| Olympische Reformen

Das Puzzle von IOC-Präsident Thomas Bach

40 Empfehlungen für eine bessere Zukunft: IOC-Präsident Thomas Bach stellte seine Reformvorschläge vor, die das Geschäftsmodell Olympia zukunftsfähig machen sollen. Am 8. und 9. Dezember wird darüber in Monte Carlo abgestimmt.
dpa / sim

Grenzübergreifende Spiele, mehr Mitspracherecht künftiger Gastgeber, ein eigener TV-Kanal und ein abgespeckter Bewerbungsprozess: Entspannt und zuversichtlich hat IOC-Präsident Thomas Bach am Dienstag in Lausanne die 40 Empfehlungen seiner umfassenden Reform-Agenda 2020 vorgestellt, mit der er das IOC und Olympia in eine bessere Zukunft führen will. "Es ist ein Puzzle. Wenn man alle Teile zusammenfügt, entsteht ein Bild, das die Einzigartigkeit Olympischer Spiele wahrt und die Rolle des Sports in der Gesellschaft stärkt", erklärte der Ober-Olympier.

"Wir wollen versuchen, alle 40 Punkte durchzubringen. Die große Linie muss stimmen, die Vision zählt", verkündete Bach. Seine IOC-Kollegen müssen auf der außerordentlichen Vollversammlung am 8. und 9. Dezember in Monte Carlo über die Vorschläge abstimmen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann schloss eine gemeinsame Olympia-Bewerbung von Berlin und Hamburg nach erster Interpretation der geplanten IOC-Reformen aus.

In Ausnahmefällen außerhalb der Gastgeber-Stadt

Vor allem das IOC-Angebot aus Gründen der Nachhaltigkeit, "die Austragung ganzer Sportarten oder einzelner Disziplinen außerhalb der Gastgeber-Stadt oder in Ausnahmefällen außerhalb des Landes zu erlauben", sorgte für Aufsehen. Dies wäre eine Premiere für Sommerspiele, bei Winterspielen war das bisher schon gestattet.

"Die Tür dafür ist offener als zuvor", sagte Bach, stellte aber klar, dass es weiter einen Haupt-Gastgeber und ein zentrales olympisches Dorf geben müsse. "Die Einheit von Zeit, Ort und Handlung darf sich, wie in einem griechischen Drama, nicht ändern", betonte der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim. "Wir wollen keine Spiele, die über ein ganzes Land zerstreut sind und nur im Fernsehen als eine Veranstaltung zu sehen sind."

Trotzdem werden damit auch die Variationsmöglichkeiten für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) größer, der sich mit Berlin oder Hamburg um die Spiele 2024 bewerben will. "Es ist eine Frage der Organisation. Wir haben es im Fußball auch schon erlebt mit zwei Veranstaltern. Warum nicht?", sagte die dreifache Alpin-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch, "es wäre ja weiter ein Gastgeber, der durch andere Partner ergänzt werden könnte."

Keine gemeinsame Bewerbung von Hamburg und Berlin

Hörmann begrüßte die IOC-Maßnahmen. "Sie ermutigen uns, unsere Bemühungen um eine deutsche Bewerbung mit Berlin oder Hamburg für 2024 und gegebenenfalls 2028 konsequent weiter zu gehen. Beide Konzepte sind, wenn man so will, unsere Antwort auf die Einladung des IOC an potenzielle Olympia-Bewerber."

Das IOC habe es für Olympia-Bewerber "deutlich erleichtert", einzelne Sportarten oder Wettbewerbe auch außerhalb der Bewerberstadt zu organisieren, erklärte Hörmann. "Beim genauen Lesen aller Texte scheint uns ein Konzeptansatz einer Bewerbung mit zwei Städten aber nach wie vor weder zielführend noch machbar", sagte der DOSB-Präsident. "Diese und andere wichtige Fragen werden wir jedoch nach der endgültigen Verabschiedung der Agenda 2020 noch einmal klären."

Auftrieb für deutsche Bewerbung

Ein erfolgreiches Reformpaket würde auch einer Olympia-Bewerbung Deutschlands Auftrieb geben. Das erklärte der Bundestagsabgeordnete und Obmann im Sportausschuss, Frank Steffel, am Dienstag. "Ich begrüße die richtungsweisenden Reformvorschläge des IOC. Die Überarbeitung veralteter Strukturen war längst überfällig. Sie wird hoffentlich den ursprünglichen olympischen Gedanken wiederbeleben", sagte der CDU-Politiker.

"Diese Reformvorschläge kommen, wenn sie im Dezember beschlossen werden, dem Hamburger Bewerbungskonzept für Olympische und Paralympische Spiele sehr entgegen", meinte Hamburgs Sportsenator Michael Neumann (SPD). "Thomas Bach hat Wort gehalten."

"Nicht größer, sondern vielfältiger"

Bach wünscht sich mehr Flexibilität und Individualität der Kandidaten - Olympia soll sich dem jeweiligen Gastgeber anpassen und nicht die Stadt den Spielen. So dürfen die Ausrichter künftig neue Disziplinen oder sogar neue Sportarten vorschlagen, die sie bei ihren Heimspielen gern im Programm hätten. Auch das bisherige Limit von 28 Sportarten bei Sommerspielen und sieben bei Winterspielen soll aufgehoben, die Obergrenze von 10 500 Athleten beim Ringe-Spektakel im Sommer und 2900 bei den Winterspielen allerdings beibehalten werden.

Der 60-Jährige verspricht sich dadurch mehr Flexibilität, bei Winterspielen mehr interessierte Kandidaten und vor allem eine überfällige Modernisierung des Programms. Mehr Mixed-Wettbewerbe gehören ebenfalls zum Reformpaket. "Wir wollen die Spiele nicht größer machen, sondern vielfältiger", erklärte Bach. Mehr Partnerschaft und Dialog mit den potenziellen Ausrichtern statt Vorgaben seien nötig. Die Bewerbungsausgaben sollen durch eine Kostenbeteiligung des Internationalen Olympischen Komitees reduziert werden. Auch auf temporäre Bauten soll stärker gesetzt werden.

Nicht-Diskrimierung soll in olympische Charta

Spätestens seit den weltweiten Negativschlagzeilen über die 50 Milliarden Dollar teuren Retortenspiele von Sotschi (Russland) mit all ihren Sünden schreit Olympia nach Reformen. Bach hofft, das IOC weiterentwickeln und als politisch neutrale, autonome Organisation etablieren zu können.

Der von Olympia-Gegnern regelmäßig kritisierte Ausrichtervertrag soll aus Gründen der Transparenz in Zukunft veröffentlicht, die Nicht-Diskrimierung wegen sexueller Orientierung unter Prinzip 6 in die olympische Charta aufgenommen werden. Zudem ist vorgesehen, die Unabhängigkeit der IOC-Ethikkommission weiter zu stärken. Auch ein eigener TV-Kanal, der den olympischen Sportarten zwischen den Spielen zu deutlich mehr Aufmerksamkeit verhelfen soll, ist Teil der Neuausrichtung.

Für eine gelungene Refom muss das IOC raus aus der Sackgasse, in die die Ringe-Organisation durch die Sotschi-Spiele geraten ist. Beim Votum in Monte Carlo haben es die IOC-Mitglieder selbst in der Hand. Den jüngsten Skandal um den Fußball-Weltverband FIFA und die umstrittenen WM-Vergaben an Russland (2018) und Katar (2022) wird auch das IOC nicht dauerhaft ignorieren können. Zum Thema FIFA und deren Präsidenten Blatter wollte Bach am Dienstag nichts sagen.

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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