| DM U16/U23 Ulm

Samstag: U23 | 65-Meter-Duell, Freudentränen und ein Sturmlauf über die Stadionrunde

Porträt von 400-Meter-Sprinter Max Husemann mit Stirnband und Fingerzeig © Theo Kiefner
Der Wettkampf-Tag der U23 war am Samstag bei den Deutschen Meisterschaften im Ulmer Donaustadion voll von emotionalen Höhepunkten. Besonders groß war die Freude bei Dreispringerin Ruth Hildebrand, die nach Verletzungen und Trainerwechseln mit 13,75 Metern in neue Dimensionen sprang. Über 400 Meter begeisterte Max Husemann mit einem Solo in 45,50 Sekunden, die U23-Diskuswerfer mit Mika Sosna an der Spitze lieferten eine Kampfansage für die U23-EM.
Silke Bernhart
Weibliche U23

Das Strahlen von Dreispringerin Ruth Hildebrand (SCL Heel Baden-Baden) ist zurück! Ein Jahr nach einer Knieverletzung und einer muskulären Verletzung in der Hallensaison hat es die 20-Jährige bei den Deutschen U16- und U23-Meisterschaften in Ulm geschafft, ihr großes Potenzial in die Grube zu bringen: Nach 13,75 Metern im fünften Versuch, 35 Zentimeter weiter als je zuvor, war der Jubel am Samstag groß.

„Das war das erste Mal, dass ich gemerkt habe, dass ein Sprung wirklich weit war. Von mir ist so eine Last abgefallen! Keiner kann verstehen, was bei mir in den letzten anderthalb Jahren sportlich los war. Ich habe innerhalb von einem Jahr zweimal den Trainer gewechselt, bin jetzt bei Charles Friedek in Leverkusen. Ich bin so dankbar, ich fühle mich dort so angekommen!“

In einem Wettkampf, in dem die Top Fünf persönliche Bestleistungen sprangen, stiegen auch die weiteren Medaillengewinnerinnen Anna Gräfin Keyserlingk (LG Göttingen; 13,33 m) und Alyssa Tagbo (SC Krefeld 1905; 13,09 m) glücklich und zufrieden aus der Grube. Das i-Tüpfelchen für Anna Gräfin Keyserlingk war jedoch leider vom Winde verweht: Die Last-Minute-Norm für die U23-EM in Bergen (Norwegen; 17. bis 20. Juli) machten 2,4 Meter pro Sekunde Rückenwind zunichte.

Aileen Kuhn: Als Nummer eins nach Bergen

Im Hammerwurf feierte Team-EM-Teilnehmerin Aileen Kuhn (Eintracht Frankfurt; 71,60 m) einen klaren Favoritensieg – und die Würfe neun und zehn des Jahres über 70 Meter. Zur Bestleistung fehlten nur 88 Zentimeter. Als Europas Nummer eins der U23 kann die 21-Jährige selbstbewusst zur U23-EM reisen. Mit Platz fünf musste sich dieses Mal die weitere U23-EM-Kandidatin Jada Julien (LV 90 Erzgebirge; 62,13 m) begnügen, die in diesem Jahr schon 67,92 Meter geworfen hat. Silber und Bronze gingen an U20-Athletin Johanna Marrwitz (LG Stadtwerke München; 64,87 m) und Lara Hundertmark (Einbecker SV; 64,46 m).

Nach einer langen US-College-Saison, die für sie schon Mitte März begonnen hatte, konnte die Jahresbeste im Diskuswurf Milina Wepiwe (TSG Wehrheim; 59,95 m) diesmal nicht in den Medaillenkampf eingreifen – mit 48,36 Metern war schon nach drei Versuchen Schluss.

Diese Chance nutzte die Nummer zwei der Meldeliste Katja Seng (Eintracht Frankfurt; 52,74 m) für ihren ersten U23-Titel, nachdem sie zuletzt 2022 bei der U20-DM ganz oben auf dem Treppchen gestanden hatte. Sowohl Wepiwe als auch Seng hatten die U23-EM-Norm im Vorfeld deutlich überboten. Als Silbermedaillen-Gewinnerin von Ulm und drittbeste DLV-Werferin des Jahres kann sich auch Lea Bork (LV 90 Erzgebirge; 51,92 m) Hoffnungen auf einen Start in Bergen machen. Bronze ging an die Favoritin im Kugelstoßen Nina Ndubuisi (SG Schorndorf 1846; 51,63 m).

