Der große Disziplin-Check 2015 - Marathon Frauen

Das Leichtathletik-Jahr 2015 neigt sich dem Ende entgegen. Hinter Athleten, Trainern und Fans liegen Monate voller Höhepunkte, mit internationalen Meisterschaften der U18, U20 und U23 sowie mit Hallen-EM und WM der Aktiven. Die abschließenden leichtathletik.de-Analysen zeigen, wie sich die einzelnen Disziplingruppen 2015 präsentiert haben. Heute: Marathon Frauen.

Christian Fuchs

2015 im Rückblick

Die Hahner-Twins haben das Kommando in der deutschen Frauen-Marathonszene. Lisa Hahner meldete sich beim Frankfurt-Marathon mit der deutschen Jahresbestzeit von 2:28:39 Stunden eindrucksvoll zurück, nachdem sie zwei Jahre davor an gleicher Stelle ihren letzten Marathon beendet hatte. Zur Olympianorm fehlten ihr nur neun Sekunden.

Ihre Zwillingsschwester Anna ging dreimal für die 42,195 Kilometer an die Startlinie: Erst in Wien (2:30:50 h), dann als Olympia-Appetithappen in Rio de Janeiro (2:38:42 h) und schließlich noch auf den schnellen Straßen von Berlin (2:30:19 h). Die Olympianorm kam dabei noch nicht in Reichweite.

Mit Verletzungsproblemen hatte Sabrina Mockenhaupt zu kämpfen. Die Siegerländerin musste sich wenige Wochen nach ihren 2:32:42 Stunden von Hamburg sogar einer Fußoperation unterziehen. Nach einem lockeren Test beim Bottwartal-Marathon (2:43:27 h) lief sie nun beim Marathon in Valencia (Spanien) auf Platz fünf (2:30:44 h) und schöpfte wieder neue Hoffnung.

Schnellste des Jahres ist die 34-Jährige im Halbmarathon. Dort führt Sabrina Mockenhaupt mit einer Zeit von 1:11:13 Stunden die Jahresbestenliste vor der Kasselerin Simret Restle-Apel (1:12:26 h) an. Überhaupt zeigt diese Statistik eine große Breite: Fünf Athletinnen blieben unter 1:14:00 Stunden. Dort liegt auch die Mannschaftsnorm für die Halbmarathon-EM in Amsterdam (Niederlande).

Wie bei den Männern der Wermutstropfen: Die Weltmeisterschaft in Peking (China) ging ohne deutsche Beteiligung über die Bühne.

Unsere Top Drei

<link http: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail lisa-hahner>Lisa Hahner

run2sky.com, 25 Jahre
SB/PB: 2:28:39 h
DM: 1. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 17.
Welt-Jahresbestenliste: 109.

Anna Hahner

run2sky.com, 25 Jahre
PB: 2:26:44 h
SB: 2:30:19 h
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 30.
Welt-Jahresbestenliste: 145.

<link http: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail sabrina-mockenhaupt zum athletenporträt von sabrina>Sabrina Mockenhaupt

LG Sieg, 34 Jahre
PB: 2:26:21 h
SB: 2:30:44 h
DM: 2. Platz (10 km)
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 31.
Welt-Jahresbestenliste: 156.

Unsere Hoffnungsträgerin

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail franziska-reng zum athletenporträt von alina>Franziska Reng

LG Telis Finanz Regensburg, 19 Jahre
SB/PB: 33:53 min (10 km)

Die Zukunft der Regensburgerin könnte auf der Straße liegen. Im kommenden Frühjahr plant die 19-Jährige ihr Halbmarathon-Debüt. Mittel- oder zumindest langfristig dürfte der Marathon ein spannendes Thema für die Blondine werden. Bundestrainerin Katrin Dörre-Heinig hat den Namen der U20-EM-Neunten (10.000 m) bereits im Notizblock.

Der Pechvogel

<link http: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail katharina-heinig zum athletenporträt von corinna>Katharina Heinig

LG Eintracht Frankfurt, 26 Jahre
SB/PB: 34:33 min (10 km)

Im letzten Jahr war Katharina Heinig noch die Nummer drei der deutschen Bestenliste und nach einer Steigerung ihrer Bestzeit auf 2:33:56 Stunden bei der EM am Start. Im vergangenen Juni musste sie sich nach anhaltenden Beschwerden an der Ferse operieren lassen. Doch jetzt gibt es wieder positive Nachrichten: "Dem Fuß geht es gut."

