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Fabienne Amrhein: Die Zukunft liegt auf der Straße

Fabienne Amrhein feierte in diesem Jahr beim Berlin-Marathon ein gelungenes Debüt über 42,195 Kilometer. Künftig will sie vermehrt auf der Straße laufen. Doch ihre große Leidenschaft bleibt das Gelände. Am Sonntag rennt sie beim internationalen Crosslauf in Tilburg (Niederlande) um die Qualifikation für die Cross-EM.
Philip Häfner

Am vorletzten Tag des Höhentrainingslagers in Südafrika wusste Fabienne Amrhein auf einmal, wofür sie in den vergangenen drei Wochen so hart gearbeitet hatte. Auf dem Trainingsplan standen acht mal 1.000 Meter auf einer Rasenbahn. „Da kam schon richtiges Cross-Feeling auf, auch weil ich meine Cross-Spikes aus ihrem Sommerschlaf geholt habe“, sagt die Läuferin der MTG Mannheim.

Sie fühle sich nun bereit für den internationalen Crosslauf in Tilburg (Niederlande) an diesem Sonntag. Dort werden am 26. November die Tickets für die Europameisterschaften in Samorin (Slowakei; 10. Dezember) vergeben. Voraussetzung für eine Nominierung ist eine Platzierung unter den besten Zehn in der europäischen Wertung.

Mit einer erneuten EM-Qualifikation würde sich Amrhein einen Tag nach ihrem 25. Geburtstag selbst ein Geschenk machen. Im vergangenen Jahr war sie bei den Cross-Europameisterschaften in Chia (Italien) als 20. die beste Deutsche gewesen. „Diese Platzierung möchte ich in diesem Jahr bestätigen oder sogar noch verbessern“, sagt sie. Mit der Mannschaft sei bei gutem Verlauf vielleicht sogar eine Medaille möglich. 2016 hatte das deutsche Frauenteam Platz sieben belegt.

Zukunft liegt auf der Straße

Fabienne Amrhein läuft gerne Cross; sie liebt die Abwechslung im Gelände und das direkte Duell Frau gegen Frau. Doch sie feierte in der Vergangenheit auch schon in der Halle Erfolge, unter anderem als mehrfache Deutsche Hochschul-Hallenmeisterin über 3.000 Meter (2015 und 2017) sowie als Sechstplatzierte der diesjährigen Hallen-DM über diese Distanz mit neuer Bestzeit von 9:13,97 Minuten.

Für 2018 ist allerdings keine Hallensaison geplant. Ihre Zukunft sieht Fabienne Amrhein auf der Straße, deshalb wird sie sich nach der Cross-Saison ganz dem Marathon widmen. Das bedeutet höhere Umfänge im Training, wenngleich die 24-Jährige auf Tempoläufe auch künftig nicht verzichten wird. „Schnelligkeit ist auch im Marathon wichtig“, sagt sie.

Gelungenes Marathondebüt

Bei ihrem Debüt über 42,195 Kilometer Ende September beim Berlin-Marathon war Amrhein als Elfte nach 2:34:14 Stunden ins Ziel gekommen und nach Anna Hahner (run2sky.com; 2:28:32 h) die zweitschnellste Deutsche. In der deutschen Jahresbestenliste ordnet sie sich damit hinter Fate Tola Geleto (LG Braunschweig; 2:27:48 h), Anna Hahner, Anja Scherl (LG Telis Finanz Regensburg; 2:28:54 h) und Katharina Heinig (LG Eintracht Frankfurt; 2:29:29 h) auf Platz fünf ein.

Fabienne Amrhein unterbot sogar Norm für den Marathon-Europacup, der im Rahmen der EM 2018 in Berlin (6. bis 12. August) stattfindet. Sicher sein kann sie sich ihres Startplatzes allerdings noch nicht, dafür ist das Niveau in Deutschland momentan zu hoch – es gibt mehrere Läuferinnen, die ebenfalls in der Lage sind, die Norm noch zu knacken. Die Mannheimerin will deshalb noch einmal nachlegen und plant einen Start bei den Deutschen Marathonmeisterschaften im Rahmen des Düsseldorf-Marathons am 29. April. Mittelfristig will sie schneller als 2:29:45 Stunden laufen – dort steht die Bestleistung ihres Trainers Christian Stang.

Schneller als der Trainer

Beim Berlin-Marathon konnte Fabienne Amrhein ihrem Heimtrainer schon einmal davonlaufen. Aufgrund einer Fahrradpanne erreichte Stang, der sie bis dahin begleitet hatte, das Ziel erst zehn Minuten nach ihr. Es blieb der einzige Zwischenfall bei einem ansonsten rundum gelungenen Debüt. Die Langstrecklerin ließ sich weder von einer Erkältung in der Woche vor dem Lauf noch vom nasskalten Wetter am Wettkampftag selbst bremsen.

Sie hatte vorher keine spezielle Marathonvorbereitung bestritten, war im Training lediglich zwei Mal 30 Kilometer gelaufen. Im Rennen sei die erste Hälfte dann „wie im Flug“ vergangen, erzählt sie. „Ich habe versucht, nicht daran zu denken, wie weit es noch ist, sondern wie viel ich schon geschafft habe.“ Als es dann nach 35 Kilometern doch hart wurde, half ihr der Gedanke an ihre Schwägerin, die kurz vorher ein Kind bekommen hatte, nachdem sie stundenlang in den Wehen gelegen hatte. „Ich dachte mir: Wenn sie das durchsteht, dann schaffe ich auch einen Marathon.“

Das Rennen in Berlin war für Fabienne Amrhein der Höhepunkt eines mit schönen Momenten gespickten Jahres. Zuvor hatte sie auch schon die Halbmarathons in Wien (Österreich) und Mainz gewonnen und sich damit für die Universiade in Taipeh (Taiwan) qualifiziert. Dort wurde sie Sechste.

Der Opa ist ihr größter Fan

Es gab also wieder einiges abzuheften für ihren Großvater, der alle ihre Ergebnisse und Berichte über sie in einem dicken Aktenordner sammelt. „Er ist mein größter Fan“, sagt sie. Den ersten Artikel gab es, als sie erst fünf Jahre alt war – damals schaffte sie es als jüngste Kreismeisterin im Crosslauf auf die Titelseite der „Wieslocher Woche“, der Lokalzeitung im Ort.

Erst ein halbes Jahr zuvor hatte Fabienne Amrhein mit der Leichtathletik begonnen, weil sie neidisch auf ihren drei Jahre älteren Bruder war. „Er hat von den Wettkämpfen immer Preistüten mit Brezeln, Capri-Sonne, Stiften und Malbüchern mitgebracht, manchmal auch einen Pokal. Das wollte ich auch haben.“ Als Jugendliche versuchte sie sich zunächst über 400 Meter Hürden. Anschließend wechselte sie zum Laufen und auf immer längere Strecken.

Parallel schloss die ehrgeizige Athletin die Schule mit einem Schnitt von 1,0 und das Bachelor-Studium in Biochemie in Regelstudienzeit mit der Note 1,1 ab. Mittlerweile macht Fabienne Amrhein ihren Master in Molekularbiologie mit dem Schwerpunkt Krebsbiologie. Im Herbst 2018 – nach der Heim-EM – steht die Abschlussarbeit an, danach will sie sich bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio (Japan) ganz auf das Straßenlaufen konzentrieren. „Ich sehe bei mir noch deutliches Steigerungspotenzial“, sagt sie. Wenn sie erst einmal voll auf die Karte Sport setzt, sollen die Bestzeiten bald noch deutlich purzeln.

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