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Hawa Jalloh: Mit neuem Selbstbewusstsein Richtung Ulm

Hawa Jalloh bei der Kurpfalz-Gala Weinheim beim Überqueren einer Hürde, die mit "Sepp-Herberger-Stadion" beschriftet ist. © Stefan Mayer
Hawa Jalloh hat für sich einen neuen Weg gefunden. Eingeschlagen im Herbst vergangenen Jahres. Die Hürdensprinterin wechselte nach zwei schwierigen Jahren in die Trainingsgruppe von Sebastian Bayer nach Mannheim. Bereits in der Hallensaison deutete sie ihr neues Potenzial an, an das sie nun im Sommer mit Zeiten unter 13 Sekunden weiter anknüpft. Ziel ist ein Startplatz bei der U23-EM in Bergen – die Krönung wäre ein WM-Ticket.
Sandra Arm

Ihr Start beim 15. Internationalen Sparkassenmeeting in Osterode ist ihr letzter vor den Deutschen U23-Meisterschaften in Ulm (4. bis 6. Juli). Hawa Jalloh (Wiesbadener LV) möchte ihre gute Form bestätigen, nochmal in Richtung 13 Sekunden laufen. So wie in Regensburg, als die 22-Jährige erstmals unter 13 Sekunden blieb – 12,99 Sekunden im Vorlauf, 12,92 Sekunden im Finale. „Ich habe mich an diesem Tag schon sehr gut gefühlt. Es war warm, Wärme liegt mir generell. Wenn es heiß ist, dann denke ich immer, das wird ein guter Tag“, erinnert sich Hawa Jalloh zurück. 

Genau jener Tag wurde einer voller tiefer Emotionen. Sie lief sich frei. Frei von einer Last. „Bereits im Vorlauf bin ich gut ins Hürdenlaufen gekommen. Hinten raus waren noch ein paar Fehler, aber es war genau das Hürdensprinten, was mir 2023 und 2024 gefehlt hat. Im Finale habe ich nicht viel nachgedacht und wollte es genauso wie im Vorlauf machen. Die Zeiten waren so eine Erleichterung, die ganze Arbeit hat sich ausgezahlt“, sagt sie. Sie weiß, diese Zeiten sind nicht selbstverständlich. Nicht nach zwei schwierigen Jahren, in denen sie mit Verletzungen kämpfte, einiges hinterfragte und schließlich eine Entscheidung traf.

Zwei Jahre von Verletzungen geplagt

Der Bruch kam für sie nach einem „sehr guten und erfolgreichen Jahr 2022“. Bei den U20-Weltmeisterschaften in Cali (Kolumbien) wurde sie Fünfte, national DM-Vierte und Deutsche U20-Meisterin. „Nach diesem Jahr war ich sehr motiviert und ready für 2023“, erzählt Hawa Jalloh. Doch dann folgte ein schmerzhafter Rückschlag „Ich war zu Beginn des neuen Jahres mit dem Nationalteam im Trainingslager auf Gran Canaria. Das Training lief gut. Im letzten Lauf über die Hürden gab es so einen Umsprung im hinteren Teil meines Oberschenkels. Zunächst habe ich nichts gemerkt, dachte, es ist nichts Schlimmes. Ich konnte schließlich normal weitertrainieren.“

Zur Sicherheit ließ sie diese Stelle nach ihrer Rückkehr durch ein MRT etwas genauer überprüfen. Eine Sehnenruptur als Diagnose brachte sie innerlich aus dem Gleichgewicht. „Ich hatte vier Monate Reha und das Hürdengefühl war danach einfach nicht mehr da. Für mich war es unheimlich schwer, wieder reinzukommen. Ich habe es im Sommer 2023 probiert, aber es hat sich nicht wie richtiger Hürdensprint angefühlt.“ Damit war die Saison abgehakt.

2024 begann hoffnungsvoll, mit zwei Trainingslagern. Aber auch hier wollte sich das Hürdengefühl – „das Risiko einfach drauf und ballern“ – partout nicht einstellen. „Es ging irgendwie nicht voran. Die letzten zwei Jahre waren nicht das, was ich draufhatte. Im Training habe ich es noch ganz gut hinbekommen, aber nicht auf die Bahn bringen können“, sagt Hawa Jalloh.

Neues Kapitel in Mannheim

Wieder ein Jahr ohne Fortschritt. In solch einer Situation gerät man leicht ins Grübeln. Hawa Jalloh entschied sich, mutig zu sein. Mutig für ein neues Kapitel. „Ich dachte: Alles oder nichts, jetzt setzt du alles auf eine Karte und greifst nochmal richtig an. Ich wollte für mich einen neuen Reiz setzen und mal was Neues ausprobieren.“ Ein Wechsel schien unausweichlich. Zwei Optionen kamen in Frage: Leverkusen oder Mannheim. Sie machte sich die Entscheidung nicht leicht. Zumal beide Trainingsgruppen starke, erfahrene Hürdensprinterinnen in ihren Reihen haben. 

