Wolkig, nass, kühl, windig und gelegentlich Sonnenschein: Der zweite Tag bei den Deutschen Meisterschaften der Masters in Gotha brachte sehr wechselhaftes Wetter. Für aufhellende Momente sorgten die Athletinnen und Athleten im Volkspark-Stadion. Triumphierende Lokalmatadore, packende Wettkämpfe und neue deutsche Bestleistungen – es war am Samstag alles dabei, sogar ein Weltrekord.
International wie national ist sie eine feste Größe: Tatjana Schilling (TV 1850/09 Korbach). Seit diesem Jahr startet die gebürtige Nordhessin in der W55. In Gotha hat die 54-Jährige ihre Medaillensammlung erweitert, sie holte am Samstag die Titel 79 und 80. Den ersten über 100 Meter in 13,31 Sekunden. Anschließend folgte ein kräftiger Jubelschrei in den Gothaer Mittagshimmel. Von ihrer Leistung zeigte sie sich mehr als überrascht. „Wo habe ich diese Zeit hergeholt?“, frage sie sich. „Dadurch, dass ich dauernd verletzt war, konnte ich so richtig schnelle Sachen gar nicht machen. Außerdem wusste ich durch die Erkältung gar nicht, wo ich überhaupt stehe. Umso mehr habe ich mich über die Zeit gefreut.“
Das i-Tüpfelchen ließ sie am späten Nachmittag über 400 Meter folgen. Sie bezeichnete ihre Leistung sogar als die wertvollste. „Das war die Wichtigste am ganzen Wochenende. Ich wusste, ich laufe nur gegen mich, um den deutschen Rekord zu knacken. Die 400 Meter waren bei mir vom ersten Schritt an all-in. Entweder nach 300 Meter von der Bahn kippen oder neuen Rekord laufen. Letzteres ist mir gelungen – das macht mich total glücklich und stolz“, freute sie sich über die neue Rekordmarke. Eine der ersten Gratulantinnen: die vorherige Rekordhalterin Barbara Gähling (LT DSHS Köln). „Sie ist eine absolute Ausnahmeathletin und ein großes Vorbild für mich. Ich schaue ihr so gern zu. Und sie hat jetzt auch in der W60 wieder vorgelegt“, fand Tatjana Schilling anerkennende Worte. Die neue deutsche W55-Bestleistung über 400 Meter der Korbacherin steht jetzt bei 61,52 Sekunden.
Barbara Gähling zieht mit neuer Bestmarke nach
Nach ihrem Rennen schaute sie natürlich ganz genau hin, was Barbara Gähling über 400 Meter in der W60 auf die Bahn brachte. Es war erneut eine deutsche Bestleistung, sie verbesserte ihre eigene Rekordmarke auf 65,12 Sekunden. Und Tatjana Schilling war ebenfalls eine der ersten Gratulantinnen: „Ich schätze sie wirklich sehr, und das was sie hier leistet.“ Für die zweite Ausnahmeathletin liegt der Fokus an diesem Wochenende auf den Laufdisziplinen. Am Sonntag folgen noch die 200 Meter. „Der Rest ist Beigabe“, sagte Barbara Gähling, die damit die technischen Disziplinen meint und bereits am Vortag mit einem Weltrekord über 300 Meter Hürden für mächtig Furore gesorgt hatte. Nach ihren zwei Titelgewinnen am Freitag über 300 Meter Hürden und Hochsprung folgte nun über 400 Meter die dritte Goldmedaille.
Nicht nur für eine weitere neue deutsche Bestleistung, sondern sogar für einen M65-Weltrekord sorgte Wolfgang Knabe (OSC Damme). Er verbesserte die fast 30 Jahre alte globale Bestmarke im Dreisprung gleich um 22 Zentimeter auf 12,16 Meter. Diese Tagesbestweite gelang ihm in der zweiten Runde, womit er sich zugleich den deutschen Meistertitel holte. Nach dieser Spitzenweite verzichtete er auf weitere Versuche. Martin Triebstein (TV Hersfeld) erzielte in der M55 im Dreisprung mit 12,22 Metern ebenfalls ein Spitzenresultat.
Andy Dittmar fehlen sechs Zentimeter zum Weltrekord
Im Kugelstoßen der M50 verfehlte Lokalmatador Andy Dittmar (BiG Gotha) mit 18,57 Metern seinen geteilten Weltrekord nur hauchdünn um sechs Zentimeter. Die Rekordmarke von 18,63 Metern hatte er erst im Vorjahr in Ohrdruf gestoßen. Trotz verpasstem Weltrekord keine Spur von Enttäuschung bei Deutschlands "Masters-Leichtathlet des Jahres" 2024: „Die Weite war sehr, sehr schön. Für mich völlig in Ordnung. Natürlich liebäugelst du mit den sieben Zentimetern mehr, aber für mich war es ein Genuss. Das war wie Schlossmeeting light mit unseren Leuten hier, mit der Stimmung und der Heimatanlage. Das ist genau das Thema, wo du sagt, deshalb mache ich das. Das ist geil.“
Trainingspartnerin Carmen Hildebrandt (Eisenacher LV) hatte bereits am Vormittag mit ihrer Titelverteidigung in der W55 und 11,68 Metern vorgelegt. Persönliche Bestleistung stieß Enrico Pyritz (SC Neubrandenburg) in der M60, in der sechsten und letzten Runde wuchtete er die 5-Kilo-Kugel auf 16,00 Meter.
