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Der lange Weg an die Spitze: Luvo Manyonga springt mit 8,62 Metern Afrika-Rekord

8,62 Meter im Weitsprung: Der Olympia-Zweite Luvo Manyonga hat am Freitag die Freiluft-Saison mit dem weltweit besten Sprung seit 2009 und Afrika-Rekord eingeläutet. Mehr als ein Ausrufungszeichen in Richtung internationale Konkurrenz. Und eine Leistung, die sowohl große Bewunderung als auch einige gemischte Gefühle hervorruft – wenn man weiß, warum er fast vier Jahre lang komplett von der Bildfläche verschwunden war.
Silke Bernhart

Fast hätten die deutschen Leichtathletik-Fans sich in diesem Jahr schon selbst ein Bild vom derzeit wohl besten Weitspringer der Welt machen können. Denn Luvo Manyonga wollte Anfang Februar beim Indoor Meeting in Karlsruhe seine Hallen-Premiere feiern. Doch dann knickte der Südafrikaner im Training um und musste seinen Start absagen.

Er wäre als Olympia-Zweiter von Rio nach Karlsruhe gereist – und damit als einer der hochdekoriertesten Starter des Meetings. Und dennoch wäre er wohl kaum jemandem schon ein Begriff gewesen. Denn Luvo Manyonga war 2016 scheinbar wie aus dem Nichts in die Weltspitze gestürmt. Sein nächster Coup folgte am Freitag: In Pretoria flog der 25-Jährige auf 8,62 Meter und zeigte damit den besten Sprung der Welt seit 2009 – Afrika-Rekord.

Den weiteren Weg zu den Weltmeisterschaften 2017 im August in London (Großbritannien) wird Luvo Manyonga spätestens nach diesem Satz als Kandidat Nummer eins auf die Goldmedaille bestreiten. Anders sah es im Vorjahr aus, als er trotz bemerkenswerter Vorleistungen mit Silber und 8,37 Meter bei den Olympischen Spielen in Rio für eine Überraschung gesorgt hatte. Denn der U20-Weltmeister von 2010, der schon als 19-Jähriger Acht-Meter-Sprünge gezeigt hatte, hatte vor der Sommersaison 2016 vier Jahre lang fast keinen Wettkampf bestritten.

Dopingsperre wegen Crystal Meth

Luvo Manyonga war zwischen Anfang 2012 und Ende 2013 wegen Dopings gesperrt: Er war im März 2012 im Rahmen eines Wettkampfs in Stellenbosch positiv auf die synthetische Droge Methamphetamin getestet worden – besser bekannt unter dem Begriff Crystal Meth. Die Sperre wurde von der Südafrikanischen Anti-Doping-Agentur (SAIDS) von den üblichen zwei auf anderthalb Jahre reduziert. In der <link http: www.drugfreesport.org.za wp-content uploads manyonga.pdf _blank link zur urteilsverkündung im dopingfall luvo>Begründung heißt es: "Die Vorgaben der WADA [Welt-Anti-Doping-Agentur] müssen respektiert werden, aber die außergewöhnlichen sozialen Umstände, mit denen viele schwarze ["black"] Athleten in Südafrika konfrontiert sind, können nicht ignoriert werden."

Die britische Zeitung „Guardian“ hat die Geschichte des Südafrikaners in seinem Artikel „<link https: www.theguardian.com sport dec from-crystal-meth-to-olympic-glory-the-recovery-and-rise-of-luvo-manyonga _blank link zum artikel des>Von Crystal Meth zu olympischem Ruhm“ nachgezeichnet und schreibt, dass Crystal Meth „das Gegenteil einer leistungssteigernden Droge“ sei. Dem widersprechen andere Artikel, die die stark aufputschende Substanz sogar als „Wunderwaffe vieler Sportler“ (<link http: www.aerztezeitung.de panorama doping article crystal-meth-wunderwaffe-vieler-sportler.html _blank link zum artikel der>Ärztezeitung) bezeichnen. Auch der ehemalige Tennis-Star André Agassi (USA) gab in seiner Autobiographie zu, dass er <link http: www.stern.de sport sportwelt andre-agassi--ich-nahm-regelmaessig-crystal-meth--3444878.html _blank link zum artikel des>zu Beginn seiner Karriere regelmäßig Crystal Meth genommen habe.

