Bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden haben elf Athletinnen und Athleten erstmals einen nationalen Einzeltitel in der Aktivenklasse gewonnen. Einige gehören schon länger zur nationalen Spitze, andere feierten in diesem Sommer ihren Durchbruch. Wir stellen die neuen Deutschen Meisterinnen und Meister vor, heute Stabhochspringer Gillian Ladwig (Schweriner SC).
Gilian Ladwig
Schweriner SC
Bestleistung:
Stabhochsprung: 5,72 m (2022)
Erfolge:
Deutscher Meister 2025
Im Stabhochsprung hat das Trio Bo Kanda Lita Baehre (Düsseldorf Athletics), Oleg Zernikel (ASV Landau) und Torben Blech (TSV Bayer 04 Leverkusen) in den vergangenen Jahren regelmäßig die DLV-Farben bei internationalen Meisterschaften vertreten und nationale Titel unter sich ausgemacht. Auf internationaler Ebene mischte zuletzt 2023 ein weiterer Athlet mit, der sich lange eher in der zweiten Reihe gesehen hatte. Gillian Ladwig (Schweriner SC) schaffte die Qualifikation zur Hallen-EM, Team-EM und der WM in Budapest (Ungarn). 2024 verhinderte eine Verletzung, dass der 26-Jährige an dieses Niveau anknüpfen konnte.
In der vergangenen Sommersaison war der Landespolizist wieder fit und ließ das etablierte Trio bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden hinter sich. Mit einem Sprung über 5,65 Meter sicherte sich der langjährig von Andreas Rändler betreute Athlet seinen ersten nationalen Titel. Zur Qualifikation für die Weltmeisterschaften in Tokio (Japan) reichte es zwar knapp nicht. Seine Leistungen deuteten aber Potential für Höhen im Bereich von 5,80 Metern an. Damit könnte der Sprung zur EM im kommenden Jahr in Birmingham (Großbritannien) und 2028 zu den Olympischen Spielen in Los Angeles (USA) gelingen.
Über Sportgymnasium zur Leidenschaft Stabhochsprung
In seiner Kindheit in Schwerin spielte Gillian Ladwig zuerst Fußball. Nach der Grundschule meldeten ihn seine Eltern bei der Sportschule an. Dort probierte er verschiedene Sportarten aus, auch Stabhochsprung, schon damals unter der Anleitung von Andreas Rändler. Der erkannte das Talent des Schülers, der sich zunehmend auf die Leichtathletik konzentrierte und sich als Neuntklässler schließlich komplett auf den Stabhochsprung spezialisierte. Schon damals gehörte auch Tom-Linus Humann (Schweriner SC) zur Trainingsgruppe, der 2022 gemeinsam mit Torben Blech bei der Hallen-DM ganz oben auf dem Podest stand. „Ohne ihn und meinen Trainer wäre ich nie so weit gekommen und wahrscheinlich gar nicht beim Stabhochsprung gelandet.“
In ihrer Zeit in der U18 und U20 gehörten die beiden Athleten zur nationalen Spitze ihrer Altersklasse. Für einen Start im Nationaltrikot qualifizierten sie sich aber nicht. „Unser Jahrgang war im Stabhochsprung sehr stark. Ich hatte immer das Gefühl, etwas hinterherzuspringen“, erinnert sich Gillian Ladwig, der zweimal Bronze bei Deutschen Jugendmeisterschaften gewann und die U20 mit einer Bestleistung von 5,10 Metern abschloss.
Nach seinem Schulabschluss spielte der damalige Nachwuchsathlet schon mit dem Gedanken, sich im Regelverfahren bei der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern zu bewerben, bis er darauf aufmerksam gemacht wurde, dass seine Leistungen durchaus für die Aufnahme in die Sportfördergruppe reichen könnten. „Das hat dann geklappt und ich konnte Sport und Berufsweg optimal verbinden.“ Seit 2022 ist die Ausbildung bei der Landespolizei beendet. Drei Monate im Jahr arbeitet der Polizeimeister als Einsatzbeamter in seiner Hundertschaft und ist den Rest des Jahres für den Sport freigestellt.
Leistungssteigerung beginnt mit Entschluss
In seinen U23-Jahren steigerte der Stabhochspringer seine Bestleistung zwar bis auf 5,35 Meter. Doch der Durchbruch in Richtung nationaler Spitze blieb noch aus. Diese Zeit fiel auch in die schwierigen Corona-Jahre. „Für mich stellte sich die Frage, wie es weitergeht“, erzählt der 26-Jährige. „Und es war für mich klar, dass sich das alles mit 5,30er-Höhen nicht lohnt. Das wollte ich auch der Polizei der Fördergruppe nicht antun. Da musste mehr kommen. Ich habe mir ein Ultimatum gesetzt, dass anscheinend nochmal Kräfte freigesetzt hat.“
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf ging 2022 plötzlich in allen Bereichen mehr: Ein bisschen mehr Geschwindigkeit im Anlauf, ein bisschen mehr Mut in der Griffhöhe, ein bisschen härtere Stäbe. Diese kleineren Stellschrauben wirkten sich in Summe enorm aus, auch die Technik machte Fortschritte. Plötzlich ging es konstant immer höher. „Das hat sich von 40er über 50er-Höhen immer weiter aufgebaut.“ Als DM-Vierter mit 5,70 Meter war er erstmals am DLV-Top-Trio im Stabhochsprung dran und bekam auch bei größeren Meetings einen Startplatz. „Das war ein mega-gutes Gefühl, endlich dabei zu sein.“
Erste Einsätze in der Nationalmannschaft
Als Sieger beim Domspringen in Aachen stellte Gillian Ladwig mit 5,72 Metern schließlich seine bis heute bestehende Bestleistung auf, die er in der folgenden Wintersaison in der Halle bestätigte. Von einem Jahr auf das andere war er plötzlich mit im Geschäft um die internationalen Startplätze. 2023 bei der Hallen-EM in Istanbul (Türkei), der Team-EM in Chorzów (Polen) und der WM in Budapest (Ungarn) brachten die ersten Einsätze in der Nationalmannschaft.
