| Interview der Woche

Gregor Traber: „Ich bin noch nicht fertig!“

Zwei Jahre lang kämpfte Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen) mit Verletzungen. Nun meldete sich der 29-Jährige am Samstag in Chemnitz mit 7,62 Sekunden über 60 Meter Hürden mit dem schnellsten Saisoneinstieg seiner Karriere zurück. Im Interview spricht der EM-Fünfte von Berlin über die Gründe für den Erfolg, Gedanken an ein Karriereende und warum eine lautstarke Aussprache nach dem Olympia-Aus in Tokio entscheidende Folgen hatte.
Martin Neumann

Gregor Traber, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Saisoneinstieg mit 7,62 Sekunden am Samstag in Chemnitz.

Gregor Traber:

Vielen Dank.

Hatte sich Ihr stärkster Saisoneinstand der Karriere denn schon im Training angedeutet?

Gregor Traber:

Ich habe schon damit geliebäugelt, dass es unter 7,70 Sekunden gehen könnte. Das Training lief gut in den vergangenen Wochen. Ich bin schnell und auch explosiv. So konnte ich zuletzt meine Bestleistung beim Umsetzen im Krafttraining auf 142,5 Kilo steigern. Das ist immer ein gutes Signal. Außerdem ist meine Technik sehr stabil, ich habe einfach ein gutes Gefühl über der Hürde.

Haben Sie denn schon in den Rennen in Chemnitz gespürt, dass Sie so schnell unterwegs waren?

Gregor Traber:

Speziell das erste Rennen war hinten raus sehr gut. Ich war aktiv und sehr geschmeidig. Aber ich bin auch nicht über mich hinausgewachsen. Ich denke, dass ich mich noch steigern kann. Denn erfahrungsgemäß wird man ja im Verlauf der Saison schneller, wenn der Feinschliff richtig passt und man auch die Rennroutine hat. Fest steht: Ich kann mich auf ein gutes Basis-Paket verlassen. Dann macht es auch Spaß, sich im Wettkampf zu messen.

Nach Ihrem Vorlauf-Aus bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio haben Sie auf weitere Starts im Sommer verzichtet. Wie sind Sie danach die Vorbereitung auf diese Hallensaison angegangen?

Gregor Traber:

Mein Trainer Alexander John und ich haben uns nach dem Aus in Tokio offen ausgesprochen. Direkt auf dem Aufwärmplatz. Er hat gesagt, dass ich nebenbei zu viel mache, beispielsweise im Studium. Das wollte ich natürlich damals nicht hören. Aber dieser Anstoß hat einen Prozess in Gang gesetzt. Mittlerweile ist die Uni zweite Priorität, aktuell belege ich nur einen Kurs. Das tut mir gut, weil mein Körper die nötige Regeneration braucht. Die habe ich ihm oft nicht gegeben, weil ich abends noch für die Uni gearbeitet habe. Mittlerweile ist mir klar: Studium und Beruf laufen mir nicht weg. Ich habe bereits zwei Bachelor-Abschlüsse in BWL und Psychologie. Nach der Karriere steht der Master-Abschluss in Psychologie an.

Das hört sich so an, als hätten Sie sich schon bewusst mit dem Karriereende beschäftigt?

Gregor Traber:

Das habe ich auch. Ich habe schon lange überlegt, ob ich nach 2021 aufhören soll. Bei dem Aufwand muss mehr rauskommen als eine 13,65 Sekunden im Olympia-Vorlauf. Dafür reiße ich mir nicht jeden Tag den Hintern auf. Man darf nicht vergessen: Ich bin schon mit 19 Jahren 7,59 Sekunden gelaufen und habe 2016 in Rio nur um zwei Hundertstel das Olympia-Finale verpasst. An solchen Leistungen möchte ich mich messen. In Tokio haben mir vier Hundertstel zum Halbfinale gefehlt, das ist nicht mein Anspruch. Kurz gesagt: Ich habe nach Tokio lange in mich reingehört. Und ich habe die Chance gesehen, noch einmal anzugreifen. Ich bin noch nicht fertig, es steckt noch viel Energie in mir. Außerdem bin ich mit 29 Jahren im besten Alter für einen Hürdensprinter. Denn für diese Disziplin benötigt man Erfahrung. Ich werde nun von Jahr zu entscheiden, ob ich die folgende Saison noch in Angriff nehme.

In den vergangenen Jahren wurden Sie immer wieder von Verletzungen ausgebremst. Wie geht es Ihnen aktuell und haben Sie in der Trainingsgestaltung auf diese Rückschläge reagiert?

