentwicklung in den Bereichen Hürdensprint und Staffellauf. Wichtig sind vielfältige Bewegungserfahrungen und Rhythmisierungsübungen. Dabei spielen „Verkomplizierer“ eine besondere Rolle, um die Konzentrations- oder Orientierungsfähigkeit zu schulen. Das SLB-Athletenteam führte anschließend ein innovatives Trainingsmittel, den 4D Pro ReAction Trainer, vor.
Werfen aus Armen und Beinen
In seinem Praxis-Workshop „Grundelemente der Leichtathletik – Werfen“ demonstrierte Fred Eberle, wie man „richtig – vielseitig – und zielgerichtet“ werfen lernt. Der Werfer muss lernen, seinen Bewegungsablauf aus dem Wurf- oder Stoßarm auf das Gerät zu übertragen. Dennoch beginnt das Werfen mit den Beinen, wenn aus drei Schritten der Bewegungsimpuls eingeleitet wird.
Ebenso entscheidend für das Erlernen einer richtigen und guten Wurftechnik sind viele und vielfältige Wurferfahrungen. Fred Eberle forderte die Anwesenden zum Abschluss seines Workshops zum „Wurf-Ballett“ auf. Zahlreiche Wurfgeräte lagen bereit, von Sandsäckchen und Heulern über Wurfstäbe und Basketbälle bis zu Flatter- und Schlagbällen. „Werft! Werft! Werft! – Aber immer aus dem Dreier!“
Leistungs-Circuit für Eliteläufer
Die nächste Praxis-Demonstration sprach besonders Trainer aus dem Bereich Lauf an. Adi Zaar, DLV-Nachwuchsbundestrainer Lauf, zeigte mit seiner Trainingsgruppe einen Leistungs-Circuit für Eliteläufer im Nachwuchsbereich. 20 Stationen von Side-Steps und Sit-ups über Käfer und Liegestütz zu Hantel-Armschwüngen und beidbeinigen Sprüngen, 30 Sekunden Anstrengung, 30 Sekunden Pause.
„Der Circuit ist dazu geeignet, auch und gerade für Läufer, den Körper auf Spannung und in Balance zu halten, auch gegen den Widerstand der Erschöpfung,“ erklärte Zaar. Er weist darauf hin, dass im Läufer-Training auf keinen Fall die Armarbeit vernachlässigt werden darf, ist doch die fehlende „Arm-Kondition“ nicht selten die Ursache für eine nachlassende Laufkondition und von daher mitverantwortlich für das Fehlen der entscheidenden Sekunden im Ziel.
Simulation eines KILA-Wettkampfes
Zum Abschluss der Konferenz „simulierten“ David Deister und Nicolas Fröhlich zum Thema „Inhalte, Erprobung und Realisierung“ des neuen Wettkampfsystems die Ausrichtung und Durchführung eines KiLa-Wettkampfs mit den Disziplinen Fünfsprung, Hoch-Weitsprung, Medizinball-Stoßen, Hindernis-Sprint-Staffel und Team-Biathlon. Die Konferenzteilnehmer bildeten mit den U10-Kindern des TV Elm gemischte 6er-Teams, die reihum für unterschiedliche Aspekte der Veranstaltung zuständig waren. An der Mitarbeit der Kids war zu sehen wie kinderleicht KINDERLEICHTathletik ist.
Die Ergebnisse wurden gemeinsam ausgewertet und die erreichten Ranglistenpunkte auf ein Plakat in die vorbereitete Ergebnistabelle eingetragen. Wie in der Schule bekommen die sehr Guten eine Eins und die Zweitbesten eine Zwei. Die Auswertung erfolgt ohne technischen Aufwand und ist direkt einsehbar. Übrigens: Den Team-Wettbewerb gewonnen haben die „Schlümpfe“. Ob DLV-Projetmanager David Deister da am Vorabend mit seiner Schlümpfe-Präsentation nicht schon zukunftsweisend am Rad gedreht hat?