| Porträt

Trainer im Fokus: Lothar Schmitt und Klaus Flakus

Sie stehen hinter den Erfolgen der deutschen Topathleten, feilen mit ihnen an ihren Leistungen, jubeln und leiden mit ihren Schützlingen - und bleiben doch meist im Hintergrund. leichtathletik.de widmet sich in einer neuen Serie den Trainerinnen und Trainern in der deutschen Leichtathletik. Heute: die Zehnkampf-Nachwuchstrainer Lothar Schmitt und Klaus Flakus.
Pamela Ruprecht

Die vergangenen Jahre suchen, was die Breite des hohen Zehnkampf-Niveaus in Deutschland betrifft, ihresgleichen. Hinter der erfolgreichen Tradition der Disziplin steht auch ein Bundestrainer-Gespann, das bald „Silberhochzeit“ feiert und seit über zwei Jahrzehnten mit Herzblut den Zehnkampf-Nachwuchs in Deutschland betreut. 18 internationale Medaillen gab es bisher in der Amtszeit von Lothar Schmitt und Klaus Flakus - auch wenn diese sich nicht auf das Zählen von Edelmetall beschränken wollen.

„Es kann nicht immer eine Medaille geben“, weiß Schmitt aus der Geschichte des Mehrkampfes. Die drei Zehnkämpfer Arthur Abele (SSV Ulm 1846), Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) und Rico Freimuth (SV Halle) zum Beispiel haben trotz starker Auftritte mit den Plätzen fünf bis sieben das EM-Podium in Zürich (Schweiz) verpasst. Aber: WM-Silber 2013 im russischen Moskau für Michael Schrader (SC Hessen Dreireich) und der Europameistertitel 2012 für Pascal Behrenbruch sind jüngste Indizien dafür, dass der Mehrkampf zu den Stärken in der deutschen Leichtathletik zählt.

Bis zum Top-Athleten ist es ein langer Weg. Beim Blick hinter die Kulissen fällt auf, dass alle aktuellen Spitzen-Zehnkämpfer durch die C-Kader-Schule von Lothar Schmitt und Klaus Flakus gegangen sind. Seit 1991 ist Schmitt Bundesnachwuchstrainer für den Zehnkampf, Nachfolger von Claus Marek. Er verbreitet gemeinsam mit Flakus Enthusiasmus für die Disziplin und sorgt für wertvollen Nachschub für den A/B-Kader. Mit „Spaß an der Sache“ fahren sie eine kontinuierliche Linie.

Die Wende als Anfangspunkt

Da der Zehnkampf hierzulande Tradition hat, gibt es eine breite Basis. „Zehnkämpfer in Deutschland zu werden, ist fast eine Ehre“, sagt Flakus. Es bedeutet aber auch mehr Training als für eine Einzeldisziplin, acht bis zehnmal in der Woche. Die Athleten, mit denen sie einen freundschaftlichen Umgang pflegen, sehen das nicht als Fron, sondern als Herausforderung.

Bis zur Wende war Lothar Schmitt, früher Leitender Landestrainer in Bayern, fünf Jahre Siebenkampf-Bundestrainer. Auch der Deutsche Leichtathletik-Verband war von den politischen Veränderungen betroffen: Man sah vor, die Bundestrainer-Posten zwischen Ost und West zu verteilen. So kam es, dass Schmitt seinen Job an Klaus Baarck aus Neubrandenburg abgab und dafür den Zehnkampf-Nachwuchs übernahm. Der bald 60-Jährige hatte als Heimtrainer von Eric Kaiser ein Jahr zuvor Zehnkampf-Gold bei der U20-WM gefeiert.

Von Anfang an war Klaus Flakus an seiner Seite. Der 65-Jährige, ehemaliger Stützpunkt- und Landestrainer des Württembergischen Verbandes, brachte mit Michael Kohnle 1988 ebenfalls einen U20-Weltmeister hervor, der 1989 auch U20-Europameister (8.114 Punkte mit Männergeräten) wurde und im ersten Aktivenjahr 8.289 Punkte machte. Flakus selbst war Oberliga-Fußballer und ist erst mit 20 Jahren Zehnkämpfer geworden, Bestleistung 7.500 Punkte. Seither kam er davon nicht mehr los. „Das ist manchmal wie eine Sucht. Es gibt sportlich nichts Schöneres“, schwärmt er.