Gregor Traber:

Das stimmt, ich wurde schon einige Male zurückgeworfen. Mal war es der Rücken, dann der Fuß oder das Schambein. 2020 musste ich dann am Knie operiert werden. Momentan geht es mir gut, das Training läuft. Sonst wäre ich in Chemnitz ja auch nicht 7,62 und 7,66 Sekunden gelaufen. Wir haben in der Gruppe mittlerweile ein „On-Off-Training“ etabliert. Das heißt: Auf einen Tag mit intensiver Belastung folgt ein ruhiger Tag. Das tut meinem Körper gut. Nichtsdestotrotz musste ich erst einmal wieder die intensiven Belastungen verkraften und in Leistung umsetzen. Wenn ich auf die vergangenen Monate zurückblicke, kann ich sagen: Es war die härteste Vorbereitung meiner Karriere, aber sie hat Spaß gemacht. An dieser Stelle möchte ich meinen Trainern Alexander John und Ronald Stein ein riesiges Dankeschön aussprechen, ebenso unserem Team-Chiropraktiker Sven Knipphals. Sie stehen wie eine Wand hinter mir! Außerdem profitiere ich extrem vom Rückhalt in meiner Trainingsgruppe mit Deniz Almas, Marvin Schulte, Martin Vogel und Anne Weigold, um nur ein paar Namen zu nennen.

Um Ihre Zeit aus Chemnitz einzuordnen: Sie waren in Ihrer langen Karriere erst fünfmal schneller. Was ist für Sie in der Hallensaison noch möglich?

Gregor Traber:

Ich habe es genossen, mit 7,62 Sekunden in die Saison einzusteigen. Mein Ziel für den Winter ist eine Zeit unter 7,60 Sekunden. Da bin ich jetzt schon sehr dicht dran. Wichtig sind konstante Zeiten in dem Bereich von Chemnitz. Dann kann immer ein Ausrutscher kommen. Natürlich wäre es toll, nach acht Jahren meine Bestzeit von 7,56 Sekunden zu steigern. Ich bin bereit, dafür alles in die Waagschale zu werfen. Die nächsten Rennen stehen für mich am Freitag beim Meeting in Karlsruhe an, eine Woche später folgt das ISTAF Indoor in Berlin. Ich hoffe, dass ich noch in weitere Top-Meetings reinkomme. 7,62 Sekunden sind dafür natürlich eine gute Visitenkarte.

In welchen Bereichen müssen Sie in den kommenden Wochen noch verstärkt arbeiten, um in die Nähe Ihrer angesprochenen Bestzeit zu kommen?

Gregor Traber:

Die Form muss noch ein wenig ausreifen. Außerdem muss ich vorn an den ersten zwei, drei Hürden konsequenter sein. Wenn ich vorn schneller anschiebe, geht es in der Regel auch hinten besser. Das sind nur Nuancen, aber die addieren sich über 60 Meter Hürden schnell auf ein paar Hundertstel. Wichtig ist: Ich kann wieder uneingeschränkt trainieren, auch viele Läufe über Hürden. Was ja aufgrund der Blessuren in den vergangenen Jahren nicht immer möglich war.

Nach der Hallen- ist vor der Freiluftsaison. Wie wollen Sie den Sommer mit WM in Eugene und EM in München angehen?

Gregor Traber:

Mit der Sommersaison habe ich mich noch gar nicht beschäftigt. Ich denke an die kommenden Wochen, nicht an die kommenden Monate. Ich bin im Hier und Jetzt. Natürlich ist der Sommer wichtiger, aber trotzdem hat die Halle für mich eine große Bedeutung. Ich kann dort wieder Routinen schaffen und zeigen: Ich bin wieder da!

Vor vier Jahren bei der EM in Berlin haben Sie als Fünfter schon an einer internationalen Medaille geschnuppert. Inwieweit treibt Sie diese noch fehlende internationale Medaille im täglichen Training an?

Gregor Traber:

Eigentlich gar nicht. Ich möchte vielmehr sehen, wie schnell ich laufen kann. Klar ist es schön, in großen Rennen zu performen. Wie 2014 in Sopot oder 2018 Berlin. Ich bin immer noch heiß wie Frittenfett, in der Halle unter 7,56 Sekunden zu laufen und im Sommer unter 13,30 Sekunden. Wenn du in einem Finale Bestzeit läufst, hast du vieles richtiggemacht. Wenn an diesem Tag dann doch drei oder vier Konkurrenten schneller sind, ist es so.

Statistik: Die zehn schnellsten 60-Meter-Hürden-Rennen von Gregor Traber

7,56 sec, Sopot (POL), 09.03.2014
7,58 sec, Sopot (POL), 09.03.2014
7,59 sec, Karlsruhe, 25.02.2012
7,59 sec, Leipzig, 22.02.2020
7,61 sec, Leipzig, 22.02.2020
7,62 sec, Leipzig, 16.02.2019
7,62 sec, Chemnitz, 22.01.2022
7,64 sec, Leipzig, 16.02.2019
7,65 sec, Berlin, 01.02.2019
7,66 sec, Karlsruhe. 25.02.2012

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