2016 im Ausblick

Für die Halbmarathon-EM in Amsterdam zeichnet sich bereits eine Mannschaft ab. Mindestens sechs Läuferinnen haben reelle Chancen, zum Stichtag im Mai unter der Team-Norm von 1:14:00 Stunden zu liegen. Damit wäre es nur logisch, dass am Ende alle fünf Startplätze besetzt sind.

Mit Blick auf die Olympischen Spiele sieht es anders aus. Die Norm von 2:28:30 Stunden ist noch unangetastet. Lisa Hahner war knapp dran und könnte bei freien Startplätzen durchaus per Ausnahmeantrag vom DLV für eine Olympia-Nominierung vorgeschlagen werden.

Noch kann der Kampf um die Olympia-Qualifikation im Frühjahr aber Fahrt aufnehmen. Vor allem Anna Hahner und Sabrina Mockenhaupt haben in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass die Normvorgabe eine lösbare Aufgabe ist.

Interessant könnte die Personalie Fate Tola Geleto werden. Die Äthiopierin, die für die LG Braunschweig startet, strebt die Einbürgerung an. Bekommt sie dann auch die Startfreigabe für Deutschland, hätte sie die Olympianorm bereits erfüllt, nachdem sie in Berlin eine Zeit von 2:28:24 Stunden gelaufen war.

Das sagt die Bundestrainerin

Frau Dörre-Heinig, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2015 aus?

Katrin Dörre-Heinig:

Wie bei den Männern gab es leider auch bei den Frauen keine WM-Teilnehmerin im Marathon. Das hatte auch mit einigen zwischenzeitlich Verletzten wie Sabrina Mockenhaupt und Lisa Hahner zu tun. Das ist ein gravierender Einschnitt, wenn man ohnehin keinen großen Kader hat. Für absolut positive Eindrücke hat dann aber der erfolgreiche Wiedereinstieg von Lisa Hahner beim Marathon in Frankfurt mit ihrer Zeit von 2:28:39 Stunden gesorgt. Bemerkenswert ist auch die Verbesserung von Melina Tränkle auf 1:13:44 Stunden im Halbmarathon. Dort konnten sich auch Athletinnen wie Simret Restle-Apel oder Anja Schneider-Scherl in Szene setzen, so dass man hier ein positives Fazit ziehen kann.

Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?

Katrin Dörre-Heinig:

Dass Lisa Hahner nach einer rund zweijährigen Marathonpause eine Zeit von 2:28:39 Stunden gelaufen ist, war für mich das Highlight. Das war aus meiner Sicht die stärkste Leistung. Sie trainiert sehr hart. Es war auch bei ihr eine Gratwanderung. Wenn sie dann durchkommt, ist mit einer sehr starken Leistung zu rechnen.

Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die EM- und Olympia-Saison 2016?

Katrin Dörre-Heinig:

Ich blicke sehr positiv auf die Halbmarathon-EM in Amsterdam. Wenn die Besten zur Verfügung stehen, hätten wir eine richtig starke Mannschaft. Mit Simret Restle-Apel, Anna Hahner, Anja Schneider-Scherl und Melina Tränkle gibt es bereits einige Kandidatinnen, die mindestens schon die B-Norm haben. Wenn alle starten, so kann ich mir ein Mannschaftsergebnis auf dem Treppchen vorstellen. Im Einzel ist das noch schwer vorherzusagen. Mit dem Blick auf Olympia hoffe ich, dass Lisa und Anna Hahner im Frühjahr wieder angreifen. Auch Simret Restle-Apel hätte nach ihrer Halbmarathonzeit eine Chance. Bei Sabrina Mockenhaupt muss man abwarten, ob sie sich für den Marathon entscheidet.