Ferien mit den Zehnkämpfern

Beide Trainer sind hauptberuflich Realschullehrer, Schmitt für Deutsch und Geschichte, Flakus für Sport und Technik. Ihre Schulferien verbringen sie wie folgt: an Ostern Trainingslager, an Pfingsten Qualifikationswettkämpfe und in den Sommerferien internationale und Deutsche Meisterschaften. Die freien Wochen passen perfekt zum Mehrkampf-Terminplan. „Urlaub ist für mich eine schwierige Angelegenheit“, gibt Schmitt zu. Zur Betreuung bei internationalen Meisterschaften teilen sich die Lehrer auf, sonst machen sie alles gemeinsam.

Dass der eine westlich, der andere östlich von Ulm lebt, ist purer Zufall und doch Sinnbild für den guten Draht und die Nähe zu den jungen Talenten. Zwei Ulmer Nachwuchs-Zehnkämpfer haben sich diesen Sommer besonders hervorgetan: Tim Nowak, U20-WM-Bronze in Eugene, und Manuel Eitel, Deutscher U18-Meister. Flakus wohnt nur wenige Kilometer von Eitel entfernt und sprang vor der Jugend-DM in Bernhausen für dessen Trainer Christopher Hallmann ein, der wiederum Flakus bei der U20-WM in den USA vertrat.

Eine konstruktive und respektvolle Zusammenarbeit mit den Heimtrainern „auf Augenhöhe“, denen der größte Erfolgsanteil gebührt, ist dem Kader-Trainergespann wichtig. Sie geben Hilfestellung, wo sie können: das passende Umfeld schaffen, medizinische Versorgung organisieren und Trainingsbedingungen optimieren.

Eitel besser als Knobel und Behrenbruch

Zurück zum Newcomer: Manuel Eitel knackte in Bernhausen mit 7.737 Punkten die Deutsche U18-Bestleistung. „Damit hatte ich schon gerechnet“, erzählt Flakus, der viel auf den 17-Jährigen hält. Der Neu-Ulmer überbot die alte Marke von 8.300-Punkte-Zehnkämpfer Jan Felix Knobel um zwei Zähler. Knobel hatte sich wiederum im internen Duell der Frankfurter 2006 den Rekord von Ex-Europameister Pascal Behrenbruch geholt, auch damals ging es knapp zu. Der Nachwuchs ist in Bewegung.

Dass die Arbeitsweise fruchtet, zeigt die Medaillensammlung: 18 an der Zahl nahmen die jungen Zehnkämpfer seit 1991 bei U20-Welt- und Europameisterschaften mit, eine davon im Achtkampf bei der U18-WM. Der Mehrkampf gehört damit zu den erfolgreichsten Disziplinen des DLV im Nachwuchsbereich. Und wer taucht in den vergangenen Medaillenlisten der internationalen U20-Meisterschaften auf?

Arthur Abele holte 2005 U20-EM-Silber. Zwei Jahre später gab es Gold für Matthias Prey (SC Rönnau 74), Bronze für Rico Freimuth. Bei der U20-WM 2004 gewann Norman Müller (Hallesche Leichtathletik-Freunde) Bronze, vier Jahre nach ihm Knobel Gold. Pascal Behrenbruch errang erst bei den U23-Europameisterschaften 2007 eine Silbermedaille. Die Bilanz der U23-Veranstaltung, siebenmal Edelmetall seit Bestehen 1997, spricht dafür, dass der Übergang zu den Aktiven läuft.

Talente aufspüren

Die vielen Medaillen der Teenager erfüllen die beiden Trainer mit Stolz. Dennoch sind sie nicht das eigentliche Ziel ihrer Arbeit. „Bedeutsamer ist, was hinten rauskommt, was sie bei den Aktiven leisten können“, sagt Schmitt. Sie raten sogar davon ab, den schmalen Grat der Belastbarkeit des Körpers für internationalen Ruhm in jungen Jahren auszureizen. Wichtiger sei es, in dem Alter 80 bis 90 Prozent der technischen Ausbildung abzuschließen. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“, beobachtet Flakus.

