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Maximilian Thorwirth – Späte Professionalisierung bringt Durchbruch

Bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig haben einige neue Gesichter den Platz ganz oben auf dem Treppchen erobert. Einige nutzten die Abwesenheit von nationalen Leistungsträgern der vergangenen Jahre, um ins Rampenlicht zu treten. Andere ließen etablierte Athleten hinter sich und stehen für einen Generationswechsel. Wir erzählen ihre Geschichten, heute die von Langstreckenläufer Maximilian Thorwirth (SFD 75 Düsseldorf-Süd).
Jan-Henner Reitze

Maximilian Thorwirth
SFD 75 Düsseldorf-Süd

Bestleistungen:

1.500 Meter: 3:41,26 min (2017); Halle: 3:40,09 min (2020)
3.000 Meter: 8:02,28 min (2019); Halle: 7:50,61 min (2020)
5.000 Meter: 13:46,75 min (2019)

Erfolge:

Deutscher Hallenmeister 2020

Das Laufen gehört seit 20 Jahren zum Leben von Maximilian Thorwirth. Mehrfach stellte sich für ihn allerdings schon die Frage, ob er weiter trainiert oder sich mehr auf die berufliche Zukunft konzentriert. Über das Ende seiner Laufbahn dachte er erstmals nach, als er von der Schule abging, ein weiteres Mal Ende 2018, als sich in Nürnberg seine Trainingsgruppe auflöste. Dazwischen war der Fortgang seiner Karriere auch noch davon abhängig, ob die Teilnahme an der U23-EM 2017 gelang.

Jedes Mal entschied sich der Düsseldorfer dafür weiterzumachen, zuletzt setzte er sogar voll auf die Karte Laufen. „Ich habe schon als Kind von einer Karriere als Sportler geträumt und das Gefühl gehabt, es noch nicht richtig versucht zu haben.“ Mit Unterstützung seiner Heimatstadt, seiner Eltern und Impulsen der Wattenscheider Trainingsgruppe von Tono Kirschbaum gelang ihm in der abgelaufenen Hallensaison ein Leistungssprung, der ihn bei der Hallen-DM in Leipzig erstmals an die nationale Spitze führte und in den Kreis der Athleten, die von internationalen Einsätzen träumen können.

Mit seiner Teilnahme an der U23-EM 2017, einem nationalen Titel in der U23 und Top-Acht-Platzierungen bei Deutschen Meisterschaften zählte sich Maximilian Thorwirth vor diesem Winter eher zu den Athleten in der zweiten Reihe. Für diese wünscht er sich mehr Aufmerksamkeit und sieht sich selbst als Beispiel dafür, dass aus ihnen mit etwas Geduld mehr werden kann. 

Sportlich vielseitig interessiert

Der gebürtige Düsseldorfer kommt aus einer sportbegeisterten Familie, sein Vater war selbst Läufer und Basketballer, heute managt er seinen Sohn. „Als ich sechs Jahre alt war, sind meine Familie und ich für viereinhalb Jahre nach Chicago gezogen. Mein Vater hat dort gearbeitet“, erzählt Maximilian Thorwirth. „Dort habe ich viele Sportarten ausprobiert, vom Crosslauf über Fußball, Basketball und Baseball.“

Olympische Spiele oder Wintersport waren immer ein Thema in der Familie. „Als wir dann zurück nach Düsseldorf gekommen sind, habe ich Fußball gespielt. Dann bin ich über einen Freund der Familie im Leichtathletikverein gelandet. Ich konnte immer gut laufen und es stellten sich erste Erfolge ein. Damit hat auch der Spaß weiter zugenommen.“

In seiner Altersklasse platzierte sich der Nachwuchsläufer schon in seinen beiden U16-Jahren in der DLV-Bestenliste. Im ersten U18-Jahr gelang gleich Rang sechs bei den Deutschen Jugendmeisterschafen über 1.500 Meter. Zu seinen Hauptkonkurrenten gehörte schon damals Marius Probst (TV Wattenscheid 01), einer seiner heutigen Trainingspartner. Der schnappte Maximilian Thorwirth häufig einen noch besseren Platz weg. Dennoch reichte es 2014 bei der Jugend-Hallen-DM der U20 mit Bronze zur ersten Medaille auf nationaler Ebene.

