| Olympische Spiele 2021

Tokio Tag 8 | Zweiter Olympiasieg für Miller-Uibo und Kipyegon, Hilbert und Felix gewinnen historische Medaillen

Shaunae Miller-Uibo hat am Freitag ihren zweiten Olympiasieg nach 2016 eingefahren. Die Ausnahmeathletin von den Bahamas siegte in Tokio überlegen. Bronze ging an Allyson Felix, die mit ihrem zehnten olympischen Edelmetall Geschichte schrieb. Auch die Kenianerin Faith Kipyegon verteidigte ihren Olympiasieg von Rio erfolgreich und verurteilte damit die Triple-Mission von Sifan Hassan zum Scheitern. Aus deutscher Sicht sorgte Geher Jonathan Hilbert mit Sensations-Silber über 50 Kilometer für einen Erfolg.
Svenja Sapper mit dpa

Olympische Spiele 2021 kompakt

Der Freitag begann aus deutscher Sicht bereits mit einem Paukenschlag: Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie) holte über 50 Kilometer völlig überraschend mit Silber die erste deutsche Olympiamedaille im Gehen seit 29 Jahren. In einem taktisch optimal eingeteilten Rennen, das aufgrund der klimatischen Bedingungen in Japan nicht in Tokio, sondern in Sapporo ausgetragen wurde, hielt sich der DLV-Athlet durchgehend im vorderen Teil des Teilnehmerfeldes auf und konnte sich 700 Meter vor dem Ziel im Kampf um die Silbermedaille in 3:50:44 Stunden absetzen. Lediglich den Polen Dawid Tomala (3:50:08 h) konnte Hilbert nicht mehr einholen, Bronze sicherte sich der Kanadier Evan Dunfee (zum Video).

„Es ist ein Wahnsinnsgefühl für die Mannschaft. Man findet kaum Worte, der Jonathan hat ein unglaubliches Ding gemacht“, sagte Bundestrainer Ronald Weigel, 1992 in Barcelona (Spanien) selbst mit olympischem Edelmetall dekoriert. „Wahnsinn, ich bin unglaublich stolz“, sagte auch Hilbert selbst – und dankte seiner Freundin, die ihn mit handgeschriebenen Aufmunterungsbriefen und vielen Facetime-Calls unterstützt hatte: „Das ist auch für dich, Anna!“

Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden; 4:07:18 h) und Nathaniel Seiler (TV Bühlertal; 4:15:37 h) belegten die Plätze 33 und 42. Über 20 Kilometer der Frauen kam die einzige DLV-Geherin Saskia Feige (SC Potsdam) beim Sieg der Italienerin Antonella Palmisano nicht ins Ziel.

Christin Hussong verpasst Endkampf um zwei Zentimeter

Christin Hussong musste hingegen eine Enttäuschung hinnehmen. Die Deutsche Meisterin im Speerwurf erwischte im Finale keinen guten Tag: Keiner der drei Würfe der Zweibrückerin flog über die 60-Meter-Marke. Mit 59,94 Metern landete sie zwei Zentimeter hinter der Australierin Mackenzie Little auf dem neunten Rang und bekam somit keine weiteren drei Versuche. „Es war einfach schlecht, technisch schlecht, was ich gemacht habe“, zeigte sich die Europameisterin selbstkritisch. „Das ist sehr, sehr beschissen, wenn so etwas im Olympia-Finale passiert.“

Neue Olympiasiegerin ist die Chinesin Shiying Liu, die gleich im ersten Versuch ihre Siegweite von 66,34 Metern erzielte. Silber gewann die Weltjahresbeste Maria Andrejczyk aus Polen (64,61 m), die Bronzemedaille ging mit Kelsey-Lee Barber (Australien; 64,56 m) an die Weltmeisterin von 2019.

Zehnte Olympiamedaille für Allyson Felix

Einen überlegenen Sieg fuhr über 400 Meter der Frauen Titelverteidigerin Shaunae Miller-Uibo (Bahamas) ein. Ihren eigenen Nordamerikarekord verbesserte sie um eine Hundertstel auf 48,36 Sekunden. Nach der Französin Marie-José Perec (1992/1996) ist Miller-Uibo erst die zweite Frau, die ihren Olympiasieg über 400 Meter wiederholen konnte. War der Sieg in Rio (Brasilien) 2016 noch knapp gewesen, fiel er dieses Mal deutlich aus: Rang zwei ging mit nationalem Rekord an Marileidy Paulino aus der Dominikanischen Republik (49,20 sec).

Bronze sicherte sich bei ihren fünften Olympischen Spielen die US-amerikanerische Rekordsprinterin Allyson Felix. In 49,46 Sekunden verpasste die 35-Jährige ihre sechs Jahre alte Bestzeit über die Stadionrunde lediglich um zwei Zehntelsekunden und schrieb damit olympische Geschichte: Mit ihrer zehnten Olympiamedaille zog sie mit ihrem Landsmann Carl Lewis gleich. Der frühere Sprinter und Weitspringer holte ebenfalls zehn Medaillen. Felix ist jedoch nun die einzige Frau, die solch eine Anzahl an Gold, Silber und Bronze sammeln konnte. „Ich bin stolz, es bis hierher geschafft zu haben“, sagte Felix. „Es hat Zeiten gegeben, in denen ich dachte, ich würde diesen Moment nicht erleben.“

Sifan Hassan kann nicht kontern

Dreimal Olympiagold – das hatte sich Sifan Hassan für ihre drei Starts über 1.500, 5.000 und 10.000 Meter vorgenommen. Über 5.000 Meter hatte die Niederländerin bereits triumphiert und legte auch über die 1.500 Meter direkt schnell los: Von der Spitze weg bestimmte die Weltmeisterin das Tempo.

