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HÜRDENSPRINT FRAUEN | Olympia-Start, Überraschungs-Titel, Comeback und Karriereende

Deutschlands Leichtathleten sprinten, laufen, gehen, springen, werfen und stoßen wieder! Leider 2021 aufgrund der fortwährenden Corona-Pandemie oft noch ohne Zuschauer. Aber auf der Ebene des Kader- und Leistungssports schon wieder mit fast allen hochkarätigen Wettkämpfen. Und schließlich auch mit den Olympischen Spielen in Tokio, die unter ganz besonderen Bedingungen stattfanden. Wir blicken zurück und ordnen, jeweils eingeleitet durch Interviews mit den Leitenden Bundestrainer:innen der Disziplingruppen, die Leistungen ein. Heute: Frauen-Hürdensprint.
Martin Neumann

Im Video: Interview mit dem Leitenden Bundestrainer Sprint Ronald Stein

Das ist 2021 passiert

Die Leistungen in einzelnen Leichtathletik-Disziplinen unterliegen zum Teil großen Wellenbewegungen. Beispielsweise gab es in den 2000er-Jahren häufig mehr als doppelt so viele deutsche Stabhochspringer mit erfüllter Norm für internationale Meisterschaften wie Startplätze. Ein Jahrzehnt später ein vergleichbares Bild im Frauen-Weitsprung. Und 2017 und 2018 blieben auch gleich fünf Hürdensprinterinnen unter dem WM-Richtwert von 2017. Eine Disziplin auf der Erfolgswelle.

Durch Rücktritte und Baby-Pause hat sich die Situation im Hürdensprint der Frauen aktuell verändert. Wenn man im Bild bleiben will: Es wird ein Wellental durchschritten. Trotzdem schaffte Ricarda Lobe (MTG Mannheim; Saisonbestzeit: 13,03 sec) den erhofften Olympia-Start. Mit den DM-Titeln im Freien und in der Halle präsentierte sich die 27-Jährige 2021 als stärkste deutsche Hürdensprinterin.

Beim größten Erfolg der Disziplin in der abgelaufenen Saison fehlte sie allerdings. Denn Anne Weigold (LT Mittweida; Saisonbestzeit: 13,22 sec), Monika Zapalska (LC Paderborn; Saisonbestzeit: 13,25 sec) sowie die männlichen Disziplin-Kollegen Gregor Traber (Stadtwerke Tübingen) und Erik Balnuweit (TV Wattenscheid 01) liefen zu Saisonbeginn bei den World Relays in Chorzow bei einem durch die Corona-Pandemie ausgedünnten Starterfeld überraschend zum Titel in der Hürden-Mixed-Staffel. Ein großer Erfolg für das Hürden-Quartett.

Nicht (richtig) ins Geschehen eingreifen konnten 2021 die beiden dominierenden DLV-Hürdensprinterinnen der vergangenen Jahre. Ex-Europameisterin Cindy Roleder (SV Halle) wagte nach ihrer Babypause einen mutigen Comeback-Versuch beim Meeting in Dessau. Doch der Trainingsrückstand war zu groß. Sie will 2022 wieder angreifen. Pamela Dutkiewicz-Emmerich (TV Wattenscheid), WM-Dritte von 2017, entschied nach vielen Verletzungsproblemen, ihre Karriere zu beenden.

Und was machte 2021 der Nachwuchs? Mit Franziska Schuster (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Hawa Jalloh (Wiesbadener LV; Saisonbestzeit: beide 13,49 sec) hat ein schnelles Duo den Anschluss an die deutsche Spitze geschafft und rangiert unter den Top 10. Die Hessin schaffte es in Tallinn sogar ins U20-EM-Finale und wurde Siebte. Franziska Schuster scheiterte nur knapp im Halbfinale. Dort stand auch Marlene Meier (TSV Bayer 04 Leverkusen; Saisonbestzeit: 13,56 sec), die sich 2021 deutlich steigerte. Während das Leverkusener Duo im kommenden Jahr zur U23-Klasse zählt, nimmt Hawa Jalloh den Start bei der U20-WM ins Visier.

Internationale Erfolge

  Medaille Finalplatzierung
Hallen-EM  –   – 
World Relays Gold Mixed-Staffel (Zapalska, Balnuweit, Weigold, Traber)  – 
U20-EM –  7. Platz 100 m Hürden (Hawa Jalloh)
U23-EM –  – 
Olympische Spiele  –  – 

Unser "Ass des Jahres"

Ricarda Lobe (MTG Mannheim)

Olympia-Starterin 2021
Deutsche Freiluft-Meisterin und Deutsche Hallen-Meisterin 2021
Deutsche Jahresbeste 2021 über 100 Meter Hürden

Unser "Talent des Jahres"

Hawa Jalloh (Wiesbadener LV)

Siebte U20-EM
Deutsche U20-Meisterin
Deutsche Jahresbeste 2021 der U20 über 100 Meter Hürden

Die deutschen Top Ten 2021

Zeit Athletin Jahrgang Verein
13,03 sec Ricarda Lobe 1994 MTG Mannheim
13,04 sec Emily Sloan 2000 MTG Mannheim
13,22 sec Anne Weigold 1998 LG Mittweida
13,25 sec Monika Zapalska 1994 LC Paderborn
13,29 sec Carolin Schäfer 1991 LG Eintracht Frankfurt
13,39 sec Isabel Mayer 1993 LG Telis Finanz Regensburg
13,40 sec Louisa Grauvogel 1996 TSV Bayer 04 Leverkusen
13,49 sec Selina von Jackowski 1997 TuS Lörrach-Stetten
13,49 sec Franziska Schuster 2002 TSV Bayer 04 Leverkusen
13,49 sec Hawa Jalloh 2003 Wiesbadener LV