Jolina Ernst kann aufatmen

Eine Weile musste die Jahresbeste Jolina Ernst (TV Wattenscheid 01; 11,39 sec) nach einem engen 100-Meter-Finale zittern, bis sie auch als Deutsche U23-Meisterin feststand. Nachdem sie zuletzt Teil des deutschen Aufgebots bei der Team-EM gewesen war, wartet jetzt in Bergen der nächste internationale Start. „Es war wichtig für mich, dass ich hier gewinne, ich habe nicht unbedingt damit gerechnet, zumal ich im Winter noch ein bisschen verletzt war und auch nicht so gut in die Saison eingestiegen bin“, berichtete sie. „In Madrid war es mega cool, aber das hier war das, worauf ich mich sportlich fokussiert habe. Jetzt kann ich erstmal aufatmen.“

Für die weiteren U23-EM-Startplätze empfahlen sich hinter ihr Sina Kammerschmitt (MTG Mannheim; 11,43 sec) und Viola John (LG Brillux Münster; 11,46 sec), noch schneller war die Siegerin des B-Finals Chelsea Kadiri (SC Magdeburg; 11,39 sec).

Chiara Sistermann bestätigt Norm

Erst der dritte Versuch über die Einstiegshöhe saß. Aber dann brauchte Chiara Sistermann (TSV Gräfelfing) im Stabhochsprung nur einen weiteren Versuch, und nach zwei Goldmedaillen in der U20 war der erste U23-Titel perfekt: Über 4,00 Meter steigerte sie sich auf 4,10 Meter und überwand dann, als einzige Athletin im Wettbewerb verblieben, auch noch ein weiteres Mal die U23-EM-Norm von 4,25 Metern. Ihre stärksten Konkurrentinnen waren am Samstag zwei Athletinnen, die noch im ersten Jahr der U20 angehören: Paula Legner (LAZ Zweibrücken) und Lotte Gretzler (USC Mainz; beide 4,05 m).

Über 400 Meter stürmte Lena Leege (SSC Berlin; 55,24 sec) dem Feld zunächst auf und davon. Mit fast zehn Metern Vorsprung bog sie auf die Zielgerade ein. Doch als einzige Athletin hatte sie nicht nur den Vorlauf über 400 Meter, sondern auch den über 400 Meter Hürden in den Knochen. Und das machte sich am Ende bemerkbar: Mit der neuen Deutschen U23-Meisterin Katharina Rupp (LG Donau-Ries; 54,27 sec), Luisa Herrfurth (SG Walldorf Astoria 1902; 54,70 sec) und Maja Schorr (SV GO! Saar 05; 55,13 sec) zogen noch drei Athletinnen an ihr vorbei.

Johanna Göring tastet sich zurück

Im Hochsprung meldete sich Johanna Göring (LAZ Salamander Kornwestheim) nach einer dreiwöchigen Pause aufgrund von Fußbeschwerden zurück. Nachdem sie in diesem Jahr bisher 1,84 Meter überwunden hat, ging es am Samstag über 1,78 Meter – das reichte für den Sieg und einen positiven Ausblick: „Es war ein guter Start, um wieder in das Springen reinzukommen. Körperlich bin ich sehr fit und sehr bereit!“ Seit März trainiert sie bei Sebastian Kneifel in München. „Das ist für mich eine tolle Möglichkeit! Und ich bin zuversichtlich, dass wir zusammen viel erreichen können.“

Auch Silber wurde für einen Sprung über 1,78 Meter vergeben, und zwar an die weitere U23-EM-Kandidatin Anna-Sophie Schmitt aus Leverkusen. Joana Herrmann (SV Teuto Riesenbeck; 1,75 m), mit neuer Bestleistung von 1,88 Metern angereist, fand sich auf dem Bronzerang ein. Als Deutschlands Jahresbeste in der U23 kann auch die 19 Jahre junge Athletin auf eine Nominierung für Bergen hoffen.

In Abwesenheit der zwei schnellsten deutschen U23-Athletinnen Adia Budde – die über 1.500 Meter im Finale steht – und Jolanda Kallabis gestaltete sich die Entscheidung über 3.000 Meter Hindernis lange offen. Tempo machte ein Trio mit Hanna Ackermann (LG Telis Finanz Regensburg; 10:04,32 min) und Carolin Hinrichs (VfL Löningen; 10:14,29 min), die die U23-EM-Norm im Vorfeld ebenfalls schon unterboten hatten, sowie Constanze Paoli (SSC Hanau-Rodenbach; 10:18,40 min). Mit mehr als 30 Sekunden Vorsprung auf den Rest des Feldes standen sie bald als Medaillengewinnerinnen fest, im Kampf um Gold hatte Hanna Ackermann die besten Beine und konnte sich schließlich noch deutlich absetzen.
 