Doch die Taktik erwies sich als nicht optimal, denn Titelverteidigerin Faith Kipyegon blieb Hassan stets auf den Fersen und zog schließlich vorbei. So triumphierte auch über diese Strecke die Olympiasiegerin von Rio erneut – olympischen Rekord (3:53,11 min) gab es obendrauf. Mit einem starken Finish sicherte sich Europameisterin Laura Muir Silber in britischer Rekordzeit (3:54,50 min) und somit ihr erstes Edelmetall bei einer globalen Freiluftmeisterschaft. Hassan blieb in 3:55,86 Minuten Bronze.

Fast genau ein Jahr ist es her, dass Joshua Cheptegai aus Uganda den 5.000-Meter-Weltrekord auf 12:35,36 Minuten verbesserte. Nun krönte sich der 24-Jährige in Tokio zum Olympiasieger über diese Distanz: 600 Meter vor dem Ziel attackierte er die Spitzenposition und rannte in 12:58,15 Minuten zum Sieg. Den olympischen Rekord seines Vorgängers als Weltrekordhalter Kenenisa Bekele (Äthiopien), der bei 12:57,82 Minuten steht, verfehlte er nur um wenige Zehntel. Der WM-Dritte Mohammed Ahmed aus Kanada (12:58,61 min) konnte über Silber jubeln. Auf den dritten Rang rannte der Olympia-Zweite von 2016, Paul Chelimo aus den USA (12:59,05 min), der Bronze vor dem heraneilenden Kenianer Nicholas Kipkorir Kimeli (12:59,17 min) über die Ziellinie rettete.

Jamaika überlegen, Italiens Sprintstaffel triumphiert überraschend

Die zweitschnellste jemals gelaufene Zeit zauberten Jamaikas Sprinterinnen auf die Bahn: Briana Williams und die drei 100-Meter-Medaillengewinnerinnen Elaine Thompson-Herah, Shelly-Ann Fraser-Pryce und Shericka Jackson rannten die 4x100 Meter in 41,02 Sekunden und waren damit nicht zu schlagen. Silber ging in 41,45 Sekunden an die USA vor Großbritannien (41,88 sec). Das deutsche Quartett mit Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar), Alexandra Burghardt (LG Wacker Gendorf Burghausen), Tatjana Pinto (LC Paderborn) und Gina Lückenkemper (SCC Berlin) kam knapp hinter der Schweiz (42,08 sec) in 42,12 Sekunden auf dem fünften Rang ein. Seit 2012 belegte das DLV-Quartett in unterschiedlicher Besetzung bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen stets den vierten oder fünften Rang, muss aber weiter auf globales Edelmetall warten.

So souverän das jamaikanische Quartett über die 4x100 Meter seiner Favoritenrolle gerecht wurde, so überraschend war der Ausgang des 4x100-Meter-Rennens bei den Männern. Nachdem das US-Team bereits im Vorlauf ausgeschieden war, duellierten sich zwei europäische Mannschaften um den Olympiasieg. Italien mit 100-Meter-Sprintkönig Lamont Marcell Jacobs und Unter-10-Sekunden-Mann Filippo Tortu hielt in 37,50 Sekunden schließlich Großbritannien um eine Hundertstelsekunde auf Distanz. Landesrekord für Italien und nicht weit weg vom Europarekord (37,36 sec). Zudem darf Italien mittlerweile fünf Goldmedaillen in der Leichtathletik bei diesen Olympischen Spielen feiern.

Kanada sicherte sich mit 200-Meter-Olympiasieger Andre de Grasse auf der Schlussposition Bronze (37,70 sec). Für Deutschland gab es Rang sechs hinter China (37,79 sec) und Titelverteidiger Jamaika (37,84 sec). Der deutsche 100-Meter-Rekordler Julian Reus (LC Top Team Thüringen) erlebte im Team mit Joshua Hartmann (ASV Köln), Deniz Almas (VfL Wolfsburg) und Lucas Ansah-Peprah (Hamburger SV) in 38,12 Sekunden einen zufriedenstellenden Karriereabschluss.

Konkurrenz zu schnell für Deutschlands Viertelmeiler

Ihren Erwartungen nicht gerecht geworden ist die 4x400-Meter-Staffel der Männer: In 3:03,62 Minuten blieben Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz), Luke Campbell (Eintracht Frankfurt), Jean-Paul Bredau (SC Potsdam) und der Deutsche Meister Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund) knapp zwei Sekunden über ihrer Saisonbestleistung, belegten damit im Vorlauf den letzten Platz und mussten ihre Finalträume begraben.

Für den Einzug in den Endlauf wäre allerdings ein deutscher Rekord notwendig gewesen – mit einer Zeit von 2:59,37 Minuten wurde der letzte Finalplatz vergeben, die nationale Bestmarke steht bei 2:59,86 Minuten aus dem Jahr 1985. Am schnellsten: Die Favoriten aus den USA in 2:57,77 Minuten vor Botswana, deren Quartett einen Afrikarekord (2:58,33 min) aufstellte.

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