| U23-EM

DLV-Team beeindruckt als beste Nation in Tallinn

Die schwarz-rot-goldene Flagge war von Donnerstag bis Sonntag im Kadriorg-Stadion von Tallinn (Estland) ein begehrtes Objekt. Gleich siebenmal hüllten sich deutsche Leichtathleten nach ihren Gold-Coups bei den zehnten U23-Europameisterschaften darin ein und ließen ihrer Freude freien Lauf. Damit stand das DLV-Team am Ende auf Position eins des Medaillenspiegels und der Nationenwertung.
Martin Neumann

Sieben Titel gab es für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) seit der Premiere der U23-Europameisterschaften 1997 in Turku (Finnland) noch nie. Daraus resultierte der erste Platz im Medaillenspiegel mit sieben Gold-, vier Silber- und fünf Bronzemedaillen. Letztmals führte die deutsche Mannschaft 2001 in Amsterdam (Niederlande) diese Wertung an. Die Kombination mit dem Spitzenplatz in der Nationenwertung (179 Punkte) gab es seit 1997 noch nie.

Eine dementsprechend positive Bilanz zog daher Idriss Gonschinska. Der DLV-Cheftrainer schaute gleichzeitig schon ein paar Jahre voraus: „Für uns ist die U23-EM eine sehr wichtige Meisterschaft. Hier können wir Entwicklungen nach dem Jugendbereich im Wettbewerb gegen starke Konkurrenz beobachten und auf der Basis der Auswertungen Athleten auf den Sprung in A-Nationalmannschaft vorbereiten. In Tallinn haben wir Teile des möglichen Kernteams für die Heim-EM 2018 in Berlin gesehen.“

13 Medaillen für DLV-Athletinnen

Auffällig: Das vermeintlich schwächere Geschlecht war das in Tallinn deutlich stärkere. Die deutschen Frauen sammelten 13-mal Edelmetall (6-4-3). Damit hätten sie allein den Medaillenspiegel für sich entschieden! Die Männer kamen auf einen Titel durch Weitspringer Fabian Heinle (LAV Stadtwerke Tübingen) und drei Bronzemedaillen. Insgesamt verteilten sich die 132 Medaillen auf 29 Nationen, 38 Länder holten Nationenpunkte. Eine enorme Breite.

In die Annalen der U23-EM ging Rebbeka Haase (LV 90 Erzgebirge) ein. Die mit drei Titeln dekorierte Sprinterin ist die erste Athletin, die in der Geschichte der U23-EM dreimal bei einer Meisterschaft die Nationalhymne für ihre Gold-Leistungen hören durfte. Nachdem das Sprint-Triple perfekt war, feierte sie zusammen mit ihren Staffel-Partnerinnen Amelie-Sophie Lederer (LAC Quelle Fürth), Alexandra Burghardt (MTG Mannheim) und Anna-Lena Freese (FTSV Jahn Brinkum) ausgelassen den Triumph. Das schnelle Quartett legte eine „Ehren-Zielgerade“ zurück und forderte die Zuschauer auf der Haupttribüne zur Welle auf.

Dabei war Haases 200-Meter-Start zunächst gar nicht geplant. Da der Vorlauf am Freitag über die halbe Stadionrunde nur rund vier Stunden vor dem 100-Meter-Finale ausgetragen wurde, entschied sie sich zusammen mit dem Trainerteam erst kurzfristig für den Start. „Der Entschluss fiel erst auf dem Einlaufplatz“, sagte Idriss Gonschinska. Der Mut der Thumer Sprinterin, sechsmal an vier Tagen zu starten, wurde belohnt. „Sie hat eine tolle Entwicklung genommen. Dabei waren der Zeitplan und das kühle Wetter ja nicht gerade auf ihrer Seite“, sagte der DLV-Cheftrainer.

