Auf Hamburgs Jahnkampfbahn finden am kommenden Wochenende die Deutschen Meisterschaften auf der Langstrecke sowie in den Staffel-Wettbewerben über 4x400, 3x800, 3x1.000 Meter statt. In den Feldern tummeln sich Deutschlands erfolgreichste Läufer:innen der Straßenlauf-EM sowie drei Olympia-Teilnehmer:innen, die sich in der Staffel in den Dienst ihrer Vereine stellen.
Die ersten Deutschen Meisterschaften der Leichtathletik-Geschichte fanden 1898 in Hamburg statt. Seit 1986 bringt der Hamburg Marathon die Laufmassen auf Hamburgs Straßen. Das "Fest der 1.000 Zwerge" bietet jährlich dem Leichtathletik-Nachwuchs die große Bühne. 2016 richtete Hamburg die 10-Kilometer-DM aus, 2017 die Hallen-DM im Mehrkampf, 2022 die Team-DM der Jugend. Die Aktiven waren jedoch lange nicht in den Stadien der Hansestadt zu Gast – bis jetzt: Am kommenden Wochenende (3./4. Mai) ist Hamburg Gastgeber der Deutschen Meisterschaften auf der Langstrecke und in den Langstaffel-Wettbewerben.
Am Samstag stehen auf der Jahnkampfbahn im Stadtpark zunächst die Entscheidungen über 5.000 Meter der Masters und U20 sowie über 10.000 Meter der Aktiven und U23 auf dem Programm. Im Fokus: drei Läuferinnen und ein Läufer, die zuletzt mit starken Leistungen bei der Straßenlauf-EM in Belgien überzeugt haben. Das Frauen-Feld führt die EM-Zweite über 10 Kilometer Eva Dieterich (LAV Stadtwerke Tübingen) vor Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald) und Lisa Merkel (LAV Stadtwerke Tübingen) an, gemeinsam hatten sie bei der EM Team-Silber geholt. Favorit im Männer-Rennen ist der EM-Sechste über 10 Kilometer und zweimalige Deutsche Meister Nils Voigt (TV Wattenscheid 01).
Von der Straße auf die Bahn
"Man kann davon ausgehen, dass alle Vier auch in Hamburg vorne mitlaufen werden", blickt Bundestrainerin Isabelle Baumann voraus, die die Tübinger Läuferinnen auch als Heimtrainerin betreut und zudem die Trainingspläne von Nils Voigt schreibt. Etwas enttäuscht ist sie über die Teilnehmerfelder: "Mit der Marathon-DM, der Halbmarathon-DM und der Langstrecken-DM haben wir innerhalb von vier Wochen eine Ballung im Terminkalender, daher sind die Felder in der Spitze relativ dünn", stellt sie fest. Mit Titelverteidiger Filimon Abraham, Domenika Mayer oder Miriam Dattke (alle LG Telis Finanz Regensburg) sowie Deborah und Rabea Schöneborn (SCC Berlin) haben sich mehrere Läufer:innen, die in den Vorjahren um die Bahn-Medaillen gelaufen sind, zuletzt auf die Straßenrennen konzentriert.
Spannenden und in der Spitze hochklassigen Entscheidungen sollte dies jedoch keinen Abbruch tun. "Nils Voigt fährt nach Hamburg, um sich den Titel zu holen, aber auch Tom Förster hat schon mit einem guten Endspurt überzeugt", sagt Isabelle Baumann mit Blick auf den Deutschen U23-Meister des Vorjahres von der LG Braunschweig. Bei den Frauen hat sich Eva Dieterich spätestens nach ihrer 10-Kilometer-Bestzeit von 31:25 Minuten in die Favoritenrolle katapultiert, "aber auch Elena Burkard ist eine Antwärterin auf den Titel", stellt die Bundestrainerin fest. Für Burkard ist es das erste 10.000-Meter-Bahnrennen, auf der Straße ist sie in Belgien auch schon unter 32 Minuten gelaufen.
Europacup-Tickets locken
In den 10.000-Meter-Entscheidungen der Aktiven und der U23 locken neben den DM-Medaillen die deutschen Startplätze beim 10.000-Meter-Europacup in Pacé (Frankreich; 24. Mai): Nominiert werden bis zu fünf Männer und fünf Frauen, die Top Drei von Hamburg mit erfüllter Norm haben ihr Ticket nach Pacé sicher. Gefordert sind 33:00,00 Minuten (Frauen) beziehungsweise 28:20,00 Minuten (Männer) – Zeiten, die alle Genannten in ihrer Karriere schon teils deutlich unterboten haben.
