Sie ist die Königin der Berg- und Trailrunning WM in Canfranc: Nina Engelhard (PSV Grün-Weiß Kassel) siegte zunächst am Donnerstag beim Uphill-Race in den spanischen Pyrenäen über 6,4 Kilometer mit 990 Höhenmeter, am Sonntag triumphierte die 28-Jährige im „Classic-Trail“ über 14,3 Kilometer mit 775 Höhenmetern. Im Interview spricht Nina Engelhard über ihren Weg zu den WM-Titeln, ihre Freude am Trailrunning und ihre nächsten Ziele.
Nina Engelhard, herzlichen Glückwunsch zu zwei Titeln bei der Berglauf- und Trail-WM innerhalb von nur 72 Stunden.
Nina Engelhard:
Vielen Dank.
Wussten Sie, dass Sie so starker Form in Canfranc starten würden?
Nina Engelhard:
Ja, das war mir schon bewusst. Ganz einfach, weil ich sehr lange nicht verletzt oder krank war. Das ist für mich schon untypisch. Ich konnte so viele Laufkilometer im Training machen wie noch nie in den vergangenen Monaten. In der Vorbereitung konnte ich bei einigen Wettkämpfen meine Zeiten vergleichen, die ich in den Jahren zuvor gelaufen bin. Und die waren in diesem Jahr immer schneller. Da darf man wohl von der Form seines Lebens sprechen. Aber was das im weltweiten Vergleich Wert ist, konnte ich natürlich nicht einschätzen.
Welches Rennen war denn schwieriger für Sie: das Uphill-Race am Donnerstag oder der Classic-Trail am Sonntag?
Nina Engelhard:
Das kann ich ganz genau sagen. Denn ich habe mich noch nie so gequält wie beim Uphill am Donnerstag. Es war ein Kampf von Beginn an, denn die Beine waren richtig, richtig schlecht. Ganz anders dann am Sonntag. Den Lauf konnte ich eigentlich von Anfang an genießen, es hat einfach nur Spaß gemacht.
Wie haben sich die Beine denn am Sonntag vor dem Classic-Trail angefühlt. Ein extremes Uphill-Race wie am Donnerstag spürt man doch bestimmt sehr lange?
Nina Engelhard:
Na klar waren die Beine noch etwas schwer. Aber ich konnte die beiden Tage zwischen den Rennen ganz locker trainieren. Beim Einlaufen habe ich dann gespürt, dass es sich eigentlich ganz gut anfühlt. Das hat sich dann auch schon im ersten Bergaufstück gezeigt.
Trailrunning hat in den vergangenen Jahren deutlich an Popularität gewonnen. Was fasziniert Sie an dieser Art des Laufens?
Nina Engelhard:
Ich kann das gar nicht so in Worte fassen. Aber wenn ich an einem schönen Trail- oder Bergaufpfad stehe, dann schüttet mein Körper Glücksgefühle aus. Dann will ich da einfach nur hochrennen. Beim Classic-Trail war es sogar im Downhill so. Das passiert nicht oft. Es scheint meine Welt zu sein, da fühle ich mich wohl, da habe ich Spaß.
Sie sind noch gar nicht so lange auf den Trails unterwegs. Wie sind Sie dazu gekommen?
Nina Engelhard:
Das war eigentlich Zufall. Ich hatte nach meinem Masterabschluss einige Monate Zeit, bevor ich in den Job gestartet bin. Die Zeit habe ich zum Reisen genutzt und habe einige Bergläufe in den Alpen absolviert. Das hat nicht nur Spaß gemacht, sondern ich war auch schnell ziemlich erfolgreich. Man kann sagen, dass ich in dieser Zeit meine persönliche Laufwelt entdeckt habe.
Sie leben in Kassel und starten für den PSV Grün-Weiß Kassel. Dort ist es zwar etwas hügelig, aber nicht vergleichbar mit den Alpen. Wie bereiten Sie sich für solche extremen Rennen wie in Canfranc vor?
Nina Engelhard:
Es gibt bei uns schon Strecken, auf denen wir schon gut hoch- und runterlaufen können. Aber klar gibt es keine 1.000 Höhenmeter am Stück, es sind vielleicht maximal 400 bis 500. Aber das scheint ja vollkommen zu laufen. Dazu baue ich regelmäßig Treppentraining in die Vorbereitung ein. Außerdem Radtraining im hügeligen Gelände.
Im Classic-Trail am Sonntag haben Sie sehr früh die Führung übernommen. Wann wussten Sie, dass in diesem Rennen die Konkurrentinnen keine Chance mehr haben würden?
Nina Engelhard:
Das Rennen führte ja über zwei Runden. Meine Taktik war, dass ich auf der ersten Bergaufpassage eine Führung herauslaufen wollte. Im Downhill wollte ich dann sehen, wie schnell die Verfolgerinnen herankommen. Nach der ersten Runde habe ich dann gemerkt, dass der Abstand weiter vorhanden ist. Da habe ich mich natürlich schon sehr sicher gefühlt und konnte die zweite Hälfte entspannter angehen.
Aktuell sind Sie auf den „kürzeren“ Distanzen unterwegs. Bei der WM gab es ja noch Entscheidungen über 44 und 82 Kilometer. Sind das Strecken, auf denen Sie sich in den kommenden Jahren sehen?
Nina Engelhard:
Auf gar keinen Fall (lacht). Bitte nicht falsch verstehen, ich finde diese Streckenlänge und Höhenmeter faszinierend. Und man bekommt natürlich im Team mit, was die Starterinnen und Starter auf diesen Distanzen leisten. Aber aktuell kann ich noch überhaupt keine Faszination oder Begeisterung für diese Distanzen entwickeln und mir nicht vorstellen, dass ich Spaß daran haben kann. Natürlich kann sich das mit dem Älterwerden ändern. Aber in den nächsten Jahren sehe ich mich da definitiv nicht.
Wie unterscheidet sich das Training für das Uphill-Rennen zu der Vorbereitung auf den Classic-Trail mit wechselnden Bergauf- und Bergabpassagen?
Nina Engelhard:
Ich trainiere sehr viel nach Gefühl und hatte keine klar definierte Vorbereitung für die zwei Strecken. Mit dem Wissen um die unterschiedlichen Belastungen im Classic-Trail habe ich verstärkt im Tempodauerlaufbereich trainiert und dabei nach relativ steilen Bergabpassagen im Anschluss Anstiege eingebaut. Damit sich Muskulatur und Kopf an diese Belastung gewöhnt. Daneben bin ich in der Vorbereitung zwei Wettkämpfe an aufeinanderfolgenden Tagen gelaufen, um die Belastung bei der WM zu simulieren.
Die WM war für Sie der Saisonhöhepunkt und der Abschluss Ihrer Trail-Saison. Welche Aufgaben stehen für Sie im kommenden Jahr an?
Nina Engelhard:
Es war ein grandioser Abschluss des Wettkampfjahres. Die Woche mit dem Team in Canfranc war richtig schön und hat super viel Spaß gemacht. Ich werde die Erlebnisse bei der WM mein Leben lang im Kopf behalten. Jetzt steht für mich erstmal Urlaub an. Danach entscheide ich spontan, wo ich starten möchte. Vielleicht klappt es mit der Cross-DM. 2026 steht die Berglauf-EM in Slowenien auf dem Programm. Darauf freue ich mich schon ungemein, da ich das Land total liebe.
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