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Fabian Heinle macht Lust auf mehr

Fabian Heinle ist wieder da. 17 Monate nach seinem Kreuzbandriss und zwei Jahre nach seinen ersten Erfolgen als U20-Athlet. Mit zwei Acht-Meter-Sprüngen hat der 21-Jährige in diesem Sommer die Weitsprung-Szene aufgemischt und ist noch längst nicht am Ziel. Warum auch? U23-EM und WM stehen vor der Tür, und hier kann er befreit aufspringen. Die größte Hürde hat er mit seiner schweren Verletzung längst überwunden.
Silke Morrissey

„Im sechsten Versuch habe ich mich noch mal zusammengerissen“, sagt Fabian Heinle. Er spricht vom Meeting in Oberteuringen am vergangenen Samstag und von dem Sprung, der sich wie Fliegen anfühlte. „Die anderen Versuche hatte ich gar nicht richtig getroffen – so wollte ich nicht aufhören.“ Gesagt, getan. In Runde sechs traf der Athlet von der LAV Stadtwerke Tübingen das Brett perfekt, genau von oben, bei idealem Rückenwind, und segelte auf 8,25 Meter.

„Das kann man sich nicht besser wünschen“, sagt sein Trainer Tamás Kiss. „Das war das Optimale.“ Ein Sprung, der den 21-Jährigen auf Position eins der deutschen Bestenliste beförderte, der ihm die WM-Norm für Peking (China; 22. bis 30. August) bescherte und der allen zeigte: Fabian Heinle ist wieder da, 17 Monate nach seinem Kreuzbandriss. Und er hat nichts verlernt.

Talent sofort erkannt

Tamás Kiss erinnert sich noch genau an den Tag, an dem er Fabian Heinle das erste Mal springen sah. Trainerkollege Hans-Joachim Budach aus Leinfelden-Echterdingen hatte ihn zum Olympiastützpunkt nach Stuttgart geschickt. „Schau ihn dir einfach mal an“, hatte er zu Tamás Kiss gesagt. Kiss hatte gezögert, er war gerade Dreisprung-Bundestrainer geworden. „Eigentlich habe ich keine Zeit für einen weiteren Athleten“, hatte er erwidert.

Fabian Heinle war zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre alt. Seine Weitsprung-Bestleistung? 6,71 Meter. Damit zählte er in der U18 nicht einmal zu den Top 30 in Deutschland. Zwei Sprünge absolvierte er vor den Augen des Sprungexperten Tamás Kiss, dann stand die Entscheidung fest: „Fabian kann jeden Tag zu mir kommen“, sagte er später zu Budach. Auf die Frage, ob Heinles Talent so offensichtlich gewesen sei, lacht er. „Das hätte jeder gesehen. Dazu brauchte man kein Fachmann zu sein.“

Es ist eine schöne Episode vom Start der Zusammenarbeit zwischen Kiss und Heinle. Weitere schöne folgten relativ bald, große Leistungssteigerungen von 6,71 Meter über 7,28 Meter auf 7,91 Meter im Jahr 2013. Fabian Heinle holte in diesem Jahr zwei deutsche U20-Titel, bei den U20-Europameisterschaften in Rieti (Italien) verpasste er nur knapp eine Medaille, dennoch beendete er die Saison als Europas bester U20-Athlet.

Kreuzbandriss im ersten Aktiven-Wettkampf

Das Trainer-Athlet-Gespann hat aber auch schon schwierige Zeiten hinter sich, die die jüngsten Resultate umso wertvoller machen. Denn anstelle in der Aktivenklasse so richtig durchzustarten, begann das Jahr 2014 mit einem großen Dämpfer. Fabian Heinle hat noch genau das Datum im Kopf: „18. Januar 2014. Das ist der Geburtstag meiner Schwester.“ Bei den baden-württembergischen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe blieb er mit dem Schwungbein im Sand hängen, das Knie schlug durch, das vordere Kreuzband riss.

