Im Frühjahr starten die DLV-Athleten in verschiedenste Trainingslager, um sich für den großen Sport-Sommer mit dem Höhepunkt Olympische Spiele in Rio (Brasilien; 12. bis 21. August) vorzubereiten. Wir haben die größten Camps aufgespürt und nachgefragt, wie der letzte Formschliff vor dem Saisonstart verlief. Heute: Stellenbosch – zentrale Durchgangsstation auf dem Weg nach Rio.
Die Weinblätter in Stellenbosch verfärben sich langsam. Der angenehm warme Herbst des Landes neigt sich dem Ende zu. „Bisher hatten wir ungewöhnlich viel Regen und heftigen Wind“, berichtete Hammerwerferin Kathrin Klaas am Ende der ersten Trainingslager-Woche. In der zweiten Woche waren der Sonnenschein und die gewohnt optimalen Bedingungen aber wieder da. Es sind überwiegend Werfer, die sich dort aus dem DLV-Lager derzeit noch knapp eine Woche lang auf die Olympiasaison vorbereiten.
Mit dem zweimaligen Weltmeister David Storl (SC DHfK Leipzig) in ihren Reihen bilden sie den Abschluss der Disziplingruppen, die auf dem Weg nach Rio Station in Südafrika machten. Die An- und Abreisedaten der deutschen Top-Athleten überschnitten sich, so dass Mitte März große Teile aus dem Top Team und Junior Elite Team gemeinsam vor Ort waren. Am frühesten waren die Speerwerfer Christina Obergföll und Johannes Vetter (beide LG Offenburg; 2. März) für drei Wochen nach Südafrika gestartet.
Individuelles Timing
Vergangenes Wochenende sind die Mehrkämpfer abgereist, darunter der WM-Dritte Rico Freimuth (SV Halle), der einen Monat sein Quartier in Stellenbosch aufgeschlagen hatte, der WM-Sechste Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) und Hürdensprint-Vizeweltmeisterin Cindy Roleder (SC DHfK Leipzig). Für einige Mehrkämpfer steht in Götzis (Österreich) schon Ende Mai der erste von zwei Olympia-Qualifikationswettkämpfen an.
Auch aus dem Sprung-Bereich hatten Athleten den Flug nach Kapstadt aufgenommen. So die WM-Sechste im Hochsprung Marie-Laurence Jungfleisch, der U23-Europameister im Weitsprung Fabian Heinle (beide VfB Stuttgart). Sein Disziplinkollege Sebastian Bayer (Hamburger SV; Europameister 2012) musste seinen für vier Wochen geplanten Aufenthalt durch eine Knieverletzung vorzeitig abbrechen. Dreispringerin Jenny Elbe (Dresdner SC 1898) blieb zwei Wochen.
„Die Saisonplanungen und Wettkampfeinstiege in den einzelnen Disziplingruppen sind sehr unterschiedlich“, erklärte DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska. Vom Trend her verfolgt der komplexe Nationalmannschaftslehrgang die gleiche Idee wie das Top Team-Trainingslager im November 2015, bei dem die Olympiavorbereitung eingeläutet wurde. Nur diesmal finden die Aufenthalte –begleitet von Team-Ärzten und Physiotherapeuten - in sukzessiver, gestaffelter Form statt. Im Mittelpunkt stehen das individuell abgestimmte Training und die optimale Regeneration.
Geschwindigkeits-Entwicklung
Nach dem harten Training ist der Sonntag traditionell Ruhe- und Ausflugstag. Diskuswerferin Shanice Craft (MTG Mannheim; „Die schöne Natur und die entspannte und lockere Art der Menschen gefällt mir hier am besten.“) und die Kugelstoßer Christian Jagusch, Patrick Müller (beide SC Neubrandenburg) und Dennis Lewke (SC Magdeburg) genossen die Aussicht auf dem Tafelberg am Kap der guten Hoffnung. Kathrin Klaas kennt die Sehenswürdigkeit schon. So konnte die Frankfurterin nach einem straffen Programm alle Kräfte sparen und sich ganz auf die Erholung konzentrieren.
Von Montag bis Samstag klingelt ihr Wecker um 7:30 Uhr. Nach zwei Trainingseinheiten vormittags und nachmittags schlägt nach dem Abendessen die Stunde des Physiotherapeuten Norbert Müller, „der mit viel Engagement und Fachwissen die drei Ü30er wieder herstellt“, scherzte die Olympia-Fünfte. Gemeint sind außer der 32-Jährigen die beiden Speerwerferinnen, Linda Stahl (Olympia-Dritte) und Katharina Molitor (Weltmeisterin), die ebenfalls vom Hammer-Bundestrainer der Männer Helge Zöllkau betreut werden.
Nach dem Aufbau kommt Kathrin Klaas langsam in die Phase der Geschwindigkeitsentwicklung. „Das heißt für mich, dass ich auch leichtere Hämmer in die Hand nehme und schauen kann wie weit sie plötzlich fliegen“, sagte die WM-Sechste. Bei einer Einheit stand sogar ein großer Regenbogen über der Rasenfläche am Himmel. Nach der ersten Woche waren ihre Ergebnisse sehr zufriedenstellend. Im Kraftraum gab es schon zwei Saisonbestleistungen.
Olympia voll im Fokus
Mit Christin Hussong (LAZ Zweibrücken) ist noch eine dritte Olympia-Kandidatin im Speerwurf an der Anlage. Die 22-Jährige schätzt die guten Bedingungen und die positive Atmosphäre. Das Training laufe momentan „super“. Die U23-Europameisterin vermeldete: „Endlich konnte ich die technischen Details umsetzen, die mir in letzter Zeit noch schwer gefallen sind.“
Auch für Shanice Craft ist das Training bisher nach Wunsch verlaufen. Die EM-Dritte mit dem Diskus kann den Fokus nach ihrem erfolgreichen Abschluss bei der Bundespolizei komplett auf die Olympia-Vorbereitung richten. Bei ihr steht viel Krafttraining auf dem Plan. An die technischen Feinheiten geht es dann im nächsten Trainingslager in Belek (Türkei; Anreise am 27. April), wo sie auch schon vor dem Südafrika-Aufenthalt war.
Maximalkraft-Entwicklung
Ebenfalls an der Entwicklung seiner Maximalkraft arbeitet David Storl (SC DHfK Leipzig). Insbesondere schwerere Kugeln gilt es in dieser Phase zu wuchten. Der Olympia-Zweite kann fast alle Trainingsmittel einsetzen und auch Stöße aus der Wettkampfbewegung stehen wieder auf dem Programm. „Dabei müssen wir natürlich noch immer stark auf die richtige Dosierung achten“, sagte Bundestrainer Sven Lang mit Rücksicht auf das linke Knie.
Weltmeisterin Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) konnte die geplante Reise nach Stellenbosch wegen einer Verletzung an der rechten Schulter hingegen nicht antreten. Die 30-Jährige wird derzeit in Abstimmung mit DLV-Verbandsarzt Dr. Steger intensiv durch den DLV-Physiotherapeuten Christian Kühn in Chemnitz behandelt.
Zum Abschluss der gestreckten Trainingslagermaßnahme in Stellenbosch war auch DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop am Wochenanfang in Südafrika. Die Hallen-WM in Portland (USA) hatte die Trainingslager-Kernzeit überlagert, so dass er auf diesem Wege nochmal das Gespräch mit einigen der DLV-Hoffnungsträger realisieren konnte. Der Olympia-Sommer kann also kommen.