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Julian Flügel: Von der Straße in den Flieger

Kontinuierliche Steigerung: 2:15:39 Stunden 2014 in Hamburg, 2:14:20 Stunden 2014 in Frankfurt und nun 2:13:57 Stunden vergangenen Sonntag in Berlin. Julian Flügel hat sich auf der Marathonstrecke prächtig entwickelt. Einen weiteren Angriff auf die Olympia-Norm für Rio (Brasilien) wird der 29 Jahre alte Betriebswirt im Frühjahr 2016 wohl trotzdem nicht unternehmen. Er hat andere Pläne.
Martin Neumann

Wettkampf-Kleidung, Party-Outfit, Business-Garderobe: Julian Flügel (TSG 08 Roth) schlüpfte beim und nach dem Berlin-Marathon am vergangenen Sonntag binnen Stunden in ganz unterschiedliche Rollen. Am Morgen war der Leistungssportler Flügel gefragt, der den Berlin-Marathon in neuer Bestzeit von 2:13:57 Stunden finishte. Den Erfolg feierte er – wie Philipp Pflieger (2:12:50 h), sein ehemaliger Teamkollege bei der LG Telis Finanz Regensburg – am Abend auf der Tanzfläche. Am Montagmorgen ging es für Flügel weiter nach London. Doch nicht zum Ausspannen, sondern im Auftrag seines Arbeitsgebers Kion. Dem größten Gabelstapler-Produzenten Europas.

„Zwei, drei Stunden habe ich aber doch noch geschlafen“, denkt Flügel an den Sonntag in Berlin zurück. Für den Betriebswirt ist es ganz normal, Beruf und Sport unter einen Hut zu bringen. 30 Stunden pro Woche arbeitet er. „Wenn ich unterwegs bin wie in dieser Woche in Großbritannien sind es aber deutlich mehr“, sagt Flügel und ergänzt: „Wenn man so will habe ich zwei dreiviertel Stellen. Eine bei der Arbeit, eine als Läufer.“ Voll auf die Karte Sport will der gebürtige Hesse, der im Rheingau lebt, nicht setzen. Er hat seinen Weg gefunden. Training vor und nach der Arbeit (10 bis 17 Uhr) sind für ihn normal.

Eine perfekte Vorbereitung

So ist er in der Vorbereitung auf den Berlin-Marathon auf bis zu 240 Wochenkilometer gekommen. „So gut wie dieses Mal haben die ersten drei Marathon-Vorbereitungen nicht geklappt. Da waren immer ein, zwei Wochen mit kleineren Verletzungen dabei“, sagt Flügel. So wollte er eigentlich auch ein wenig schneller laufen als 2:13:57 Stunden. „Um 2:13 war mein Ziel, plus-minus ein paar Sekunden.“ Diese Zeit schien nach seinem starken Halbmarathon Ende August in Berlin (64:28 min) auch in Reichweite. Doch das schnelle Anfangstempo Richtung Olympianorm von 2:12:15 Stunden (Halbmarathon: 66:02 min) kostete ihn am Ende zu viele Körner.

Auch Philipp Pflieger wurde auf der zweiten Hälfte (ein wenig) langsamer, der am Ende auf Rang 37 einlaufende Ybekal Daniel Berye (PSV Grün-Weiß Kassel; 2:16:45 h) schon deutlicher. „Ich wäre auf der ersten Hälfte gern ein, zwei Sekunden pro Kilometer langsamer gelaufen. Denn ich habe schon gemerkt, dass es nicht so leicht rollt, wie es sein sollte“, beschreibt der 29-Jährige seinen Eindruck. Aber natürlich rannte er mit der Gruppe um Philipp Pflieger und zwei belgischen Top-Läufern mit. Schon frühzeitig auf sich allein gestellt zu sein, war für Flügel keine Option.

Zurück auf die Rundbahn

Ob er im Frühjahr 2016 einen weiteren Angriff auf die Olympia-Norm startet, wollte er nach dem Rennen nicht komplett ausschließen. Doch seine Worten zeigen eine klare Tendenz: „Berlin ist die schnellste Strecke. Ich hatte eine perfekte Vorbereitung, tolle Tempomacher und das Wetter hat auch gepasst.“ 2:12:15 Stunden scheinen dem analytischen Betriebswirt dann doch (noch) zu weit entfernt, obwohl er „nur“ knapp zwei Sekunden pro Kilometer schneller laufen müsste.

Nach seinem vierten Marathon spielt der Langstreckler vielmehr mit dem Gedanken, im kommenden Frühjahr auf die Bahn zurückzukehren. Die 10.000 Meter hat er dabei ins Visier genommen. „Da passt meine Bestzeit einfach noch nicht zu den anderen“, sagt er mit einem Lachen. 29:36,37 Minuten weist er seit 2011 als Hausrekord auf. „Eine 28 sollte schon vorn stehen“, gibt Flügel die Marschrichtung vor.

2016: EM-Halbmarathon, 2018: EM-Marathon

Die EM-Norm über 10.000 Meter steht bei 28:40,00 Minuten. In Amsterdam würde der langjährige Schützling von Jürgen Stephan aber lieber auf einer anderen Strecke dabei sein: im erstmals ausgetragenen EM-Halbmarathon. Mit 64:45 Minuten könnte er einen Startplatz im Europacup-Team (maximal fünf Starter) ergattern, sofern zwei Läufer 63:45 Minuten oder schneller laufen.

Bei der nächsten „kompletten“ EM – 2018 in Berlin – soll es dann für Flügel über die ganze Marathonstrecke gehen. „Das ist ein Ziel, ganz klar“, sagt er und schließt auch nicht aus, für die Olympischen Spiele 2020 in Tokyo (Japan) einen neuen Norm-Angriff zu unternehmen. Damit scheint eins sicher: Den „dreiviertel“ Laufprofi Julian Flügel wird man noch bei manchen Marathons in verschiedenen Rollen erleben.

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