Geht es auf Talentschau, heißt die Maxime: „Die Burschen müssen schnellkräftig, groß und leicht sein, und werfen können.“ Ansonsten verabschiedete man sich im Laufe der Zeit von festgefahrenen Vorstellungen. Zehnkämpfer können anders als Spezialisten mit unterschiedlichen körperlichen Profilen erfolgreich sein. „Unser Motto war immer, die Individualität des Athleten nicht aus dem Auge zu verlieren“, erklärt Schmitt. Auch deshalb kommen sie mit ganz verschiedenen und eigenen Typen gut aus.

Diese talentierten Typen zu finden, anzusprechen und auszuwählen ist Aufgabe der Kader-Verantwortlichen. Los geht es bei den 15-Jährigen. „Da sind wir schon am Ball, unterwegs bei Meisterschaften“, sagt Flakus. Sie beobachten Wettkampfverhalten, Bewegungsfähigkeiten, Technikgefühl und Persönlichkeit. Optimal ist eine hohe Leistungsqualität bei wenig Trainingsumfang. Ist das Talent erkannt, wird der Druck nicht erhöht. „Ich drossle dann eher“, gibt Flakus den Athleten Zeit, sich zu entwickeln.

Voraussetzungen für 8.000 Punkte

Der Nachwuchs-Kader ist Zubringer für die A-Nationalmannschaft und gleichzeitig U18/U20-Nationalmannschaft. Dazwischen gibt es Unterschiede: „Nicht jeder gute U18-Athlet wird ein guter Erwachsener“, sieht Schmitt. Wer oben ankommt, kann man nicht immer vorhersagen. „Viele würden gerne, aber der Körper hält es einfach nicht aus“, erklärt Flakus. 

Das Trainerteam steht auf dem Weg zum Top-Mehrkämpfer mit Rat und Tat zur Seite, auch im Umgang mit Niederlagen. Große Herausforderungen sind: die Erreichbarkeit geeigneter Trainer und Trainingsmöglichkeiten, die Vereinbarung von Sport und Schule und die mittlerweile sehr frühe Konfrontation mit dem Studium. Wer nicht glaubt, die Weltspitze zu erreichen, wirft am Übergang zu den Aktiven oftmals das Handtuch.

„Momentan sieht es aber gut aus“, sagt Flakus. Einige haben für 2015 den Sprung in den B-Kader geschafft. Mehreren Nachwuchsathleten traut das Disziplintrainergespann später die 8.000-Punkte-Marke zu. Haben die C-Kader 7.800 bis 7.900 Zähler gesammelt, bringen sie die Voraussetzungen für Leistungen zwischen 8.200 und 8.500 Punkten bei den Aktiven mit.

Feuer fangen

Ein wichtiger Faktor diesen Schritt zu meistern, ist die Motivation, die der einzelne mitbringt. „Viel hängt davon ab, wie stark sie mit Zehnkampf infiziert sind.“ Die Nachwuchsbundestrainer versuchen bei den Jugendlichen Begeisterung zu entfachen, Durchhaltevermögen zu schulen. „Wenn sie Feuer fangen, ist alles möglich“, beschreibt Flakus. Ein bisschen Wehmut, aber auch Stolz klingt heraus, wenn der A/B-Kader die „gemachten“  Athleten übernimmt.

Das Gute: Es kommen immer neue Hoffnungsträger nach. „Ein Ende ist nicht abzusehen. Ich könnte das noch hundert Jahre machen“, blickt Flakus voraus und lacht: Ihr Engagement feiere „2016 Silberhochzeit.“ Er kennt niemanden im DLV, der schon so lange einen Nachwuchs-Kader betreut. Bis auf Frank Busemann wanderten alle Spitzen-Zehnkämpfer der letzten zwei Jahrzehnte durch ihre Lehrgänge. Der Olympia-Zweite von Atlanta (USA) kam aus dem Hürden-Kader per Quereinstieg zu den Allroundern.

Im nächsten Jahr soll es mit den drei Besten zur U20-EM nach Schweden gehen, voraussichtlich wieder mit Medaillenkandidaten. Für die U18-WM soll noch nicht forciert werden. Denn: Entscheidend ist, dass die Talente auf der Reise zum Spitzen-Zehnkämpfer auch ankommen und oben auf Medaillenjagd gehen können. Wer nicht, der lernt bei den Pädagogen was fürs Leben.

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