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Der große Disziplin-Check – 400 Meter Hürden Frauen

Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: 400 Meter Hürden der Frauen.
Silke Bernhart

Der Moment des Jahres 2016

28. Mai in Oordegem. Viele deutsche Athleten sind nach Belgien gereist, um dort in guten Feldern einen Angriff auf die Olympia-Normen zu starten. Unter ihnen eine junge deutsche Hürdenläuferin. Eine Bestzeit von 56,62 Sekunden bringt die zu dem Zeitpunkt 20-jährige Jackie Baumann mit. Als sie in Oordegem ins Ziel stürmt, wird ein Traum wahr: 56,19 Sekunden – Richtwert für Rio um genau eine Hundertstel unterboten.

Es war ein unerwartet rasanter Leistungssprung, den die Tübingerin im weiteren Verlauf der Saison nicht noch einmal bestätigen konnte. Mit ihrem zweiten deutschen Meistertitel und ihren ersten beiden internationalen Auftritten bei den Frauen in Amsterdam und Rio konnte Jackie Baumann dennoch viel Selbstvertrauen und Motivation für weitere Herausforderungen tanken.

Der zweite herausragende Moment des Jahres ging auf das Konto von Eileen Demes (TV Neu-Isenburg). Die 19-Jährige hat ihre Bestzeit aus dem Jahr 2014 in diesem Sommer von Rennen zu Rennen gesteigert und ist im Halbfinale der U20-WM bei glänzenden 57,13 Sekunden angekommen. So rückte sogar eine Medaille in Reichweite, schließlich wurde es im Finale für die Hessin Rang vier (57,83 sec) und damit das beste deutsche U20-WM-Resultat seit 20 Jahren.

Unsere Top Drei

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail jackie-baumann _blank link zum athletenporträt von jackie>Jackie Baumann
LAV Stadtwerke Tübingen, 21 Jahre
SB: 56,19 sec | PB: 56,19 sec (2016)
DM: 1. Platz
Olympia: Vorlauf, Platz 42 | EM: Vorlauf, Platz 17
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 22.
Welt-Jahresbestenliste: 62.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail eileen-demes _blank link zum athletenporträt von eileen>Eileen Demes
TV Neu-Isenburg, 19 Jahre
SB: 57,13 sec | PB: 57,13 sec (2016)
DM: 2. Platz
U20-WM: 4. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 34.
Welt-Jahresbestenliste: 116.

Djamila Böhm
ART Düsseldorf, 22 Jahre
SB: 57,75 sec | PB: 57,75 (2016)
DM: 4. Platz
Olympia: – | EM: –
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 47.
Welt-Jahresbestenliste: 147. 

Unsere Hoffnungsträgerin

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail eileen-demes _blank link zum athletenporträt von eileen>Eileen Demes
TV 1861 Neu-Isenburg, 19 Jahre
SB: 57,13 sec | PB: 57,13 sec (2016)

Vom Pechvogel 2015 zur Hoffnungsträgerin 2016 – so schnell kann's gehen! Eileen Demes hat die Verletzungen des Vorjahrs hinter sich gelassen und gezeigt, was in ihr steckt. Mit Platz vier sorgte sie bei der U20-WM in Bydgoszcz (Polen) für das beste deutsche Resultat seit 20 Jahren. Mit ihrer neuen Bestzeit von 57,13 Sekunden mischt die 19-Jährige schon jetzt in der nationalen Spitze mit.

Das sagt der Bundestrainer

Herr Eisenkolb, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?

Edgar Eisenkolb:

Zu allererst ist es wichtig festzuhalten, dass ich mich sehr darüber freue, eine Athletin über 400 Meter Hürden bei den Olympischen Spielen dabei gehabt zu haben. Für Jackie Baumann war es ein großer Erfolg, die Norm gelaufen zu sein. Wir hatten uns vorgenommen, nach dem erfolgreichen Ergebnis bei der U23-EM 2015 mit den Europameisterschaften in Amsterdam nahtlos auch die Teilnahme an internationalen Wettbewerben in der Topklasse zu erreichen. Dass neben der EM dann auch noch die Qualifikation für Rio heraussprang, bestätigt uns auf unserem eingeschlagenen Weg.