Ihr Entschluss fiel sozusagen auf den letzten Drücker. „Ich wollte gern in der Nähe meiner Familie bleiben. Das war für mich Priorität. Letztlich habe ich mich für Mannheim entschieden, weil es doch näher an meinem Zuhause in Mainz liegt“, begründet sie ihre Wahl. Hürden-Bundestrainer Sebastian Bayer hat in Mannheim ein starke Trainingsgruppe formiert. Zu der unter anderem Hürdensprinterin Ricarda Lobe (MTG Mannheim), die Sprinter Owen Ansah, Lucas Ansah-Peprah (beide Hamburger SV) sowie Julian Wagner (TV Wattenscheid 01), Sprinterin Sina Kammerschmitt sowie die Weitspringer Simon Batz und Oliver Koletzko (alle MTG Mannheim) gehören. 

„Wir haben eine starke Trainingsgruppe, die einen motiviert. Für einen selbst ist es Motivation da vorn mitzurennen, immer 100 Prozent zu geben und nicht aufzugeben. Sie haben mir alle geholfen, mein Selbstbewusstsein zu finden und wieder aufzubauen“, zeigt sich Hawa Jalloh dankbar. Im Training ist Ricarda Lobe eine starke Partnerin – ihr Bezugspunkt, ihre Motivation. „Sie ist unter uns Hürdensprinterinnen die Ältere, diejenige, die am meisten Erfahrung hat. Ich finde es zudem toll, dass sie immer noch mit uns mitrennen und uns ärgern kann.“

Teil der neuen Hürden-Generation

Nach Beendigung ihrer sportlichen Laufbahn hinterließen die Hürdensprinterinnen Cindy Roleder und Pamela Dutkiewicz-Emmerich eine große Lücke, die sich nun immer weiter schließt. Hinter der erfahrenen Ricarda Lobe gruppieren sich eine Reihe hoffnungsvoller Talente wie Rosina Schneider (TV Sulz), Marlene Meier, Franziska Schuster (beide TSV Bayer 04 Leverkusen), Naomi Krebs (LG Stadtwerke München), Amira Never (LAC Erdgas Chemnitz) und Lia Flotow (1. LAV Rostock). „Das macht einfach nur Spaß und motiviert. Genau das brauchen wir im deutschen Hürdensprint, um uns weiterzuentwickeln und die Lücke schließen zu können. Wir liegen alle relativ eng zusammen“, beschreibt Hawa Jalloh die Konkurrenzsituation.

Umso packender wird der Kampf um die drei Tickets für die U23-EM in Bergen (Norwegen; 17. bis 20. Juli), der bei der U23-DM in Ulm entschieden wird. Sechs Athletinnen blieben bisher unter der Norm von 13,30 Sekunden. Hawa Jalloh ist eine der aussichtsreichen Kandidatinnen, der EM-Start das nächste große Ziel. „Ich denke, wir haben dort als deutsche Läuferinnen gute Chancen auf das Finale und sogar eine Medaille, wenn es gut läuft“, blickt sie bereits dem internationalen Höhepunkt entgegen. Ein Ziel hat sie jetzt schon abgehakt. Nämlich unter 13 Sekunden zu laufen. 

Die Zeit brachte ihr außerdem die Leistungsbestätigungsnorm für die Weltmeisterschaften in Tokio (Japan; 13. bis 21. September). „Über die WM in Tokio habe ich mit meinem Trainer noch gar nicht groß gesprochen, weil wir gesagt haben, erst die U23-EM und dann schauen wir weiter. Unmöglich ist es nicht, weil es angesichts der Trainingsleistungen durchaus passieren könnte.“ Doch auch hier drängt sich mittlerweile die Konkurrenz – fünf Hürdensprinterinnen haben die Bestätigungsnorm erfüllt. „Es geht hier nur darum, wer über die Punkte der Weltrangliste reinkommt. Wichtig sind die Deutschen Meisterschaften, noch besser die direkte Norm von 12,73 Sekunden. Für mich ist das noch ein gutes Stück“, meint Hawa Jalloh.

Neues Leistungsniveau und eine Portion Selbstvertrauen

In Osterode erwischte sie zuletzt keinen runden Lauf. „Das war eher auf Kraft, zu viel gewollt. Nicht alle Rennen können rund laufen.“ Auch wenn sie gern nochmal ihre gute Form bestätigen wollte. Eigentlich sollte ihr der Wettkampf ein gutes Gefühl für die U23-DM geben. „Jetzt geht es darum, cool zu bleiben, sein Ding zu machen. Ich weiß, was ich draufhabe, und das Training der letzten Wochen lief gut“, lässt sie sich nicht beirren.

Entspannt wird Hawa Jalloh trotzdem nicht im Startblock sitzen, eine gewisse Angespanntheit gehöre einfach dazu. Aber sie vertraue auf ihr zurückgewonnenes Selbstbewusstsein und ihr neues Leistungsniveau, das sie sich nach zwei schwierigen Jahren hart erarbeitet hat – und wer weiß, welche emotionalen Momente dieser Sommer noch für sie bereithält.

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