| Interview zum Karriereende

Silke Spiegelburg: "Ich bin mit mir im Reinen"

Sie hat den deutschen Stabhochsprung geprägt wie keine andere: Silke Spiegelburg (TSV Bayer 04 Leverkusen) sprang über viele Jahre ganz vorne in der Weltspitze mit. Nach Bekanntgabe ihres Karriereendes wurde die 32-Jährige am Samstag in Düsseldorf von der Deutschen Sporthilfe verabschiedet. Im Interview sprach die Vize-Europameisterin von 2010 über ihre vielen vierten Plätze und das Thema Angst in ihrer Disziplin.
Pamela Lechner

Silke Spiegelburg, Sie wurden mit insgesamt 30 Spitzensportlern und Standing Ovations nach einer langen und erfolgreichen Karriere im Rahmen der Gala "Juniorsportler des Jahres" feierlich verabschiedet. Wie war dieser Moment für Sie?

Silke Spiegelburg:

Ich fand die Verabschiedung in diesem Rahmen toll, es war auf jeden Fall emotional für mich. 2005 stand ich selbst als Juniorsportlerin des Jahres zur Wahl. Damals war das alles noch etwas anders, es gab keine Online-Abstimmung, sondern es hat ein Gremium entschieden, wer gewinnt. Dort, wo alles begonnen hat, auch wieder verabschiedet zu werden und Goodbye zu sagen, war eine runde Sache.

Sie haben erst wenige Tage vor der Veranstaltung Ihr Karriereende auf Facebook bekanntgegeben. Haben Sie die Gedanken, mit dem Leistungssport aufzuhören, schon länger begleitet?

Silke Spiegelburg:

Die Gedanken waren die letzten Jahre schon immer da. Vor allem, wenn man verletzt ist, fragt man sich, was mache ich jetzt: Greife ich nochmal an? Starte ich nochmal ein Comeback? Klappt das und hält der Körper? Aber dieses Jahr habe ich zum ersten Mal für mich gemerkt, dass es Zeit ist, sich zu verabschieden. Den Entschluss habe ich mir die letzten Wochen intensiv durch den Kopf gehen lassen. Eines Morgens bin ich aufgewacht und habe mir gesagt, so, jetzt reicht es. Ich bin mit mir im Reinen und kann sagen, es war eine schöne Zeit mit vielen Höhen und Tiefen. Ich bin mit mir zufrieden und kann deswegen Tschüß sagen.

In den vergangenen drei Jahren lief es aufgrund von Verletzungen nicht nach Plan. Hatten Sie dennoch den Glauben und Willen, nochmal an frühere Weltklassehöhen anknüpfen zu können?

Silke Spiegelburg:

Auf jeden Fall. Nach meiner Operation 2014 habe ich 2015 mit den 4,75 Metern bei der Team-EM ein Ausrufezeichen gesetzt. Das war in diesem Jahr deutsche Bestleistung. Von daher habe ich die Hoffnung nie aufgegeben. Ich dachte, ich habe solche Sprünge noch drauf, wenn ich die Probleme beseitigen und mehr trainieren kann. Leider konnte ich wegen meines Fußes lange Zeit nicht das nötige Sprungkrafttraining machen. Im letzten Wintertraining konnte ich es dann endlich wieder machen, aber irgendwie hat das Gesamtpaket an Verletzungen dazwischengefunkt.

Was war genau das Problem mit dem rechten Absprungfuß?

Silke Spiegelburg:

Der Knochen war etwas angebrochen, ich hatte einen Haarriss im Kahnbein. Das wurde leider erst sehr spät erkannt und musste 2014 operiert werden. Das Problem hat mich sehr, sehr lange begleitet. Ich hatte deshalb immer wieder Rückschläge. Die Verletzung hat zu Fehlbelastungen geführt und auch andere Bereiche in Mitleidenschaft gezogen. Das war immer ein Auf und Ab.

Stabhochsprung war Ihr Leben. Wir blicken Sie auf dieses Kapitel zurück? Was war der schönste Moment?