Luvo Manyonga aber scheint mit einem echten Drogenproblem zu kämpfen. Jedenfalls endet sein Konsum nicht mit der Dopingsperre – er geht damit erst richtig los. Was dann passiert, klingt fast wie ein Märchen: Ein irischer Auswanderer namens John McGrath, Kraftsportler sowie einst selbst talentierter Ruderer, aber ohne Ausbildung und in seiner Heimat als Straßenfeger beschäftigt, macht sich auf die Suche nach dem jungen Weitspringer, nimmt ihn in seine Obhut und bringt ihn Schritt für Schritt wieder zurück in die Weltspitze.

Tod des Trainers und zahlreiche Abstürze

„Wenn du eine neue Reise antreten willst, dann werde ich sie mit dir gehen“, habe er beim ersten Treffen zu Luvo Manyonga gesagt, berichtete John McGrath Ende 2016 im <link https: www.theguardian.com sport dec from-crystal-meth-to-olympic-glory-the-recovery-and-rise-of-luvo-manyonga _blank link zum artikel des>Gespräch mit dem Guardian. Er absolviert zunächst selbst Kraft- und Athletiktraining mit dem Weitspringer und bringt ihn dann wieder mit dessen ehemaligen Coach Mario Smith zusammen – bis dieser 2014 bei einem Auto-Unfall ums Leben kommt. Das nächste einschneidende Erlebnis im Leben von Luvo Manyonga.

Der zweifelsfrei hochtalentierte junge Mann, der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, rutscht immer wieder in den Drogensumpf ab – sogar die Beerdigung von Smith verpasst er, weil er auf dem Weg dorthin bei seinen Drogen-Freunden hängen bleibt. John McGrath aber gibt seinen Schützling nicht auf, drängt ihn weiter dazu, sich dem Sport zuzuwenden. Weil es keine Förderer gibt, kauft er ihm sogar selbst Spikes – aber er kennt sich nicht aus und besorgt Sprint-Spikes: „Die bleiben beim Absprung am Brett hängen. Luvo ist trotzdem 8,15 Meter gesprungen.“

Neustart in Pretoria

Die Wende bringt schließlich 2015 ein Umzug nach Pretoria und das Training am dortigen High Performance Center unter Toby Sutcliffe und Neil Cornelius, vermittelt vom Südafrikanischen Olympischen Komitee SASCOC, dem Manyonga selbst einen großen Anteil an seinem Comeback zuschreibt.

Ab 2016 sind die Fortschritte des Weitspringers wieder überall nachzulesen: Saison-Einstieg Anfang März mit 8,20 Metern bei 1,5 Metern pro Sekunde Gegenwind. Die nächste Weltbestleistung von 8,30 Metern nur ein paar Tage später. Sie hat bis zu den Olympischen Spielen Bestand. In Rio dann die Steigerung auf 8,37 Meter und Silber nur einen Zentimeter hinter US-Amerikaner Jeff Henderson. Der krönende Saison-Abschluss: 8,48 Meter im September in Brüssel (Belgien).

Mit den nächsten herausragenden Sätzen auf 8,46 und nun sogar 8,62 Meter hat Luvo Manyonga seinen rasanten Aufstieg in 2017 nahtlos fortgesetzt. Mit seiner neuen Bestmarke hat er sich auf Platz zwölf der ewigen Weltbestenliste festgesetzt. Und er ist heiß auf mehr. Schon Ende 2016 hatte er angekündigt, dass er die neun Meter im Bereich des Möglichen sieht – er wäre der erste Mensch, der diese Marke überbieten könnte. „Ich bin super hungrig“, sagte er. Er will die Weltspitze übernehmen. Und die Vergangenheit hinter sich lassen.

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