Plan bis zur U23-EM

Der erfolgreiche Verlauf des abschließenden Jugendjahres, das neben dem Edelmetall auch noch eine Freiluft-Bestzeit von 3:49,80 Minuten brachte, war Motivation genug, um die Laufkarriere auch nach dem Ende der Schullaufbahn weiterzuverfolgen. „Wir haben einen Drei-Jahres-Plan bis zur U23-EM aufgestellt“, erinnert sich der Athlet an seine langjährige Zusammenarbeit mit Trainer Bernd Zahlten in Düsseldorf, der noch nicht alle Mittel ausgeschöpft hatte, was neues Potential eröffnete. „In der U20 habe ich noch keine 100 Trainingskilometer pro Woche absolviert.“ Parallel stand ein Bachelor-Studium in Sportmanagement an der DSHS Köln an. Dem SFD 75 Düsseldorf-Süd ist der Läufer übrigens seit seiner Jugend treu.

Auch wenn die U23-EM mit dem Aus im Vorlauf nicht wie erträumt verlief, ging im „Ziel-Jahr“ 2017 doch einiges wie geplant auf. Nicht nur die Qualifikation für den persönlichen Saisonhöhepunkt in Bydgoszcz (Polen) gelang dank Bestzeit (3:41,26 min), sondern auch noch der erste DM-Titel in der U23 über 5.000 Meter sowie die Teilnahme an der Cross-EM. Alles wiederum Argumente dafür, die Karriere noch einmal fortzusetzen.

„Da wollte ich etwas Anderes ausprobieren und raus von zu Hause“, berichtet Maximilian Thorwirth. Weil er den Trainingsstandort schon von einem Praktikum kannte und dort nun als Werkstudent arbeiten konnte, entschied sich der Langstreckler für Nürnberg und die Trainingsgruppe von Harald Schmaus. Als die sich schon ein Jahr später auflöste, stellte sich die Zukunftsfrage erneut. Es bestand auch die Option, mehr in den Beruf einzusteigen. Aber der 25-Jährige entschied sich dazu, „voll auf die Karte Sport zu setzen“ – wie er es vorher noch nicht getan hatte.

Spät alles auf den Sport gesetzt

Um sein Training zu professionalisieren, nahm Maximilian Thorwirth einen Schritt zurück in Kauf. Er zog wieder bei seinen Eltern ein, denn trotz geschätzter Unterstützung etwa des Stockheim-Teams der Sportstadt Düsseldorf oder eines Stipendiums für das laufende Master-Fernstudium reicht der Finanzrahmen nicht für eine eigene Wohnung.

Umso wertvoller die neuen sportlichen Impulse, die über seinen „alten Freund aus Jugendtagen“ Marius Probst zustande kamen. Maximilian Thorwirth zog zur Saisonvorbereitung 2019 ins Wattenscheider Haus im Trainingslager in Flagstaff (USA) ein, wo er Trainer Tono Kirschbaum näher kennenlernte. Daraus erwuchs eine bis heute erfolgreiche Kooperation, zu der außerhalb der Trainingslager etwa drei gemeinsame Einheiten pro Woche zählen. Der Athlet schätzt die Klasse und Erfahrung in seinem neuen Umfeld. „Tono hat ein tolles Gespür, was an einem Tag im Training geht. Er lässt einen dann zwei Läufe weniger machen oder zwei Läufe mehr.“

Die Konzentration auf den Sport ermöglichte optimale Regeneration. „Anders als früher, wo ich schon vor der Arbeit um 6 Uhr meinen ersten Dauerlauf machen musste.“ Auch der Trainingsumfang ist etwas größer, was aber auch mit der Umstellung von den 1.500 Metern auf die 5.000 Meter zusammenhing. Methodisch änderte sich am Training dagegen nichts Grundlegendes.

Durchbruch auf ganzer Linie

Die 5.000-Meter-Bestzeit (13:46,75 min) und Rang vier bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin fielen im vergangenen Sommer wohl vor allem Fans der Laufszene auf, waren aber schon ein klares Indiz für den steilen Weg nach oben. Nach einem erfolgreichen Wintertraining war dann vom ersten Wettkampf-Meter der Hallensaison 2020 endgültig ein neues Niveau erreicht.