Zahlen und Fakten

Die Jahresbesten

2:28:39 h - Lisa Hahner (run2sky.com)
2:30:19 h - Anna Hahner (run2sky.com)
2:30:44 h - Sabrina Mockenhaupt (LG Sieg)
2:33:54 h - Mona Stockhecke (LT Haspa-Marathon Hamburg)
2:36:31 h - Anja Schneider-Scherl (LG Telis Finanz Regensburg)
2:37:48 h - Simret Restle-Apel (PSV GW Kassel)
2:40:26 h - Julia Viellehner (TSV Altenmarkt)
2:40:59 h - Jana Groß-Hardt (LAZ Rhede)
2:41:47 h - Steffi Volke (LG Telis Finanz Regensburg)
2:42:06 h - Tinka Uphoff (Spiridon Frankfurt)

Internationale Endkampf-Platzierungen 2015

WM: keine Teilnahme
bei den anderen Saisonhöhepunkten kein Marathon

Entwicklung des Spitzenniveaus

Jahr	Athleten < 2:28,00	Schnitt Top Ten
2005	Luminita Zaituc (2:26:44)	2:39:35
2006	keine	2:37:32
2007	Irina Mikitenko (2:24:51)	2:34:08
2008	Irina Mikitenko (2:19:19), Sabrina Mockenhaupt (2:26:26)	2:33:13
2009	Irina Mikitenko (2:22:11)	2:35:23
2010	Sabrina Mockenhaupt (2:26:21), Irina Mikitenko (2:26:40)	2:39:01
2011	Irina Mikitenko (2:22:18)	2:37:55
2012	Irina Mikitenko (2:24:54)	2:35:47
2013	Irina Mikitenko (2:24:53), Anna Hahner (2:27:55)	2:33:32
2014	Anna Hahner (2:26:44)	2:41:02
2015	keine	2:36:19

Entwicklung Jahresbestleistungen

Jahr	Deutschland	Europa	Diff.	Welt	Diff.
2005	2:26:44 (L. Zaituc)	2:17:42 (Radcliffe/GBR)	9:02	2:17:42 (Radcliffe/GBR)	9:02
2006	2:28:30 (L. Zaituc)	2:20:47 (Bogomolova/RUS)	7:43	2:19:36 (Kastor/USA)	8:54
2007	2:24:51 (I. Mikitenko)	2:23:09 (Radcliffe/GBR)	1:42	2:20:38 (Zhou/CHN)	4:13
2008	2:19:19 (I. Mikitenko)	2:19:19 (I. Mikitenko)	0:00	2:19:19 (I. Mikitenko)	0:00
2009	2:22:11 (I. Mikitenko)	2:22:11 (I. Mikitenko)	0:00	2:22:11 (I. Mikitenko)	0:00
2010	2:26:21 (S. Mockenhaupt)	2:23:50 (Konovalova/RUS)	2:31	2:22:04 (Baysa/ETH)	4:17
2011	2:22:18 (I. Mikitenko)	2:22:18 (I. Mikitenko)	0:00	2:22:18 (I. Mikotenko)	0:00
2012	2:24:53 (I. Mikitenko)	2:23:29 (Arkhipova/RUS)	1:24	2:18:37 (Keitany/KEN)	6:16
2013	2:24:54 (I. Mikitenko)	2:22:46 (Konovalova/RUS)	2:08	2:19:57 (Jeptoo/KEN)	4:47
2014	2:26:44 (A. Hahner)	2:21:29 (Duliba/BLR)	5:37	2:18:57 h (Jeptoo/KEN)	7:47
2015	2:28:39 (L. Hahner)	2:22:09 (Gamera/UKR)	6:30	2:19:25 (Cherono/KEN)	9:14

Das fällt auf

Im Halbmarathon zeigt sich eine breite Front mit sechs Läuferinnen auf EM-Niveau
Lisa Hahner ist zur besten deutschen Marathonläuferin aufgestiegen und hat ihre Schwester Anna abgelöst
Erstmals seit 2006 blieb in diesem Jahr keine deutsche Läuferin im Marathon unter 2:28 Stunden
Die deutsche Jahresbestzeit ist seit 2011 rückläufig
Der Top Ten-Schnitt hat sich dagegen im Vergleich zum Durchhänger im Vorjahr wieder verbessert
Die große Lücke, die Irina Mikitenko hinterlassen hat, ist nach wie vor zu spüren
Gab es im letzten Jahr mit Anna Hahner eine Athletin, die die deutsche Bestenliste mit sieben Minuten Vorsprung anführt, so ist die Spitze wieder enger zusammengerückt

Video-Clips

Die weiteren Disziplin-Checks 2015 im Überblick