Hoch gesprungen und dazwischen tief gefallen: Ulrike Meyfahrts Karriere ist geprägt von ihrem Gold-Triumph von München. Noch heute blickt die Jubilarin staunend auf ihren Hochsprungsieg bei Olympia 1972 zurück, den sie 1984 in Los Angeles noch einmal wiederholte.
80.000 Zuschauer hielten den Atem an, als der Teenager mit der Startnummer 168 und den langen Beinen anlief. Und als an jenem 4. September 1972 die Latte bei unglaublichen 1,92 Metern liegen blieb, da brodelte es im Münchner Olympiastadion. Eine Gymnasiastin aus Köln-Rodenkirchen namens Ulrike Meyfarth hatte mit 16 Jahren die Sportwelt und am allermeisten sich selbst verblüfft: Sensations-Gold bei Olympischen Spielen im eigenen Land.
Zwölf Jahre später holte sie in Los Angeles (USA) ihr zweites Gold. An diesem Mittwoch (4. Mai) feiert die Leverkusenerin ihren 60. Geburtstag – ohne großes Tamtam. Schließlich stand Ulrike Nasse-Meyfarth, wie sie seit ihrer Heirat 1987 mit dem Anwalt Roland Nasse heißt, in ihrem Leben so oft im Mittelpunkt wie kaum eine andere deutsche Leichtathletin.
Olympia-Sieg Nummer eins "wie in Trance"
An jenem denkwürdigen Abend von München ließ sich Meyfarth glückselig auf die hellgrüne Hochsprungmatte plumpsen. Mit übersprungenen 1,90 Metern hatte sie die Bulgarin Jordanka Blagoyeva und die Österreicherin Ilona Gusenbauer bezwungen. Danach stellte sie mit 1,92 Metern noch den Weltrekord ein. Bis heute ist Meyfarth die jüngste Leichtathletik-Olympiasiegerin in einer Einzel-Disziplin. Jahrzehnte später gestand die Mutter von zwei Töchtern einmal, dass sie gar nicht mehr unterscheiden kann zwischen den eigenen Erinnerungen und jenen, die andere mit ihr teilten.
"Vom Olympiasieg bin ich völlig überrumpelt worden. Dabei sein ist alles, Erfahrungen sammeln lautete mein Motto", sagte sie gerade in einem Interview der "Welt am Sonntag". "Doch dann kam alles anders. In keinem Traum hatte ich das jemals gedacht." Wie in Trance sei der ganze Tag abgelaufen.
Mit diesem frühen Ruhm umzugehen, sei nicht nur wegen ihres Alters schwierig gewesen. Wenige Stunden danach gab es das schreckliche Attentat auf die israelische Mannschaft, das die Geschichte der Olympischen Spiele für alle Zeiten veränderte. "Ich war völlig vor den Kopf gestoßen. Nach so einem Erlebnis gleich diese Nachricht. Ich stand nicht mehr im Mittelpunkt, das hatte sicher auch Vorteile."
Höhen und Tiefen
Und dennoch: Fortan war die 1,84 Meter große Meyfarth, von der die Jungs auf dem Schulhof bis dato nicht viel wissen wollten, ein Star. Später sprach sie oft von einem "Trauma", das sie erlitten habe.
Heide Rosendahl, mit zweimal Gold und einmal Silber die zweite große Frauen-Figur 1972 in München, war damals die erste Gratulantin bei Ulrike Meyfarth. "Sie hatte danach einige Täler zu überwinden", sagt Ecker-Rosendahl heute. "Dass sie es zwölf Jahre später noch einmal geschafft hat, ist eine enorme Leistung."
Bei Olympia 1976 in Montreal verpasste Meyfarth das Finale, bei den Europameisterschaften 1974 und 1978 die Medaillenränge, und 1980 fehlte sie wegen den Boykotts in Moskau. "Zwölf Sommer Einsamkeit vergingen", schrieb sie einmal in einer Biografie. 1982 gewann sie EM-Gold - und 1984 in Los Angeles schwebte Meyfarth wieder im siebten Himmel. Diesmal lag die Latte sogar auf 2,02 Meter. "Da hat sich der Kreis geschlossen." Es war ihre letzte internationale Meisterschaft.
IAAF "Hall of Fame": Auf keinen Fall
Heute kümmert sich Nasse-Meyfarth noch um den Schulsport beim TSV Bayer 04 Leverkusen. Und äußert prägnant ihre Meinung, wenn was schiefläuft in der Leichtathletik. Vier Mal, von 1981 bis 1984, war sie "Sportlerin des Jahres". 2011 wurde sie in die deutsche "Hall of Fame" aufgenommen. In die Ruhmeshalle des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF will sie auf keinen Fall, da bleibt sie konsequent.
"Das wird auch so bleiben, so lange sich dort nichts ändert. Es ist doch eine große Schande, was alles an Schmutzigem und Verwerflichen unter Ex-Präsident Lamine Diack passiert ist. Diese Vetternwirtschaft, Korruption, vertuschte Dopingtests - einfach unfassbar", kommentierte die Doppel-Olympiasiegerin die IAAF-Skandale in der "Welt am Sonntag".
Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)