Silke Spiegelburg:

Es waren viele schöne Momente dabei. Ich glaube, der emotionalste Moment war für mich 2001, als ich mit gerade 15 Jahren U18-Weltmeisterin geworden bin. Das wäre heute gar nicht mehr möglich, in dem Alter schon dort zu starten. Aber die U18-WM gibt's ja jetzt auch nicht mehr (lacht). Mein erster Einsatz im Deutschlandtrikot und gleich ein Sieg. Das erste Mal die Nationalhymne hören, das hat einen extrem bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber auch die Olympischen Spiele 2004 in Athen, als ich mit 18 direkt im Finale stand und vor der tollen Kulisse nochmal springen konnte. Dazu die drei Gesamtsiege der Diamond League. Was für mich sehr, sehr besonders war: der deutsche Freiluft-Rekord 2012 in Monaco. Dieser Rekord bedeutet mir sehr viel.

Der Rekord von 4,82 Metern ist immernoch gültig, genauso wie Ihr deutscher Hallenrekord von 4,77 Metern aus demselben Jahr. Neben diesen großen Erfolgen gab es einige bittere Momente für Sie, wenn man an die vielen vierten Plätze bei internationalen Meisterschaften denkt. Haben Sie damit Frieden geschlossen?

Silke Spiegelburg:

Ja, damit habe ich meinen Frieden geschlossen. Einmal durfte ich ja draußen auch auf dem Treppchen stehen, als ich bei der EM 2010 Zweite geworden bin. Auch bei Hallen-Europameisterschaften habe ich zwei Silbermedaillen gewonnen. Die vierten Plätze waren sehr, sehr bitter: Zweimal bei Weltmeisterschaften, einmal bei Olympia und noch bei einer EM. Das ist natürlich nicht schön, aber ich stehe mittlerweile dazu. Das ist meine Karriere. So viele vierte Plätze muss mir erstmal jemand nachmachen (lacht). Ich kann rückblickend sagen, ich war sehr lange konstant. Ich war bis zu dem Zeitpunkt, als meine Verletzung anfing, bei großen Meisterschaften immer im Finale und ganz oft in den Top Fünf der Welt.

Auch nach Ihrer aktiven Laufbahn wollen Sie dem Stabhochsprung erhalten bleiben. In welcher Form, gibt es da schon Pläne?

Silke Spiegelburg:

Das wird sich zeigen. Ich werde auf jeden Fall als Zuschauer bei Wettkämpfen dabei sein, wenn es die Zeit zulässt. Mittlerweile trainiere ich in Stuttgart ehrenamtlich zweimal in der Woche 14- bis 15-jährige Kinder im Mehrkampf-Bereich, also in allgemeiner Leichtathletik. Vielleicht gebe ich hobbymäßig auch mal Stabhochsprung-Training, mal schauen, wie sich das entwickelt. Einmal Stabhochspringer, immer Stabhochspringer (lacht). Beruflich habe ich Gesundheitsökonomie studiert und will mich in dem Bereich nun selbständig machen.

Stabhochsprung ist eine der anspruchsvollsten Disziplinen in der Leichtathletik. Was muss man für Eigenschaften mitbringen, um ein guter Stabhochspringer zu werden?

Silke Spiegelburg:

Man sollte als Springer auf jeden Fall Respekt haben, aber keine Angst, das ist die Gratwanderung. Am Anfang hat man keine Angst, eine saubere Technik ist das A und O, dann ist auch alles sicher. Außer der Stab bricht, aber daran denken wir nicht. Wir haben so viel Energie, dass man im Normalfall immer auf der Matte landet, die groß genug ist. Ich hatte selber eine Zeit lang mit der Angst-Thematik zu kämpfen, die mit der Verletzung anfing. Da habe ich mir professionelle Hilfe geholt, um diese Angst wieder abzulegen. Das hat mir sehr gut getan. Und ich stehe dazu, dass ich so eine Phase durchleben musste. Im Skispringen gibt es auch solche Fälle. Es ist ein Thema, dass beim Stabhochsprung immer mitschwingt. Es ist manchmal ein schwerer Kampf, aber man kann es schaffen, sich zu überwinden.

Das internationale Niveau im Frauen-Stabhochsprung steigt in der Breite immer mehr an. Werden Sie die Entwicklung weiterverfolgen?

Silke Spiegelburg:

Ja klar. Ich kenne die Springerinnen ja alle noch, die Amerikanerinnen und Griechinnen. Wir sind auf Facebook und Instagram in Kontakt. Sie haben mir auch alle ganz nett geschrieben, als ich mein Karriereende bekannt gegeben habe. Sie haben mir alles Gute gewünscht und gesagt, dass ich ihr Vorbild war. Das war ziemlich niedlich. Sie sind ja alle jünger als ich und stehen jetzt ganz oben. Da dachte ich mir, okay, es ist jetzt Zeit zu gehen.

Mehr:

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