| Porträt

Elena Burkard: Leistungsboom einer Hindernis-Novizin

Nach jahrelangem Verletzungspech hätte es für Elena Burkard 2018 nicht besser laufen können. Mit dem Cross-DM-Titel ins Jahr gestartet, überzeugte sie auch auf der Bahn und knackte gleich auf drei Strecken die EM-Norm. Überrascht hat die 26-Jährige vor allem mit ihrem Leistungsboom über 3.000 Meter Hindernis.
Jane Sichting

Manchmal fühlt es sich für Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald) noch etwas unreal an. Noch vor einem Jahr habe niemand ihren Namen gekannt. Und plötzlich zählt sie nicht nur zu den Leistungsträgerinnen im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), sondern ist auch medial eine gefragte Persönlichkeit. Was die 26-Jährige in dieser Saison erreicht hat, gleicht einer Leistungsexplosion.

Der erste Überraschungserfolg gelang im März mit dem Titelgewinn bei den Deutschen Cross-Meisterschaften in Ohrdruf. „Ich liebe das Crosslaufen. Von mir aus könnte ich das ganze Jahr über nichts anderes tun“, schwärmt die Läuferin. Die Strecken im freien Gelände sind gut, um Tempohärte und Ausdauer zu trainieren. Und beides braucht Elena Burkard spätestens im Sommer: „Egal, wie gut ich im Cross bin. Was zählt, sind die Zeiten auf der Bahn.“

Dieses Jahr bewies sie, dass sie auch im Stadion schnell laufen kann – sowohl über die Flachdistanzen als auch über die 3.000 Meter Hindernis. „Diese Disziplin hat mich schon immer fasziniert. Für die EM in Berlin hat mein Trainier Jörg Müller darin die größte Chance gesehen und gesagt, jetzt probieren wir es einfach. Ich habe die Idee als lustiges Experiment angesehen und mich drauf eingelassen“, erinnert sich die gebürtige Freudenstädterin.

Drei EM-Normen unterboten

Sich ausschließlich auf den Hindernislauf konzentrieren, das wollte sie aber nicht. Auch an den 1.500 Metern hat sie großen Spaß und entschied sich für einen Start über diese Distanz bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg. Und das, obwohl sie zuvor Mitte Juni gezeigt hatte, dass sie auch über die 5.000 Meter schnell ist. In Tübingen verbesserte sie auf der Strecke, von der sie eigentlich kommt, ihre Bestzeit auf starke 15:12,17 Minuten. Eine Steigerung um 53 Sekunden!

Spätestens nach dem Zieleinlauf im Nürnberger Max-Morlock-Stadion konnte sich Elena Burkard jedoch sicher sein, bei der Streckenwahl die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Hinter Titelverteidigerin Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen) lief die Athletin der LG Farbtex Nordschwarzwald ihre nächste Bestzeit und sicherte sich mit 4:06,51 Minuten den Vize-Titel. Zugleich hatte sie in diesem Moment ein Triple von EM-Normen für Berlin unterboten: über 1.500 Meter, 5.000 Meter und 3.000 Meter Hindernis.

Die EM-Norm über die Hindernisse war bereits im Mai in Frankreich gefallen: 9:36,93 Minuten im zweiten Rennen überhaupt. So durfte sich die Chemiestudentin auf dieser Distanz sogar erstmals in der Diamond League in Paris (Frankreich) mit der Weltklasse messen und konnte schließlich Anfang Juli in Luzern (Schweiz) ihre Bestmarke nochmal auf 9:34,51 Minuten steigern. Den Erfolg führt sie auf ihre Lockerheit zurück. „Ich hatte ja keinerlei Druck, da niemand etwas von mir erwartet hat. So konnte ich unbeschwert laufen und hatte viel Spaß dabei“, erzählt sie.

Hindernistechnik noch eine "Katastrophe"

Gleichermaßen angenehm empfand sie die Situation dann im August bei der EM im Berliner Olympiastadion. Denn während alle Augen auf die amtierende Europameisterin Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier) gerichtet waren, konnte sie entspannt an den Start gehen und sich ganz auf ihren Lauf konzentrieren. Erneut in persönlicher Bestleistung von 9:29,76 Minuten belegte die Hindernis-Novizin am Ende einen beachtlichen Rang sechs.

Von der Strahlkraft ihrer DLV-Konkurrentin will sich Elena Burkard nicht entmutigen lassen. Vielmehr ist es Ansporn, so nah wie möglich an die zweimalige Europameisterin heranzukommen. „Gesa hat eine beeindruckende Technik. Das ist ihre große Stärke“, bewundert sie die Eleganz, mit der die Deutsche Rekordhalterin über die Hindernisse läuft. Ihre eigene Technik beschreibt die EM-Sechste hingegen als „Katastrophe“ und gesteht lachend, dass sie nicht einmal als Kind über Hürden gelaufen sei. Schon frühzeitig sagte man ihr, sie sei zu unkoordiniert, zu langsam und zu schwach für die Hindernisse.