Männliche U23

Die hochklassigste Leistung des Tages ging am Samstag auf das Konto der U23-Diskuswerfer. Und hochspannend war die Entscheidung noch dazu! Denn Favorit Mika Sosna (TSG Bergedorf), zuletzt mit Bronze bei der Team-EM dekoriert, lag vor dem letzten Versuch nur auf Platz drei. Dann aber brachte er noch einen starken Wurf auf 65,41 Meter ins Feld. Der bis dahin führende Steven Richter (LV 90 Erzgebirge) nahm die Herausforderung an und steigerte sich von 64,96 auf 65,24 Meter – für Gold fehlten wenige Zentimeter. Bronze ging mit einer weiteren Top-Weite von 62,89 Metern an den einstigen U20-Weltmeister Marius Karges (Eintracht Frankfurt). Auf den Rängen eins, zwei und vier in Europas U23 tritt das DLV-Trio jetzt die Reise nach Bergen an.

„Ich habe heute überhaupt nicht in den Wettkampf gefunden“, musste Mika Sosna feststellen, „das liegt vielleicht an der Anreise, wir haben gestern fast zehn Stunden gebraucht. Vor dem sechsten Versuch habe ich mich auf die technischen Sachen konzentriert und noch mal einen vernünftigen Wurf hingekriegt.“ Er sei zufrieden, „dass die Würfe alle auf einem stabil hohen Niveau sind, der Ausrutscher nach oben hat gefehlt. Da ist auf alle Fälle noch was im Tank, und das dann hoffentlich zur richtigen Zeit“, befand Steven Richter, der mit Vorfreude auf die U23-EM blickt: „Es wäre schon cool, wenn wir zum Abschluss unserer Jugend bei einer Meisterschaft, bei der wir zum ersten Mal alle Drei dabei sind, auch die ersten drei Plätze belegen könnten!“

Max Husemann wie entfesselt

Der Sieger über 400 Meter konnte kaum fassen, was er gerade vollbracht hatte: „Ich bin sprachlos“, gestand Max Husemann (Eintracht Hildesheim). Nicht verwunderlich, hatte er doch gerade mit einem Start-Ziel-Sieg und riesigem Vorsprung seine Bestleistung von 46,35 auf 45,50 Sekunden pulverisiert – und das im ersten Jahr in der U23. „Ich wusste, ich kann schnell laufen. Ich habe gehofft, ich kann PB laufen. Aber dass ich sie jetzt um mehr als acht Zehntel steigere, hätte ich nie gedacht! Ich bin mehr als glücklich!“

Der 20-Jährige ließ damit die Konkurrenz deutlich hinter sich, und dennoch gab es für seinen ersten Verfolger Grund zur Freude: Titelverteidiger Florian Kroll (LG Osnabrück; 46,35 sec) unterbot erstmals in diesem Jahr die U23-EM-Norm. Bronze ging an Tyrel Prenz (SC Potsdam; 46,49 sec), der im Vorfeld als einziger deutscher U23-Athlet schon eine Zeit unter 46 Sekunden gerannt war. Max Husemann schob sich in der deutschen Jahresrangliste am Potsdamer vorbei auf Platz drei.

Heiko Gussmann mit Kampfansage

Leichtfüßig vorweg stürmte über 100 Meter der große Favorit: Heiko Gussmann (Sprintteam Wetzlar), mit Zeiten von 10,15 und 10,17 Sekunden angereist, gelang in 10,19 Sekunden die nächste Top-Zeit. „Mir war es wichtig, das erste Mal den deutschen Meistertitel tragen zu dürfen!“, benannte er anschließend sein großes Ziel für die Meisterschaften. In der Hallensaison hatte er als Mitfavorit das Männer-Finale über 60 Meter mit einer Adduktoren-Verletzung verpasst.

