| Interview der Woche

Sebastian Hendel: „Ohne unsere Familie wäre es nicht zu schaffen!“

Beim München-Marathon hat Sebastian Hendel (LG Braunschweig) am 9. Oktober mit 2:10:27 Stunden ein starkes Debüt hingelegt. Im Interview spricht der 26-Jährige über das Rennen, die ungewollten Tipps seiner Frau Kristina, gesundheitliche Rückschläge, die besonderen familiären Herausforderungen und den Trainingsalltag mit Vater und Trainer Udo, der in den Nacht- und Morgenstunden als Bäcker arbeitet.
Martin Neumann

Sebastian Hendel, herzlichen Glückwunsch noch einmal zu Ihrem starken Marathon-Debüt in München mit Niedersachsen-Rekord. Wie geht es Ihnen eine knappe Woche nach Ihrem 2:10:27-Stunden-Lauf?

Sebastian Hendel:
Ganz gut, vielen Dank. Natürlich waren die ersten Tage nach dem Rennen „marathontypisch schmerzhaft“. Aber die positiven Gefühle haben immer überwogen, es gab natürlich jede Menge Glückwünsche. Mittlerweile geht es mir auch schon wieder besser. Am Sonntag bin ich erstmals wieder gelaufen, ganz locker zehn Kilometer. Diese Bewegung ist für mich wichtig.

Hätten Sie im Vorfeld gedacht, dass Ihr erstes Rennen über 42,195 Kilometer so gut gelingen würde?

Sebastian Hendel:
Auf diese Frage antworte ich mit einem ehrlichen „Jein“. Vom läuferischen Vermögen und dem generellen Tempo sollte es mit einer Zeit von 2:11 Stunden klappen. Aber der Marathon ist lang und eine Strecke, die ich zuvor noch nicht gelaufen bin. Jenseits von Kilometer 30 weiß man halt nicht, was passiert. Rückblickend kann man sagen, dass alles aufgegangen ist. Ich bin super zufrieden, und das Resultat bestärkt mich, dass ich für die Zukunft auf einem guten Weg bin.

Mit welchen konkreten Zielen sind Sie in Ihr Debüt gegangen?

Sebastian Hendel:
Ich wollte um 2:11 Stunden laufen, zumal auch die Kadernorm bei dieser Zeit steht. Entsprechend wollte ich die erste Hälfte in 65:30 Minuten laufen. Tatsächlich war es dann zehn Sekunden langsamer. Aber ich konnte einen schönen Negativ-Split laufen, das ist ein gutes Gefühl.

Wie haben Sie das Rennen erlebt? Im Ziel waren Sie sicherlich extrem glücklich, aber gab’s während des Rennens auch schwierige Phasen?

Sebastian Hendel:
Oh ja, die gab’s. Ich hatte einen ordentlichen Hänger im Englischen Garten, etwa zwischen Kilometer 15 und 21. Dort habe ich bestimmt 20 Sekunden verloren. Es war hart, die schnelle Pace zu halten. Dann kommt auch die mentale Komponente dazu. Denn man denkt: „Puh, das ist ja hart. Und das schon vor dem Halbmarathon.“ Da kommt man schon ins Grübeln. Aber ich konnte mich gut fangen, sodass es bis Kilometer 36 sehr gut lief. Dann kam der „Mann mit dem Hammer“, so wurden die letzten sechs Kilometer noch einmal richtig hart.

Ihre Frau Kristina hat schon mehr Marathon-Erfahrung als Sie und hat mit dem deutschen Team bei der EM in München Team-Gold gewonnen. Welche Tipps konnte Sie Ihnen geben?

Sebastian Hendel:
So einige, denn die gibt sie gern und viel (lacht). Aber ich wollte gar nichts davon hören, denn sie nimmt nicht viel Rücksicht auf mich. Sie sagt dann: „Sebastian, ab Kilometer 30 fängt ein Marathon erst an. Da wird‘s hart“. Davon wollte ich natürlich nichts hören, sondern ganz unbelastet in das Rennen gehen. Aber ganz klar: Sie war in den Wochen vor dem Marathon eine Super-Unterstützung für mich. Ab und an trainieren wir auch zusammen, wenn bei mir ein langsamer Dauerlauf ansteht und bei ihr schnelle Kilometer.