Cross-Erfahrungen helfen

Dennoch stellte sich Elena Burkard der Herausforderung und zeigte, wozu sie mit viel Arbeit, Herzblut und einem starken Willen fähig ist. Zudem kann sie von ihren Cross-Erfahrungen profitieren und verrät: „Aufgrund der ständigen Tempo- und Rhythmuswechsel im freien Gelände dachten mein Trainer und ich, dass es auch auf der Rundbahn über die Hindernisse gut klappen könnte.“

Die größte Umstellung gegenüber den flachen Strecken ist die Anstrengung für den Kopf. „Du kannst nicht einfach laufen, ohne groß zu denken. Weil alle zehn Sekunden ein Hindernis im Weg steht, musst du das komplette Rennen über konzentriert sein und aufpassen, dass du nicht stolperst“, beschreibt sie die Besonderheiten ihrer neuen Disziplin.

Aufbautraining für Cross-Saison

Seit Anfang Oktober befindet sich Elena Burkard nach einer kurzen Auszeit wieder im Training und bereitet sich auf die anstehende Cross-Saison vor. „Wir haben langsam wieder angefangen und arbeiten vor allem an der Ausdauer“, sagt sie.

Das erste Rennen plant sie Anfang November in Pforzheim (10. November), bevor sie sich am letzten November-Wochenende für die Cross-EM im niederländischen Tilburg qualifizieren will. Eine Hallensaison schließt sie bisher aus: „Vielleicht bestreite ich mal ein Rennen aus dem Training heraus. Aber das entscheide ich eher spontan.“ Ohnehin sei es für sie das Wichtigste, gesund durch den Winter zu kommen. „Leider bin ich sehr verletzungsanfällig.“

Lange Verletzungshistorie

Nachdem sie schon fünf Ermüdungsbrüche im Schien- und Wadenbein wegstecken musste, hat Elena Burkard gelernt, stärker auf ihren Körper zu hören. Sie darf nur noch maximal 60 bis 70 Trainingskilometer pro Woche zurücklegen. Rückblickend gesteht sie sich ein, sich vor allem während ihres USA-Aufenthalts manchmal zu sehr gepusht zu haben.

Im Spätsommer 2012 war die Baden-Württembergerin mit einem Sportstipendium an die University of San Francisco gegangen und absolvierte schließlich ihr gesamtes Bachelor-Studium im sonnigen Kalifornien. Erst im Mai 2017 kehrte sie nach Deutschland zurück.

Obwohl Trainer Jörg Müller über ihren Weg in die USA alles andere als glücklich war, zeigte er sich keineswegs nachtragend. „Wir arbeiten jetzt seit gut zehn Jahren zusammen. Er hat mich auch aus der Ferne in den USA unterstützt. Ich bin ihm unheimlich dankbar, dass ich ohne Wenn und Aber gleich wieder bei ihm trainieren durfte“, erklärt das Lauftalent. „Die Chemie zwischen uns stimmt einfach. Auch meine Trainingsgruppe ist super. Zwar bin ich das einzige Mädchen, aber die Jungs sind für mich ideale Tempomacher.“

Fernziel Tokio 2020

Nächstes Jahr will Elena Burkard an ihre Leistungen aus dem EM-Sommer anknüpfen. „In diesem Jahr hätte es für mich nicht besser laufen können. Mir ist allerdings bewusst, dass solch eine Leistungssteigerung nicht in jedem Jahr zu erwarten ist“, erklärt sie. Wichtig sei, dass sie sich ihre Leichtigkeit und Lockerheit bewahre. An ihrem Konzept – Starts über Flachdistanzen und die Hindernisse – will sie weiter festhalten. „Das eine schließt das andere ja nicht aus. Dass ich über die 1.500 Meter schnell laufen muss, kommt mir über die längere Hindernisstrecke zu Gute. Ich denke, dass ich noch viel Potenzial habe“, blickt sie hochmotiviert voraus.

Die WM in Doha (Katar; 29. September bis 6. Oktober 2019) ist aufgrund des späten Termins derzeit eher kein Thema für ihre Saisonplanung. Gerade weil sie so verletzungsanfällig ist, muss sie ohnehin von einem Rennen zum nächsten denken. Seit eineinhalb Jahren ist sie verletzungsfrei und will nicht leichtfertig eine weitere Zwangspause riskieren. Denn langfristig gedacht, hat Elena Burkard bereits Tokio 2020 im Hinterkopf. Dass ihr bei den Olympischen Spielen in Japan dann erneut ein Überraschungs-Coup gelingt, bleibt dem ehrgeizigen Energiebündel nur zu wünschen.

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