Es war eine schwere Verletzung, die dem damals 19 Jahre jungen Athleten ziemlich zusetzte. „Am Anfang hatte ich keine Lust mehr“, sagt er heute ganz offen. OP, acht Wochen Krücken, Reha, große Probleme mit der Beweglichkeit. Der Glaube an eine vollständige Genesung und eine Rückkehr in den Leistungssport schwand.

Beste medizinische Betreuung

Umso wichtiger war die große Unterstützung, die Heinle von vielen Seiten erfuhr. Zum Beispiel von seinem Arzt Pierre Hofer von der Orthopädie in St. Gallen (Schweiz). „Wir waren überglücklich darüber, dass er Fabian operiert hat“, sagt Tamás Kiss. „Er war für Fabian nicht nur Arzt, sondern auch Psychologe“ – und kennt sich als ehemaliger Trainer der Olympia-Sieger 1996 im Rudern Markus und Michael Gier im Leistungssport bestens aus.

Physiotherapeut Michael Pössinger war nach der Reha in St. Gallen an Heinles Seite und im Trainingslager in Ungarn zehn Tage damit beschäftigt, Verklebungen zu lösen sowie die Beweglichkeit des Weitspringers zu verbessern. Auch die Muskulatur musste wieder aufgebaut werden. „Mein Bein war nicht mehr vorhanden“, sagt Fabian Heinle - ohnehin ein Leichtgewicht von rund 70 Kilogramm bei fast 1,90 Meter Körpergröße – und kann heute darüber lachen.

Erste Sprünge im August

Die erste Technikeinheit mit Sprüngen in die Grube folgte im vergangenen August, acht Monate nach der Verletzung. In der Hallensaison 2015 konnte Fabian Heinle endlich wieder die ersten Wettkämpfe bestreiten, kam Anfang Februar in Karlsruhe sogar schon wieder bis auf zehn Zentimeter an seine Bestleistung heran. Und jetzt das: 8,12 Meter in Weinheim, 8,25 Meter in Oberteuringen.

Dass der Weitspringer auch abseits des Platzes abhebt, darüber braucht man sich keine Sorgen zu machen. Er ist freundlich, zurückhaltend, bodenständig. „Ein echter Sympathieträger“, sagt sein Trainer. Nach einer Ausbildung als Mechatroniker drückt Fabian Heinle wieder die Schulbank, macht sein Fachabitur nach. Für den Leistungssport ist er nach Stuttgart gezogen, in eine Sportler-WG mit zwei anderen Weitspringern, gelegen genau zwischen Schule und Olympiastützpunkt. „In meinem Leben dreht sich gerade ziemlich viel um die Leichtathletik“, stellt Heinle lachend fest.

Gute Ausgangsposition für Tallinn und Peking

Daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern. Für die U23-Europameisterschaften in Tallinn (Estland; 9. bis 12. Juli) hat sich Fabian Heinle als derzeit bester Athlet vor zwei weiteren Acht-Meter-Springern eine gute Ausgangsposition verschafft. Die Konkurrenz wird genau hinsehen, wenn er Anlauf nimmt. Eine Situation, mit der der Athlet mittlerweile gut umgehen kann, wie sein Trainer bestätigt. „Er hat sich mental sehr weiterentwickelt.“

Und dann sind da ja auch noch die Weltmeisterschaften in Peking, die plötzlich in greifbare Nähe gerückt sind. Die Norm hat Fabian Heinle in der Tasche, Terminprobleme gäbe es auch keine: „Das würde gut passen, da sind Sommerferien.“

Beim Gedanken an den entscheidenden Qualifikations-Wettkampf bei der DM in Nürnberg schwingt große Vorfreude mit: „Das wird richtig gut!“ sagt Heinle über den vorgezogenen Weitsprung-Wettbewerb am Freitag (24. Juli) auf dem Hauptmarkt. „Da liegt die ganze Aufmerksamkeit bei uns.“ Eine Aufmerksamkeit, die er nach seinem Comeback voll und ganz genießen darf – und die ihm vielleicht ein weiteres Mal Flügel verleiht.

Mehr:

<link news:41405>Fabian Heinle fliegt auf 8,25 Meter

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