Matti Herrmann zweimal vorn
Im Hochsprung der M35 meisterte Sascha Greshake (Ravensberger Sportverein Borgholzhausen) 1,90 Meter. Seinen persönlichen Hausrekord steigerte Matti Herrmann (SG Vorwärts Frankenberg) im Hochsprung der M40 auf 1,81 Meter. Zuvor hatte er sich bereits den Titel im Dreisprung mit 12,69 Metern geholt. Die Heim-DM beflügelte auch Michael Stephan (Erfurter LAC), der im Hochsprung der M45 eine neue Saisonbestleistung von 1,72 Metern meisterte.
Seine persönliche Bestleistung im Hochsprung der M50 stellte Jan Kawelke (LAC Mühl Rosin) mit 1,63 Metern ein. Richtig spannend verlief der Stabhochsprung der M50, den Timm Funke (LC Paderborn) mit eingestelltem Hausrekord von 3,70 Metern für sich entschied. 4,83 Meter standen für Caroline Loewenthal (LG Nord Berlin) als neue Bestmarke im Weitsprung der W50 im Protokoll, den Hochsprung dominierte sie mit 1,55 Metern. Ob Hochsprung, Stabhochsprung, Drei- und Weitsprung: An Petra Herrmann (SG Vorwärts Frankenberg) ging in den letzten zwei Tagen in der W65 kein Weg vorbei. Sie setzte sich jeweils mit 1,29, 2,50 sowie 9,42 und 4,41 Metern durch.
Anja Schüppel wirft deutlich über 45 Meter
Eine Heim-DM beflügelt: Genau jenes Gefühl trug Anja Schüppel (ASV Erfurt) im Hammerwurf der W35 durch den Wettkampf. Sie kam im fünften Versuch auf 46,62 Meter und holte sich den Meistertitel. „Ich bin mehr als zufrieden. Die Saison verlief sehr sehr schleppend. Im Winter war ich zwei, drei Monate krank und bin erst kurz vor den Deutschen Winterwurf-Meisterschaften wieder ins Training eingestiegen“, zeigte sie sich zufrieden mit dem Wettkampf. Umso wertvoller schätzte sie nun ihre DM-Leistung ein: „Mit der Weite nur einen halben Meter unter meiner Senioren-Bestleistung bin ich vollkommen zufrieden. Ich habe nicht annähernd damit gerechnet 45+ zu werfen. Auch weil das Training unter der Woche eher durchwachsen lief.“
Nach ihren Erfolgen am Vortag im Kugelstoßen und Hammerwurf folgten nun zwei weitere Titel für Ingrid Holzknecht (LG Elmshorn) in der W85. Ihr Speer segelte auf 17,19 Meter, im Diskus standen 17,47 Meter im Protokoll. Dieser Vierfacherfolg gelang zudem M90-Starter Lothar Huchthausen (SV Rot-Weiß 1868 Arneburg), der mit dem Diskus (21,30 m) und Speer (26,18 m) nachlegte. Lotte Leiß (TV Borghorst) mit 93 Jahren die älteste Teilnehmerin triumphierte nach Gold im Hammerwurf am Vortag (16,83 m) am Samstag mit dem Speer (10,26 m).
Starke Zeiten auf den Sprintstrecken
Nicht nur in den technischen Disziplinen wurden Spitzenleistungen erzielt, im Laufbereich standen insbesondere die 100 und 400 Meter im Fokus. In der M35 gab es einen Doppelerfolg durch Florian Daum (Eintracht Frankfurt), der sich in 11,37 und 52,65 Sekunden durchsetzte. In der W35 steigerte Carolin Strophff (TG Holzwickede) ihre Bestzeit auf 12,79 Sekunden über 100 Meter. Zu einer neuen Bestzeit über 100 Meter lief Andreas Schofer (TG Traisa) in der M50, er siegte in 12,09 Sekunden. Souverän zum deutschen 100-Meter-Meistertitel in der M60 stürmte Roland Gröger (TopFit Berlin) in 12,20 Sekunden. Der zweite Titel folgte über 400 Meter in 56,93 Sekunden.
Enges Rennen um den Sprinttitel in der M70: Rudolf König (Saalfelder LV) war in 13,22 Sekunden der Schnellste über 100 Meter. Gefolgt von Reinhard Michelchen (VfL Sindelfingen; 13,30 sec), der über 400 Meter in 65,57 Sekunden triumphierte. In der W70 gewann Helga Rett (Gazelle Pforzheim/Königsbach) über 400 Meter mit einer starken neuen Saisonbestzeit von 77,51 Sekunden. In der W75 gingen beide Titel an Hillen von Maltzahn (TSV Burgdorf), die ihre Bestzeit über 100 Meter auf 16,83 Sekunden verbesserte. Die 400 Meter gewann sie in 87,92 Sekunden. Friedhelm Adorf (LG Rhein-Wied) gelang in der M80 ebenfalls der doppelte Erfolg über 100 Meter (14,64 sec) und 400 Meter (82,72 sec).