| Jugend-Leichtathletin des Jahres

Julia Ritter – Eine Frohnatur mit Killer-Instinkt

U18-Weltmeisterin 2015. U20-Europameisterin 2017. Julia Ritter hat in den Jugendklassen fast alles abgeräumt, was es zu holen gab. Anfang 2018 folgte die bisher wohl größte Anerkennung: Die Kugelstoßerin wurde von den Fans zu Deutschlands "Jugend-Leichtathletin des Jahres" 2017 gewählt. Ein Grund mehr für gute Laune – die ohnehin ihr stetiger Begleiter ist. Ebenso wie eine riesige Portion Siegeswillen.
Silke Bernhart

„Ich denke immer noch oft darüber nach“, sagt Julia Ritter über den Wettkampf, der für sie die vergangene Saison bestimmt hat. Manchmal holt sie dann das Handy hervor und schaut sich im Video zwei ganz besondere Stöße an. Den letzten Versuch ihrer Konkurrentin Jorinde van Klinken bei den U20-Europameisterschaften in Grosseto (Italien). Und dann ihren eigenen bei derselben Meisterschaft. „Ich kriege sogar jetzt Gänsehaut, wenn ich nur darüber spreche“, sagt die Kugelstoßerin vom TV Wattenscheid 01.

Aber was war das auch für eine Nervenschlacht! Julia Ritter hatte im ersten Versuch des Finales vorgelegt. 16,79 Meter. Und anschließend fünf Runden geführt. Bis die erst 17 Jahre junge Niederländerin im sechsten Versuch mit 16,89 Metern vorbeizog. Julia Ritter war gleich darauf die letzte Athletin des Wettbewerbs, die den Ring betrat. Und es ging um Alles oder Nichts – "Adrenalin pur". Die Wattenscheiderin mobilisierte noch einmal alle Kräfte und katapultierte die Vier-Kilo-Kugel auf 17,24 Meter. So holte sie sich die Goldmedaille zurück.

„Jorindes Mutter hat mir die Videos geschickt“, erklärt Julia Ritter. „Jorinde und ich verstehen uns gut, wir schreiben uns ab und zu. Ich habe großen Respekt vor ihr und ihrer Leistung, sie ist ja noch zwei Jahre jünger!“ Die deutsche U20-Europameisterin ist keine, die sich abschottet, die der Konkurrenz den Rücken kehrt oder sich in sich zurückzieht. Sie ist ein Teamplayer, ein Energiebündel, eine absolute Frohnatur, die immer für gute Laune sorgt.

Silber? Nicht genug!

Sicher hat auch diese Wesensart ihr neben den starken Leistungen in den vergangenen Monaten die Gunst der Leichtathletik-Fans beschert. Denn bei der Wahl der „Jugend-Leichtathletin des Jahres“ 2017 musste sich Julia Ritter gegen starke Konkurrenz behaupten: Mit Hindernisläuferin Lisa Oed (SSC Hanau-Rodenbach) war eine weitere U20-Europameisterin nominiert, mit Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid 01), Sophia Junk (LG Rhein-Wied) und Katrin Fehm (ESV Amberg) drei Sprinterinnen, die im Einzel Medaillen holten und mit der Staffel Gold und den U20-Weltrekord.

„Ich bin schon überrascht, dass ich gewonnen habe!“ sagt Julia Ritter. „Das Kugelstoßen steht ja nicht immer so im Fokus. Ich hätte eher gedacht, dass es vielleicht eine der Sprinterinnen schafft.“ Umso größer war die Freude über den Sieg, die sie im Trainingslager in Fuerteventura zuerst mit Trainingspartnerin Hanna Meinikmann teilte. Auch diese stand im Finale von Grosseto und hatte Anteil am Gold ihrer Mitstreiterin. „Kurzzeitig hatte ich mich schon mit Silber abgefunden“, erinnert sich Julia Ritter. „Aber dann hat Hanna mich gefragt: ‚Wärst du damit zufrieden?!‘“ Nein, das wäre Julia Ritter nicht gewesen.

Mit Papas Hilfe zum U18-WM-Gold

Es ist eine weitere Wesensart der 19-Jährigen, dass sie immer nach dem Bestmöglichen strebt. Halbe Sachen? Gibt es bei ihr nicht. Mit voller Kraft hatten sich die junge Athletin und ihr Vater Reiner vor einigen Jahren in das Projekt „Kugelstoß-Weltklasse“ gestürzt. „Wir hatten gar keine Ahnung und haben einfach das gemacht, was sich gut angefühlt hat“, erinnert sich Ritter heute lachend. Der erste Erfolg gab ihnen Recht: Julia Ritter wurde 2015 U18-Weltmeisterin mit der Drei-Kilo-Kugel.

Für den Wechsel in die U20-Klasse und zur Vier-Kilo-Kugel aber war klar: Da muss professionelle Unterstützung her. Julia Ritter zog ins Sportinternat nach Bochum-Wattenscheid und schloss sich der Trainingsgruppe von Miroslaw Jasinski an, welcher auch der Olympia-Dritte im Diskuswurf Daniel Jasinski angehört. Besonders technisch habe sie sich seitdem stark verbessert, erklärt die Westfälin, die neben der Kugel bisher regelmäßig auch die Diskusscheibe in die Hand genommen hat.

Mit Fanclub im Rücken in Richtung Berlin

Daran wird sich in den kommenden Monaten etwas ändern: „Ich gehe mehr aufs Kugelstoßen“, erklärt Julia Ritter. Schließlich stehen in dieser Disziplin für die junge Athletin die Chancen auf eine Teilnahme bei den Europameisterschaften in Berlin gar nicht schlecht. Bei 17,50 Metern liegt die Norm, eine Marke, die nicht mehr weit weg ist. Und da Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) als Titelverteidigerin eine Wild Card erhält, dürfen insgesamt vier DLV-Stoßerinnen mit zur Heim-EM.

Der Sieg bei der Wahl zur „Jugend-Leichtathletin des Jahres“ wird im Rennen um die heiß umkämpften EM-Tickets Rückenwind geben – auch wenn sich Julia Ritter ohnehin nicht über mangelnde Unterstützung beklagen kann. In Grosseto war der „Ritter-Fanclub“ um Mutter, Vater, Schwester Emily und weitere Verwandte mit eigens gestalteten T-Shirts kaum zu übersehen. Für die Hallen-DM in Dortmund (17./18. Februar) haben sich die Ritters schon einen Fanblock mit 25 Plätzen reserviert. Der dürfte nicht zu überhören sein, wenn die 19-Jährige erstmals als Aktive die nationale Konkurrenz herausfordert.

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