| Interview

Felix Franz: „Zum ersten Mal ohne Druck“

An der deutschen Spitze angekommen: Hürdenläufer Felix Franz (LG Neckar-Enz) hat bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm mit Gold und Bestzeit von 49,34 Sekunden – Platz neun in Europa – für eine der großen Überraschungen gesorgt. Im Interview berichtet er von den Gründen seiner Leistungssteigerung, seiner Verbundenheit zu seinem Verein und Heimtrainer und warum er entspannter denn je auf den internationalen Höhepunkt des Jahres, die EM in Zürich, blicken kann.
Silke Morrissey

Felix Franz, die DM in Ulm liegt jetzt eine Woche zurück. Haben Sie die Ereignisse schon verdaut?

Felix Franz:

Ehrlich gesagt noch nicht so ganz (lacht) …

Sie haben einen großen Rückstand auf den Magdeburger Varg Königsmark auf der Zielgeraden noch in sechs Hundertstel Vorsprung umgemünzt. Wie waren die Reaktionen auf diesen Überraschungs-Coup?

Felix Franz:

Ich habe während des Laufs gar nicht mitbekommen, dass ich so weit zurück liege. Das habe ich erst später im Video gesehen. Die Zeit, die dabei herausgesprungen ist, war krass, damit hätte ich nie gerechnet. Natürlich waren darüber alle super happy und haben sich mit mir gefreut.

Auch Varg Königsmark?

Felix Franz:

Ja, der hat mir auch sofort gratuliert. Er ist ja selber Bestzeit gelaufen, von daher war er sehr zufrieden. Wir laufen schon seit 2009 regelmäßig gegeneinander, waren oft gemeinsam auf internationalen Nachwuchsmeisterschaften und auf Lehrgängen. Wir verstehen uns super, stehen auch privat in Kontakt und teilen uns jetzt in Kienbaum bei der EM-Vorbereitung ein Zimmer. Ich gönne es ihm, wenn er gewinnt, und er gönnt es mir, wenn ich gewinne.

Varg Königsmark ist ein Jahr älter als Sie. Haben Sie denn vorher schon einmal gegen ihn gewonnen?

Felix Franz:

Nein. Das war das erste Rennen seit 2009, in dem ich ihn im direkten Vergleich geschlagen habe.

Wie haben Sie die erste Woche als frischgebackener Deutscher Meister verbracht?

Felix Franz:

Die Woche war stressig! Meine Eltern haben unser Haus verkauft und ich bin gleichzeitig in meine erste eigene Wohnung in Bietigheim-Bissingen gezogen. Natürlich wollten auch sonst viele Leute was von mir. Mein Trainer hat mir eine Pause gegönnt und ich habe nur zweimal locker trainiert. Jetzt bin ich echt froh, dass wir seit Samstag in Kienbaum sind. Da sind wir abgeschieden, können in Ruhe trainieren und müssen uns um nichts kümmern.

Sie haben Ihren langjährigen Trainer Thomas Riegraf angesprochen. Ihr Verein ist die LG Neckar-Enz – ein kleiner Verein in der Nähe von Stuttgart. Wie wichtig ist Ihnen die Verwurzelung in Ihrer Heimat?

Felix Franz:

Ich bin seit 17 Jahren in dem Verein, seit ich vier Jahre alt bin. Bei Thomas Riegraf habe ich mit der Leichtathletik angefangen! Ich habe selbst eine kleine Kindergruppe, die ich einmal pro Woche trainiere. Da besteht eine große Verbundenheit. Aber weil wir keine Leichtathletik-Halle haben, bin ich jetzt auch dreimal pro Woche am Olympiastützpunkt in Stuttgart. Dort trainiere ich bei Sven Rees und Marlon Odom, zusammen mit Gregor Traber. Das entlastet auch Thomas Riegraf, denn er arbeitet halbtags als Maler, muss sich für längere Wettkampfreisen und Trainingslager immer Urlaub nehmen und hat auch noch andere Athleten, um die er sich kümmern muss.