Weltklasse-Leistung von Christin Hussong

Dass mit Dina Asher-Smith (11,02 und 22,30 sec) die dominierende U23-Sprinterin Europas in Tallinn fehlte, ist eine Randnotiz. Denn wer nicht startet, kann auch nicht gewinnen. Die Briten schickten ohnehin in einigen Wettbewerben – auffällig war es im Sprint und in den Staffeln, die gar nicht komplett besetzt wurden – nicht ihre Besten ins Rennen. Der Grund dafür: Am Vorwochenende standen die britischen Meisterschaften auf dem Programm. Es folgt in zwei Wochen das stark besetzte Diamond League-Meeting in London. Für die britischen Top-Athleten sind das die wichtigsten Termine vor der WM Mitte August in Peking.

Den Weg Richtung Chinas Hauptstadt hat auch Christin Hussong eingeschlagen. Die Speerwerferin vom LAZ Zweibrücken sorgte in Tallinn für das international herausragende Resultat. Mit 65,60 Metern warf sie sich in eine neue Liga. „Das war eine bemerkenswerte Leistung auf absolutem Weltniveau. Es ist allerdings schwer, eine Athletin aus einer erfolgreichen Mannschaft hervorzuheben“, sagte Idriss Gonschinska.

Die EM-Siebte von 2014 landete mit ihrem Versuch auf Platz fünf der Weltjahresbestenliste und überholte so hoch dekorierte Werferinnen wie die zweimalige Olympiasiegerin Barbora Spotakova (Tschechien; 64,42 m), Weltmeisterin Christina Obergföll (LG Offenburg; 63,07 m) und Ex-Europameisterin Linda Stahl (TSV Bayer 04 Leverkusen; 62,88 m). Nur eine U23-Athletin hat in Europa jemals weiter geworfen: die Russin Mariya Abakumova (70,38 m). Da Weltmeisterin Christina Obergföll als Titelverteidigerin mit einer Wildcard in Peking startet kann, stehen dem DLV-Team vier Speerwurf-Startplätze zur Verfügung. Damit ist Christin Hussong ihre WM-Premiere so gut wie sicher.

Zwei Weitsprung-Titel

Ebenfalls für den Peking-Start empfahlen sich die Weitsprung-Sieger (Fabian Heinle; 8,14 m) und Malaika Mihambo (LG Kurpfalz; 6,73 m). Diskus-Siegerin Shanice Craft (MTG Mannheim) bewies mit 63,83 Metern einmal mehr, dass sie eine absolute Meisterschaftswerferin ist. Als Bonus nahm die EM-Dritte Kugel-Silber (17,29 m) mit nach Hause. Zudem gab’s teilweise starke Leistungen, die nicht zu einer Medaille reichten, aber große persönliche Erfolge waren: So pulverisierten auf der Stadionrunde mit und ohne Hürden Jackie Baumann (LAV Stadtwerke Tübingen; 56,62 sec) und Laura Müller (LSG Saarbrücken-Sulzbachtal; 52,39 sec) ihre Bestzeiten förmlich.

Insgesamt darf die DLV-Mannschaft auf ganz starke vier EM-Tage zurückblicken. Lediglich der Umstand, dass traditionsreiche Disziplinen gar nicht besetzt werden konnten, trübte ein wenig die Bilanz. So war in Tallin weder ein deutsche Stabhochspringer noch eine Siebenkämpferin am Start.

„Man hat nicht automatisch jährlich in allen Disziplinen die Breite an außergewöhnlichen Talenten verfügbar, um im U23-Bereich international konkurrenzfähig zu sein. Zum Teil benötigen Athleten längere Zeiträume und entwickeln sich nicht linear, sondern sprunghaft. Da geht es uns wie anderen Nationen“, beschrieb Idriss Gonschinska die Wellenbewegungen in den Wettbewerben. Zu feiern gab’s in Tallinn für die deutsche Mannschaft trotzdem eine ganze Menge.

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