Schon beim Saisonauftakt in Dortmund Ende Januar blieb die Uhr über 1.500 Meter (3:40,09 min) trotz Umorientierung auf die noch längeren Strecken unter der alten Freiluftbestzeit stehen. Ausgerechnet vor heimischer Kulisse inklusive Familie, Freunden und Wegbegleitern entlang der Banden gelang in 7:50,61 Minuten beim PSD Bank Meeting in Düsseldorf über 3.000 Meter der Vorstoß in Richtung der internationalen Klasse (wir berichteten). Beide Zeiten lagen jeweils nur knapp über der Norm für die später abgesagte Hallen-WM.

Dass Maximilian Thorwirth seinem neuen Leistungsniveau auch mental gewachsen ist, bewies er bei der Hallen-DM in Leipzig, wo er die ungewohnte Favoritenrolle meisterte. In einem hochklassigen und spannenden Rennen hielt sich der Jahresschnellste klug zurück, um seine Stärke in der Schlussphase auszuspielen und in schnellen 7:53,31 Minuten souverän seinen ersten DM-Titel bei den Männern zu erlaufen.

Vermeintlich zweite Reihe nicht vergessen

Wie, wann und ob überhaupt Rennen in diesem Sommer anstehen, weiß auch Maximilian Thorwirth nicht genau. Ein Trainingslager Anfang März in Kenia war schon wieder zu Ende, als es noch gar nicht richtig begonnen hatte. Er wird mit der für alle schwierigen Situation genau in dem Moment konfrontiert, in dem seine Karriere richtig Fahrt aufnimmt. Die Hallensaison hat ihm gezeigt, dass er auf dem richtigen Weg ist, den er weiter verfolgen möchte. Und Tokio bleibt das Ziel, nach 2020 nun eben 2021.

Darin, dass er seinen Olympia-Traum jetzt als Athlet verfolgen kann, der lange nicht zu den Überfliegern gehörte, sieht der Deutsche Hallenmeister eine Botschaft. Auch in seinen Jahren in der erweiterten nationalen Spitze hat er seine Laufleidenschaft mit großem Einsatz und Entbehrungen an anderer Stelle verfolgt, genauso wie viele andere Athleten, die neben ihrem Berufsleben noch täglich auf der Laufbahn stehen, etwa als Trainingspartner der Spitzenathleten oder deren Konkurrenz bei nationalen Wettkämpfen.

„Auch diese Athleten verdienen Wertschätzung“, sagt Maximilian Thorwirth, der weiß, wieviel Arbeit auch hinter einer Top-Acht-Platzierung bei der DM stecken kann. „Ich habe auf den Sport gesetzt und bin überglücklich, dass es funktioniert hat. Aber wenn meine Leistung stagniert hätte, wäre auch das okay gewesen.“

Video: Maximilian Thorwirth setzt die entscheidende Attacke
Video-Interview: Maximilian Thorwirth: War für mich eine neue Situation

Das sagt Bundestrainer André Höhne:

Überrascht hat mich die Entwicklung nicht, weil sie sich in den letzten Monaten abgezeichnet hat. Maximilian hat eine Leistungsentwicklung hingelegt, die für die Allgemeinheit vielleicht nicht so auffällig war. Schon in der Crosssaison ging es bergauf, auch wenn es mit der EM nicht ganz geklappt hatte. Sich bei Tono anzuschließen, war genau die richtige Entscheidung für Professionalität, die belohnt werden wird. Qualität und Umfänge im Training stimmen, Tono arbeitet viel im Grundlagenbereich. Das war bisher die Schwäche von Max.

Er ist als Favorit in die Hallen-DM gegangen. Er ist diesen Anforderungen gerecht geworden und hat Nerven bewahrt, obwohl er erstmals in dieser Rolle war. Er konnte auch seine Stärke im Spurt ausspielen, die er von den 1.500 Metern mitbringt. Mit seiner Unterdistanzleistung und den 3.000-Meter-Zeiten hat er gezeigt, dass er jetzt eine neue Tempohärte hat. Die acht Minuten sind da eine wichtige Richtmarke und Max ist schon an die 7:50 ran gelaufen. Es ist zwar noch nicht absehbar, wann wieder Rennen machbar sind, aber die Leistungsentwicklung in Richtung 13:30 über 5.000 Meter sollte gesetzt sein. Die hinzugewonnene Zeit in Richtung Olympia bietet auch die Möglichkeit, dass es darunter gehen kann.

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