Sicher gab es schon Angebote von größeren Vereinen…

Felix Franz:

Ja, da gab es schon einige. Ich bekomme von meinem Verein monatlich kein Geld, daher habe ich mir das schon überlegt. Jetzt, wo ich Miete zahlen muss, muss ich noch mal mit meinem Verein reden. Das kann ich ohne finanzielle Unterstützung nicht mehr stemmen. Aber ich hoffe, dass sich mein Verein etwas einfallen lässt und dass wir eine Lösung finden. Denn eigentlich will ich nicht weg.

Neben dem Leistungssport studieren Sie in Stuttgart Verfahrenstechnik. Hört sich nach einem stressigen Alltag mit viel Fahrerei an. Beschreiben Sie doch mal eine typische Woche in Ihrem Leben.

Felix Franz:

Ich bin dreimal pro Woche in Stuttgart und sechsmal in Bietigheim. Dann kommen noch zwei Physio-Termine dazu und ein Termin pro Woche in Bruchsal bei einem Rückenspezialisten, weil ich seit meiner Geburt Rückenprobleme habe. Damit das alles funktioniert, trainiere ich immer erst gegen 18 oder 18:30 Uhr abends. Gerade im Sommer ist es hart, wenn man dann am Wochenende auch noch auf Wettkämpfen unterwegs ist.

Und wie kommen Sie mit dem Studium voran?

Felix Franz:

Ich habe das Studium schon von Anfang an von sechs auf zehn Semester gestreckt. Das Hauptproblem ist, dass ich immer dann nicht da bin, wenn Klausuren geschrieben werden. Jetzt stehen wieder Termine an, aber ich bin erst in Kienbaum und dann in Zürich. Also, irgendwie geht’s, aber die Uni Stuttgart kommt mir da als Leistungssportler nicht besonders entgegen.

Umso bemerkenswerter ist Ihr Leistungssprung in dieser Saison. Sie haben sich um genau eine Sekunde und eine Hundertstel gesteigert. Was ist das Erfolgsrezept?

Felix Franz:

Das läuferische Potenzial hatte ich auch schon letztes Jahr. Aber ich hatte immer wieder große Probleme mit dem Rhythmus und der Hürdentechnik. An der Technik habe ich mit Sven und Marlon viel gearbeitet. Außerdem war ich in der Saisonvorbereitung vier Wochen in Südafrika, da hatte ich die Möglichkeit, noch mal intensiver an der Hürde zu arbeiten. Die Läufe in diesem Jahr waren rhythmisch sauber, und auch die technischen Fehler haben sich minimiert. In allen Rennen, in denen ich fit angetreten bin, bin ich in diesem Jahr unter 50 Sekunden geblieben. Daher war die Zeit in Ulm nicht der eine große Ausrutscher, sondern hat sich schon vorher angedeutet.

Mit der neuen Bestzeit haben Sie sich eine gute Ausgangsposition für Zürich verschafft. Worauf freuen Sie sich da am meisten?

Felix Franz:

Ich bin seit 2010 in der Nationalmannschaft der Junioren. Aber jetzt bei den Aktiven starten zu dürfen ist etwas ganz Besonderes. Mit den Athleten in einem Team, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Die kennenzulernen, wird bestimmt super.

Was haben Sie sich sportlich vorgenommen?

Felix Franz:

Es wird nicht leicht in Zürich zu laufen, denn der Kurvenradius ist extrem groß und die Hürden stehen anders als bei uns. Zum Beispiel ist die neunte Hürde dort noch in der Kurve, bei uns stehen alle Hürden schon auf einer Linie. Mal sehen, wie ich damit zurechtkomme. Ich mache mir gar keinen Druck, ich will einfach einen guten Wettkampf abliefern und technisch sauber laufen. Das Halbfinale sollte drin sein, aber was die Plätze betrifft, habe ich mir gar nichts vorgenommen. Bei den Nachwuchsmeisterschaften habe ich bisher immer zu den Medaillenkandidaten gezählt, jetzt fahre ich zum ersten Mal ohne Druck zu einer Meisterschaft – das ist eigentlich ganz schön!

Wird Thomas Riegraf auch dabei sein?

Felix Franz:

Er hat zu mir gesagt: „Wenn du es bis in den Endlauf schaffst, dann komme ich!“

<link video:10412>Video: Felix Franz räumt auf
<link video:10435>Video-Interview: "Endlich ist der Knoten geplatzt"

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