Apropos Familie: Sie sind Eltern eines sechsjährigen Sohns. Ist es schwierig, Familie und den zeit- und reiseintensiven Leistungssport zu vereinbaren?

Sebastian Hendel:
Es bringt eine Menge Herausforderungen mit sich. Momentan ist Jonathan noch im Kindergarten, ab dem nächsten Sommer wird es dann schwieriger, wenn er in die Schule kommt. Wir profitieren ungemein davon, dass meine Eltern und Großeltern und auch meine Schwester ganz in der Nähe wohnen. Uns alle trennen hier in Reichenbach vielleicht zwei Kilometer Luftlinie. Ohne sie wäre es nicht zu schaffen!

Trainiert werden Sie von Ihrem Vater Udo im heimischen Voigtland. Er steht nachts und vormittags in der Backstube. Wie kann man sich einen normalen Trainingstag bei der Familie Hendel vorstellen?

Sebastian Hendel:
Für ihn ist es wirklich hart, ich ziehe den Hut vor ihm und seiner Leistung. Auch vom Engagement meiner Mutter, die alles mitorganisiert. Mein Vater steht gegen 1 Uhr nachts auf und kommt gegen 11 oder 12 Uhr von der Arbeit. Danach schläft er zwei, drei Stunden, um anschließend im Training Tom Förster und mich zu betreuen. Spätestens um 21 Uhr geht er dann wieder schlafen.

Wie Ihre Frau starten Sie für die LG Braunschweig. Wie kam der Kontakt aus Ihrer Heimat Sachsen nach Niedersachsen zustande?

Sebastian Hendel:
Über einen Freund von mir, Joseph Katib. Ich treffe ihn regelmäßig bei Straßenläufen, und er startet ja schon seit Jahren für die LG Braunschweig. Nach guten Gesprächen habe ich mich Ende 2019 für einen Wechsel entschieden.

Zurück zum München-Marathon: In diesem Frühjahr haben Sie keine Rennen bestritten. Wurden Sie gesundheitlich ausgebremst oder war es ein geplanter langfristiger Aufbau Richtung Herbst-Marathon?

Sebastian Hendel:
Leider lief es gesundheitlich gar nicht rund. Anfang des Jahres habe ich mir Corona kurz nach der dritten Impfung eingefangen. Der akute Verlauf war dabei gar nicht so schlimm. Aber es folgten Post-Covid-Symptome. Ich hatte schon bei einem lockeren Dauerlauf einen Puls von 170. So hat es eine lange Zeit gedauert, um wieder strukturiert zu trainieren.

Welche Gründe gaben den Ausschlag für den Start in München. Sie hätten ja auch in Berlin oder Frankfurt in stärkeren Feldern antreten können?

Sebastian Hendel:
Erneut die Gesundheit. Ich wollte ursprünglich in Berlin laufen, allerdings hatten unser Sohn und ich im August eine Sommergrippe. Die hat sich 16 Tage hingezogen, sodass ich Kristinas EM-Marathon nur am Fernseher verfolgen konnte. Entsprechend mussten wir einen anderen Marathon suchen, München hat da zeitlich perfekt gepasst.

Sie sind mit 26 Jahren in einem jungen Marathon-Alter, bringen aber viel Erfahrung von der Bahn und eine starke Halbmarathonzeit von 62:25 Minuten mit. Welche Ziele haben Sie sich für die kommenden Jahre gesteckt und welche Strecken werden Sie primär laufen?

Sebastian Hendel:
Nach dem guten Debüt will ich beim Marathon bleiben. Natürlich werde ich auch noch Unterdistanzen wie die 10.000 Meter auf der Bahn laufen. Der Fokus liegt aber auf dem Marathon. Ich bin jetzt mit 195 Wochenkilometern in der Spitze 2:10:27 Stunden gelaufen. Ich glaube, dass ich mich nach den nächsten Marathon-Vorbereitungen mit mehr Umfang Richtung 2:08 Stunden entwickeln kann. Gelingt das, haben Kristina und ich gute Chancen, zusammen bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris zu starten.

Mehr:
​​​​​​​Beachtliches Marathon-Debüt von Sebastian Hendel

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