Für die U23-EM in Bergen lieferte er jetzt eine Kampfansage: „Doppelsieg – Einzel und Staffel!“ lautet die Marschroute. Unter der Einzelnorm blieben in Ulm auch erneut Emilio Gonzalez (LT DSHS Köln; 10,29 sec) und Chidiera Onuoha (ASV Köln; 10,35 sec) auf den Plätzen zwei und drei sowie dahinter Maurice Grahl (TSV Bayer 04 Leverkusen; 10,39 sec).

Pascal Boden springt Bestleistung

Bei der Team-EM war für Dreispringer Pascal Boden (Dresdner SC 1898) nach zwei Ungültigen und einem Sprung auf 14,59 Meter nicht viel zusammengelaufen. Dass er in guter Form ist, konnte er in Ulm beweisen: In einer starken Serie, in der jeder gültige Sprung weiter war als 15,40 Meter, wurde sein bester Versuch mit 15,82 Metern vermessen – Bestleistung! Nur ärgerlich, dass zur U23-EM-Norm acht Zentimeter fehlten. Diese hat in dieser Saison allein Steven Freund (LAC Erdgas Chemnitz) überboten, der in Ulm aber auf einen Start verzichtete. Mit Benedikt Maurer (SV Germering; 15,48 m) und Niklas Stroh (ASC Darmstadt; 15,33 m) konnten sich auch die weiteren Medaillengewinner über neue Bestleistungen freuen.

Eine Zentimeter-Entscheidung gab es im Hammerwurf: Mehrfach wechselte die Führung zwischen den 70-Meter-Werfern Tim Steinfurth (LG Eppstein-Kelkheim; 66,84 m) und Kai Hurych (KSV Fürth 09; 66,60 m). „Ich weiß, dass Kai jederzeit einen raushauen kann, und dann bin ich wieder gefordert. Am Ende war das Glück auf meiner Seite“, stellte Tim Steinfurth nach einem aufreibenden Wettkampf fest. „Wenn es jemanden gibt, dem ich den Sieg gönne, dann ist das Tim“, sagte Kai Hurych. Schon bald werden sie wieder gemeinsam in den Ring steigen, die Norm für die U23-EM hatten sie bereits vorher abgehakt. Bemerkenswert auch der dritte Platz: Hier steigerte sich U20-Werfer Timo Port (SV GO! Saar 05) auf 64,18 Meter.

Favoriten im Hoch- und Stabhochsprung kaum gefordert

Im Stabhochsprung wackelte der Favorit nur kurz: Drei Versuche benötigte U20-Weltmeister Hendrik Müller (TSV Bayer 04 Leverkusen), bis er seine Einstiegshöhe von 5,10 Metern überwunden hatte. Dann sprang er problemlos über 5,20 und 5,30 Meter und hatte die Goldmedaille sicher. Die U23-EM-Norm von 5,40 Metern hatte er mit seiner Saison-Bestmarke von 5,50 Metern schon zuvor abgehakt. Silber und Bronze gingen an seinen Vereinskollegen Luke Zenker und Till Marburger (LG Olympia Dortmund; beide 5,20 m).

Auch der Sieger im Hochsprung musste am Samstag in Ulm nicht alle Register ziehen: Nach 2,08 Metern im ersten Versuch hatte Julien Pohl (Cologne Athletics) Gold in der Tasche. An 2,15 Metern scheiterte der Kölner dreimal, 2,20 Meter ist er in diesem Jahr schon gesprungen und damit im Hochsprung der einzige deutsche Kandidat für die U23-EM. Niklas von Zitzewitz (VfL Eintracht Hannover) und Benjamin Gang (LG VfL/SSG Bensheim) überwanden beide 2,04 Meter und landeten damit auf dem Silber- und Bronzerang.

Den Schlusspunkt unter einen ereignisreichen Tag setzten im Ulmer Donaustadion die Athleten über 3.000 Meter Hindernis. Aus einem Dreikampf der drei EM-Normerfüller wurde am Ende ein Spurtduell. Etwas überraschend war es die deutsche Nummer zwei Silas Zahlten (LG Brillux Münster), die in Bestzeit von 8:41,36 Minuten über eine neue Bestzeit und DM-Gold jubeln konnte. Erst auf den letzten 100 Metern musste sich der Jahresbeste Robin Müller (LC Top Team Thüringen; 8:42,08 min) geschlagen geben. Kurt Lauer (VfL Sindelfingen; 9:02,30 min) komplettierte das Podium und nach zuvor erfüllter Norm auch das Trio der deutschen Anwärter auf die U23-EM-Startplätze.

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