Leider musste Jackie dann bei den beiden Meisterschaften gehörig Lehrgeld zahlen, denn die Wettkampf-Ergebnisse entsprachen nicht ihren Vorleistungen, geschweige denn ihren Erwartungen. Ich weiß, dass sie aus den beiden Wettkämpfen sehr viel gelernt hat und dass diese Ergebnisse für die Zukunft enorm anspornen. Insofern also eine positive Bilanz mit einem kleinen Makel.

Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?

Edgar Eisenkolb:

Ich möchte hier kein einmaliges Ereignis herausstellen, sondern explizit auf die hervorragende Entwicklung des 400-Meter-Hürden-Kaders der Frauen in allen Altersbereichen aufmerksam machen. Wir konnten die vor vier Jahren begonnene Arbeit auch in diesem Jahr fortsetzen. Es gelang uns einmal mehr, auch im Trainingsjahr 2015/2016 junge Athletinnen so zu führen, dass wir mit ihnen an den internationalen Nachwuchswettkämpfen erfolgreich teilnehmen und sie zudem perspektivisch so vorbereiten, dass sie Deutschland auch noch im Topbereich vertreten können.

Hier gilt mein besonderer Dank den Heimtrainern unserer Kaderathletinnen für das Vertrauen in unsere Zusammenarbeit. Ganz besonders liegt es mir am Herzen Heiner Preute, den verantwortlichen Bundestrainer für den C-Kader 400 Meter Hürden, für seine ausgezeichnete Arbeit der zurückliegenden Jahre hervorzuheben.

Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?

Edgar Eisenkolb:

Das ist relativ leicht formuliert und liegt in der logischen Folge der positiven Ergebnisse der zurückliegenden Jahre klar auf der Hand. Wir wollen mit den Läuferinnen auch 2017 bei allen internationalen Wettkampf-Höhepunkten sowohl im Nachwuchs- als auch im Erwachsenenbereich vertreten sein. Dabei wollen wir im Nachwuchs weiterhin Endlauf-Platzierungen erreichen. Dies gilt auch für die U23-EM. Im Top-Bereich muss der nächste Schritt gegangen werden, das heißt nicht nur die Teilnahme an der ersten Runde, sondern auch eine positive Leistungsdarstellung beim Top-Event.     

Statistik – Das sagen die Zahlen

Die Jahresbesten

56,19 sec – Jackie Baumann (LAV Stadtwerke Tübingen)
57,13 sec – Eileen Demes (TV Neu-Isenburg)
57,75 sec – Djamila Böhm (ART Düsseldorf)
57,86 sec – Laura Gläsner (VfL Eintracht Hannover)
57,95 sec – Karolina Pahlitzsch (SV Preußen Berlin)
57,95 sec – Christine Salterberg (LT DSHS Köln)
57,97 sec – Anna Raukuc (VfL Eintracht Hannover)
58,46 sec – Maria Sauer (TSV Gomaringen)
58,91 sec – Judith Stadelbacher (LG Offenburg)
59,36 sec – Corinna Schwab (TV Amberg)

Internationale Top-Acht-Platzierungen 2016

Olympische Spiele: keine
EM: keine
U20-WM: 4. Platz Eileen Demes (TV-Neu Isenburg; 57,83 sec)
U18-EM: 8. Platz Neele Schuten (TV Gladbeck; 61,03 sec)