Die Europacup-Richtwerte für U23-Athlet:innen (34:35,00 min | 29:30,00 min) liegen etwas darüber und sind das Ziel weiterer deutscher Hoffnungsträger:innen. So fordern Carolina Schäfer (TG Schwalbach) und Kira Weis (KSG Gerlingen) mit Bestzeiten knapp über der 33-Minuten-Marke die Straßen-EM-Teilnehmerin Lisa Merkel im Kampf um den U23-Titel heraus. Luca Madeo (LG Filder), jüngst in Abwesenheit der DLV-Top-Läufer zum Deutschen Meister im Halbmarathon gekrönt, dürfte mit seiner fünf Wochen alten Bestzeit von 29:01,53 Minuten um einen weiteren DM-Sieg laufen, muss sich dabei aber gegen den U20-Europameister im Berglauf Lukas Ehrle (LG Brandenkopf) behaupten .Auch der U23-Vizemeister des Vorjahres Robin Müller (LC Top Team Thüringen) ist zu beachten.
Julia Ehrle hat vorgelegt
Über 5.000 Meter der U20-Altersklasse erwartet Nachwuchs-Bundestrainerin Julia Grommisch in der weiblichen Jugend ein Duell zwischen Julia Ehrle (LG farbtex Nordschwarzwald) und Emily Junginger (VfL Sindelfingen). Während die 17-jährige Ehrle in ihrem ersten Bahnrennen über diese Distanz Mitte April mit 16:32,60 Minuten vorgelegt hat, bringt die 18-jährige Junginger einen Hausrekord von 16:25,28 Minuten mit, der ihr im Vorjahr DM-Bronze beschert hatte. Silber gewann damals Franziska Drexler (LG Telis Finanz Regensburg; PB 16:25,35 min). Über ihrer Form steht jedoch aufgrund einer Verletzung und viel alternativem Training noch ein Fragezeichen. Herausfordern könnte das Trio Triathletin Carlotta Bülck (LG Erlangen), die Julia Grommisch nach starken Auftritten über 5 Kilometer auf der Straße als "Geheimtipp" auf der Rechnung hat.
Offener gestaltet sich vermutlich das Rennen der männlichen Jugend, in dem mit Tristan Kaufhold (SSC Hanau-Rodenbach) der zuletzt dominierende deutsche U20-Langstreckler fehlt. So bietet sich weiteren Talenten wie Elias Kolar (LG Telis Finanz Regensburg) oder U18-Läufer Maximilian Rath (LG Stadtwerke München) die Chance auf den Titel. "Bei den Jungs wird's wohl enger als bei den Mädels", sagt Julia Grommisch, "für einige ist es der erste Wettkampf der Saison, da geht es auch darum, wer wie gut durch die Vorbereitung gekommen ist. Um 15:00 Minuten können viele laufen."
Alica Schmidt zurück auf den 400 Metern
Der Sonntag steht auf der Jahnkampfbahn ganz im Zeichen der Mannschaft – konkret der Vereinsstaffeln von der U20 bis zu den Masters. Auf dem Programm: 4x400 (M/F/X), 3x800 (F) und 3x1.000 Meter (M). Ein Gastspiel zurück auf den 400 Metern könnte es für Olympia-Teilnehmerin Alica Schmidt geben, die in der Hallensaison den Wechsel auf die 800 Meter vollzogen hat. Sie ist für die Staffel des SCC Berlin gemeldet, die im Frauenrennen gemeinsam mit dem TSV Bayer 04 Leverkusen um den Titel rennen dürfte.
In Abwesenheit vieler starker deutscher Langsprinter:innen, die sich zurzeit in Malaysia auf die World Relays vorbereiten, sind offene und spannende Rennen zu erwarten. Im Männer-Aufgebot von Medaillenkandidat Eintracht Frankfurt verbirgt sich mit Amadeus Gräber auch der U20-Europameister im Zehnkampf. Der VfL Wolfsburg kann in diesem Jahr unter anderem mit Neuzugang Jean Paul Bredau sowie Luna Bulmahn, beide Olympiateilnehmer von Paris, ein aussichtsreiches Aufgebot über 4x400 Meter Mixed an den Start bringen.
Als Titelverteidiger und Favorit über 3x1.000 Meter geht der LSC Höchstadt/Aisch um Hallen-EM-Finalist Florian Bremm ins Rennen – die Trainingsgruppe von Melanie Jäger kann sogar zwei Männer-Staffeln mit Medaillenpotenzial an den Start schicken. Neue Titelträgerinnen wird es im Frauen-Wettbewerb über 3x800 Meter geben, denn die Vorjahressiegerinnen der LG Stadtwerke München haben nicht gemeldet. Aussichtsreich startet Cologne Athletics mit der Deutschen 1.500-Meter-Meisterin Vera Coutellier, zu beachten ist auch die junge Staffel des VfL Löningen mit der Deutschen Jugend-Hallenmeisterin über 1.500 Meter Lera Miller.
Der DLV zeigt die Langstrecken- und Langstaffel-DM am 3./4. Mai in Hamburg in Livestreams, die sowohl hier auf leichtathletik.de als auch hier auf YouTube abrufbar sind. Los geht's am Samstag um 15:25 und am Sonntag um 09:55 Uhr. Die Streams werden kommentiert von Linn Kleine.
Edit: In einer ersten Version der Meldung fehlten die Informationen zur 4x400 Meter Mixed-Staffel, diese wurden ergänzt.