Er ist der stärkste Marathonläufer der Gegenwart: Sabastian Sawe. Auch hohe Temperaturen konnten den 30-Jährigen beim Berlin-Marathon am Sonntag nicht stoppen. Mit 2:02:16 Stunden lief er auch seinen dritten Marathon in 2:02 Stunden. Im kommenden Jahr will Sabastian Sawe wieder nach Berlin kommen, dann könnte die Zwei-Stunden-Marke wackeln. Dabei wurde er erst über Umwege und dank seines bekannten Onkels Laufprofi.
Es ist fast auf den Tag genau 15 Jahre her, als das Wetter beim Berlin-Marathon schon einmal eine Weltrekordjagd zunichte machte. Damals, am 26. September 2010, war es Patrick Makau, der die globale Bestzeit jagte. Diese hielt Äthiopiens Laufsport-Legende Haile Gebrselassie mit 2:03:59 Stunden. Strömender Regen und tiefe Pfützen ließen Patrick Makau keine Chance. Der Kenianer gewann damals in 2:05:08 Stunden – niemand war bei derart nassen Bedingungen jemals so schnell gelaufen. „Bei gutem Wetter wäre ich rund eineinhalb Minuten schneller gewesen“, sagte Patrick Makau. Ein Jahr später kam er nach Berlin zurück und lief genau 90 Sekunden schneller: Patrick Makau hatte mit 2:03:38 Stunden den Weltrekord gebrochen.
Am Sonntag war es kein Regen sondern Wärme, die Sabastian Sawes Rekordjagd stoppte. Lief Makau 2010 einen „Regen-Weltrekord“ in Berlin, so erzielte der Kenianer nun einen „Warmwetter-Weltrekord“. Nie zuvor war bei derart hohen Temperaturen ein Athlet so schnell gelaufen: Sawe war nach 2:02:16 Stunden im Ziel, hatte damit die Jahresweltbestzeit unterboten und die neuntschnellste je gelaufene Zeit erreicht. Genau 101 Sekunden fehlten zum Weltrekord von Kelvin Kiptum (2:0:35 h). Auf die Frage, wie viel schneller Sabastian Sawe, der eine Bestzeit von 2:02:05 Stunden aufweist, bei guten Wetterbedingungen hätte laufen können, antwortete sein italienischer Trainer Claudio Berardelli: „Ich weiß, dass er in einer außerordentlich guten Form war. Aber ich kann nicht sagen, was möglich gewesen wäre.“
Onkel Abraham Chepkirwok legt gutes Wort ein
Dass Sabastian Sawe den Weg an die Weltspitze fand, hängt ursprünglich auch mit einer Portion Glück zusammen. Viele Läufer haben in Kenia das Talent, bekommen aber nie die Chance es umzusetzen, weil ihre Fähigkeiten gar nicht erst entdeckt werden. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen in dem Dorf Cheukta, das nicht weit weg von der Stadt Eldoret im kenianischen Hochland liegt, gelang es Sabastian Sawe lange Zeit nicht, sich eine Karriere als Läufer aufzubauen. Er zog nach Iten, dem Mekka des kenianischen Elite-Laufsports, und schloss sich Trainingsgruppen an. Doch niemand entdeckte sein großes Talent.
Sabastian Sawe wandte sich dann ein seinen Onkel Abraham Chepkirwok, der ihn schon mehrmals unterstützt hatte. Chepkirwok war ein 800-Meter-Läufer, der für Uganda startete. 2007 war er WM-Vierter und noch heute hält er den Landesrekord mit 1:43,72 Minuten. Chepkirwoks Nachbar, Abel Mutai, der bei Olympia in London 2012 Dritter im 3.000-Meter-Hindernislauf war, ist der Co-Trainer im Trainingslager von Claudio Berardelli in Kapsabet.
Sabastian Sawe als Pacemaker gewinnt erstes großes Rennen
„Als mich Abel ansprach, habe ich gesagt: Okay, weil du es bist, kann Sabastian kommen. Er war dann zunächst in unserem anderen Camp für Bahn-Langstreckler. Dann versuchten wir es mit den Straßen- und Marathonläufern und schließlich wurde sein Talent offensichtlich“, erzählt Claudio Berardelli, der seit über 20 Jahren in Kenia als Trainer arbeitet und in Kapsabet das Trainings-Camp der italienischen Athleten-Management-Gruppe von Gianni Demadonna leitet.
Beim Sevilla-Halbmarathon 2022 begann die internationale Karriere von Sabastian Sawe mit einer Sensation. „Gianni brauchte für das Rennen noch einen Tempomacher und ich habe gesagt, ich glaube, ich habe einen, der das kann – wir sollten das probieren“, erinnert sich Claudio Berardelli. Sabastian Sawe flog nach Sevilla und gewann das Rennen als Tempomacher mit einer Jahresweltbestzeit von 59:02 Minuten. Im Jahr darauf folgte der Sieg bei der Halbmarathon-WM, 2024 beim Marathon-Debüt in Sevilla der Sieg in 2:02:05 Stunden und im Frühjahr 2025 der prestigeträchtige Triumph beim London-Marathon (2:02:27 h).
Noch nicht am Limit
„Auch ich habe Glück gehabt, dass ich einen solchen Läufer bekommen habe. Er ist wie ein Geschenk für mich. Sabastian bringt alle Voraussetzungen mit – er hat ein unglaubliches Trainingsvermögen, ist mental stark und zugleich sehr bescheiden“, sagt Claudio Berardelli. „Ich kann nicht vorhersehen, was möglich sein wird – aber ich freue mich darauf, es herauszufinden.“
„Ich wollte richtig schnell laufen und habe mein Bestes gegeben, aber es wurde zu heiß. Ich hoffe, dass ich beim nächsten Mal besseres Wetter haben werde“, sagte Sabastian Sawe. „Die Strecke hat mir gefallen, sie ist sehr gut und schnell.“ Es ist durchaus möglich, dass Sabastian Sawe im nächsten Jahr wieder beim Berlin-Marathon startet. Vielleicht kann er es Patrick Makau nachmachen.