Entwicklung des Spitzenniveaus

JahrAthletinnen < 56,00 sec Schnitt Top Ten
2005 Claudia Marx (55,59), Ulrike Urbansky (55,94) 57,71
2006 Claudia Marx (54,80) 57,59
2007 Ulrike Urbansky (55,21), Tina Kron (55,58), Jonna Tilgner (55,96) 57,51
2008 Jonna Tilgner (55,73) 57,69
2009 Jonna Tilgner (55,71), Tina Kron (55,99) 57,15
2010 Fabienne Kohlmann (55,49) 57,37
2011 keine 57,37
2012 keine 57,84
2013 keine 58,33
2014 keine 57,85
2015 keine 58,01
2016 keine 57,85
  • Der Zehnerschnitt ist nach einem schwächeren Jahr 2015 wieder unter 58 Sekunden gerutscht.
  • In den deutschen Top Ten tummeln sich ausschließlich Athletinnen der Jahrgänge 1990 und jünger, der Altersschnitt beträgt 21,2 Jahre – eine vielversprechende Ausgangslage.
  • Fabienne Kohlmann bleibt die einzige DLV-Athletin, die seit 2010 die 56-Sekunden-Marke unterbieten konnte.

Entwicklung Jahresbestleistungen

JahrDeutschlandEuropaDiffWeltDiff
2005 55,59 (C. Marx) 52,90 (Pechonkina/RUS) 2,69 52,90 (Pechonkina/RUS) 2,69
2006 54,80 (C. Marx) 53,14 (Nosova/RUS) 1,66 53,02 (Demus/USA) 1,78
2007 55,21 (U. Urbansky) 53,50 (Pechonkina/RUS) 1,71 53,28 (Williams/USA) 1,93
2008 55,73 (J. Tilgner) 53,84 (Danvers/GBR) 1,89 52,64 (Walker/JAM) 3,09
2009 55,71 (J. Tilgner) 53,95 (Morosanu/ROU) 1,76 52,42 (Walker/JAM) 3,29
2010 55,49 (F. Kohlmann) 52,92 (Antyukh/RUS) 2,57 52,82 (Demus/USA) 2,67
2011 56,97 (C. Klopsch) 53,29 (Hejnova/CZE) 3,68 52,47 (Demus/USA) 4,50
2012 56,27 (T. Kron) 52,70 (Antyukh/RUS) 3,57 52,70 (Antyukh/RUS) 3,57
2013 56,83 (C. Klopsch) 52,83 (Hejnova/CZE) 4,00 52,83 (Hejnova(CZE) 4,00
2014 56,02 (C. Klopsch) 54,39 (Child/GBR) 1,63 53,41 (Spencer/USA) 2,61
2015 56,55 (C. Klopsch) 53,50 (Hejnova/CZE) 3,05 53,50 (Hejnova/CZE) 3,05
2016 56,19 (J. Baumann) 53,55 (Petersen/DEN) 2,64 52,88 (Muhammad/USA) 3,31
  • Europas Jahresbeste kommt aus Dänemark, das gab es wohl noch nie: Die Olympia-Zweite Sara Slott Petersen kann auf eine herausragende Saison zurückblicken.
  • Olympiasiegerin Dalilah Muhammad hat sich mit ihrer Bestzeit von 52,88 Sekunden auf Platz 13 der ewigen Weltbestenliste einsortiert.

      Video-Clips

      U23: <link video:14800>Djamila Böhm zündet den Turbo
      Junioren-Gala: <link video:14664>Beeindruckender Solo-Lauf von Eileen Demes
      Junioren-Gala: <link video:14691>Karoline Maria Sauer unterbietet WM-Norm
      U20: <link video:15133>Karoline Maria Sauer krönt erfolgreiche Saison
      U16: <link video:15316>Gisele Wender stürmt in Bestzeit zum Sieg

      Die weiteren Disziplin-Checks 2016 im Überblick

      <link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-maenner _blank>Männer – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-frauen _blank>
      Frauen – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-maenner _blank>
      Männer – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-frauen _blank>
      Frauen – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-mittelstrecke-maenner _blank>
      Männer – Mittelstrecke
      <link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langstrecke-maenner>Frauen – Mittelstrecke
      Männer – Langstrecke
      <link news:50879>Frauen – Langstrecke
      <link news:50853>Männer – Hürdensprint
      <link news:50841>Männer – 400 Meter Hürden

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