Statistik –  Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: 100 Meter Hürden

Jahr =/< 12,98 sec* Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005 2 12,87 13,03 13,24
2006 1 13,04 13,15 13,31
2007 13,15 13,19 13,28
2008 1 12,98 13,03 13,24
2009 1 12,97 13,10 13,36
2010 3 12,84 12,95 13,16
2011 1 13,07 13,14 13,31
2012 3 12,86 12,99 13,16
2013 1 13,09 13,22 13,38
2014 4 12,79 12,91 13,16
2015 1 12,95 13,09 13,29
2016 3 12,70 12,83 13,06
2017 5 12,77 12,84 13,09
2018 5 12,78 12,85 13,07
2019 2 12,95 13,08 13,25
2020 13,29 13,33 13,44
2021 13,10 13,17 13,30

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 12,59 (K. Bolm) 12,59 (Bolm/GER) 0,00 12,43 (Perry/USA) 0,16
2006 12,65 (K. Bolm) 12,52 (Kallur/SWE) 0,13 12,43 (Perry/USA) 0,22
2007 13,14 (A. Funck) 12,49 (Kallur/SWE) 0,65 12,44 (Perry/USA) 0,70
2008 12,82 (C. Nytra) 12,50 (Onyia/ESP) 0,32 12,43 (Jones/USA) 0,39
2009 12,78 (C. Nytra) 12,67 (O'Rourke/IRL) 0,11 12,46 (Foster-H./JAM) 0,32
2010 12,57 (C. Nytra) 12,57 (Nytra/GER) 0,00 12,52 (Lopes-Schl./CAN) 0,05
2011 12,91 (C. Roleder) 12,56 (Porter/GBR) 0,35 12,28 (Pearson/AUS) 0,63
2012 12,74 (C. Nytra) 12,54 (Ennis/GBR) 0,20 12,35 (Pearson/AUS) 0,39
2013 12,85 (N. Hildebrand) 12,55 (Porter/GBR) 0,30 12,26 (Rollins/USA) 0,59
2014 12,71 (N. Hildebrand) 12,51 (Porter/GBR) 0,20 12,44 (Harper Nelson/USA) 0,27
2015 12,59 (C. Roleder) 12,56 (Porter/GBR) 0,03 12,34 (Nelvis/USA) 0,25
2016 12,62 (C. Roleder) 12,62 (Roleder/GER) 0,00 12,20 (Harrison/USA) 0,42
2017 12,61 (P. Dutkiewicz) 12,61 (Dutkiewicz/GER) 0,00 12,28 (Harrison/USA) 0,33
2018 12,67 (P. Dutkiewicz) 12,41 (Talay/BLR) 0,26 12,36 (Harrison/USA) 0,31
2019 12,76 (C. Roleder) 12,62 (Visser/NED) 0,14 12,32 (Williams/JAM) 0,44
2020 13,24 (R. Lobe) 12,68 (Visser/NED) 0,56 12,68 (Visser/NED) 0,56
2021 13,03 (R. Lobe) 12,51 (Visser/NED) 0,52 12,26 (Camacho-Quinn/PUR) 0,77

Das fällt auf:

  • Ricarda Lobe hat ihren nationalen Spitzenplatz verteidigt. Die Mannheimerin gewann im Freien wie in der Halle den DM-Titel und vertrat als einzige DLV-Hürdensprinterin die deutschen Farben bei den Olympischen Spielen in Tokio.
  • Nur eine Hundertstel hinter Ricardo Lobe rangiert die hierzulande recht unbekannte Hürdensprinterin Emily Sloan mit 13,04 Sekunden auf Rang zwei der deutschen Bestenliste. Die 21-Jährige startet wie Ricarda Lobe für die MTG Mannheim und besitzt die US-amerikanische wie die deutsche Staatsbürgerschaft. 2021 lief sie hauptsächlich bei College-Wettkämpfen, international ist sie noch nicht für die USA gestartet.
  • Die deutschen Top-Athletinnen der vergangenen Jahre konnten 2021 kaum in Erscheinung treten. Cindy Roleder (TV Wattenscheid 01) wagte zwar nach ihrer Babypause ein Comeback, doch der Trainingsrückstand war noch zu groß. Sie will 2022 wieder angreifen. Anders die Situation von Pamela Dutkiewicz-Emmerich (TV Wattenscheid 01): Die WM-Dritte von 2017 hat aufgrund anhaltender Verletzungsprobleme ihre Karriere beendet.
  • Dadurch ist die Breite in der Spitze deutlich schwächer als in den Top-Jahren. Zwar liegen die Durchschnittszeiten der besten drei, fünf und zehn DLV-Sprinterinnen unter den Zeiten von 2020, aber noch immer auf einem ausbaufähigen Niveau.
  • Zum dritten Mal in Folge führt keine US-Amerikanerin die Weltbestenliste an. 2021 war Jasmine Camacho-Quinn (Puerto-Rico) die klare Nummer eins. Die 25-Jährige gewann nicht nur Olympia-Gold in Tokio, sondern alle ihre Rennen des Jahres über 100 Meter Hürden. Mit 12,26 Sekunden war sie dabei fast acht Zehntel schneller als die deutsche Nummer eins Ricarda Lobe.

leichtathletik.TV-Clips:

60 Meter Hürden   100/110 Meter Hürden

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer

* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017

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