„Die Hallen-EM und die WM waren schöne Erfahrungen, aber ich konnte meine Leistung dort noch nicht abrufen.“ In der Qualifikation war jeweils Endstation. „Bei der Team-EM war ich mit meinen 5,65 Metern zufrieden.“ Auch der erste DM-Podestplatz als Dritter von Braunschweig stand dafür, dass sich der Athlet des Schweriner SC anschickte, endgültig zu den national etablierten Athleten aufzuschließen.
2024 von Knieverletzung geprägt
Wie schnell dieser gewonnene Anschluss an die Spitze wieder verloren gehen kann, musste der Aufsteiger Ende 2023 erfahren. Im Abschlusstrainingslager im Dezember zog er sich außerhalb des Trainings eine Knieverletzung zu, die ihn zurückwarf. „Es war zwar keine OP nötig, aber das Knie war stark in Mitleidenschaft gezogen.“ Die Heilung nahm fast ein ganzes Jahr in Anspruch.
Die Hallensaison fiel komplett aus und statt um die Olympia-Qualifikation mitzuspringen, ging es in den Sommerwettkämpfen nur darum, nicht völlig aus dem Rhythmus zu kommen. „Im Training bin ich nur durchgelaufen. Da lief es gar nicht. Ohne Wettkämpfe hätte ich aufhören können.“ Es blieb bei einer Saisonbestleistung von 5,42 Metern. „Erst im August, September war ich wieder schmerzfrei.“ Ein verlorenes Jahr.
Das Jahr 2025 macht Lust auf mehr
Im Aufbau für das zurückliegende Jahr kamen Fitness und Körpergefühl zurück. Nach dem schwierigen Jahr brauchte es aber etwas, um wieder in den Bereich der Bestleistung vorzudringen. Als Dritter der Hallen-DM mit 5,62 Metern gelang das zum Abschluss der Wintersaison. Im Sommer gingen konstante Höhen in diesem Bereich in die Ergebnislisten ein. Bei der DM in Dresden konnte Gillian Ladwig dann erstmals bei einer nationalen Meisterschaft Oleg Zernikel, Torben Blech und Bo Kanda Lita Baehre hinter sich lassen und mit 5,65 Metern über seinen ersten Titel jubeln.
„Das war natürlich toll, dass ich die Drei dort hinter mir lassen und gewinnen konnte“, berichtet der neue Deutsche Meister. „Allerdings bewerte ich meine Saison insgesamt zwiespältig. Einerseits hatte ich ein konstantes Niveau und konnte den DM-Titel gewinnen, anderseits haben Ausreißer nach oben gefehlt. Ich wollte mich für Starts im Nationaltrikot qualifizieren. Das hat nicht geklappt.“
Nächste Ziele: Gesundheit und mehr Kraft
Nach dem DM-Titel wäre mit einem Sprung über die Direkt-Norm (5,82 m) noch die Qualifikation für die WM in Tokio (Japan) möglich gewesen. Trotz guter Ansätze gelang das aber nicht mehr. Die Saison zeigte aber, dass noch mehr drin ist. „Das Wichtigste ist, gesund zu bleiben. Das hat mir der Rückschlag im Jahr 2024 sehr deutlich gezeigt.“
Auch in Sachen Kraft möchte Gillian Ladwig noch etwas zulegen. „Da sehe ich noch Potential.“ Ansonsten soll die kontinuierliche Arbeit an Technik und Anlaufgeschwindigkeit weitergehen. 5,82 Meter sind auch die Direkt-Norm für die EM im kommenden Jahr in Birmingham (Großbritannien; 10. bis 16. August 2026), und auch im Kampf um die Startplätze bei den Olympischen Spiele in Los Angeles (USA) möchte der einstige Underdog ein Wörtchen mitreden.
Video: Gillian Ladwig überrascht als Deutscher Meister im Stabhochsprung
Video-Interview: Gillian Ladwig: "Es waren schwierige Bedingungen"
Das sagt Bundestrainer Michael Kühnke: |
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Gillian hat eine grundsolide Technik und einen erfahrenen Trainer an seiner Seite, mit dem er seit langem zusammenarbeitet. Die Basis für noch größere Höhen ist da. Wenn er gesund bleibt, steht einer Weiterentwicklung nichts im Wege. Schon in diesem Sommer war die Chance da, die Direkt-Norm für die WM zu springen. Er hat mit schönen Versuchen sein Potential dafür gezeigt.
2024 wurden seine Fortschritte durch eine unglückliche Verletzung beeinträchtigt. Aber Gillian bringt auch den nötigen Willen mit, alles für seine Ziele zu geben. Er hat schon einmal eine WM erlebt und möchte unbedingt einmal bei Olympia dabei sein. Er ist absolut ein Kandidat für 2028 und gehört mit Hendrik Müller zum engen Kreis der Athleten, die den Etablierten Druck machen können. Ich hoffe, dass sich alle Athleten gegenseitig zu noch besseren Leistungen anspornen.