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Katharina Bauer – Überzeugte Optimistin und medizinischer Präzedenzfall

Spätstarter, erfolgreiche Nachwuchsathleten auf dem Weg in die Spitze bei den „Großen“ und eine Rückkehrerin nach schwerer Verletzung. Bei der Hallen-DM in Dortmund haben DLV-Athleten mit unterschiedlichen Geschichten ihren ersten nationalen Titel ihrer Karriere gewonnen. leichtathletik.de erzählt ihre Geschichten. Heute die von Stabhochspringerin Katharina Bauer (TSV Bayer 04 Leverkusen).
Jan-Henner Reitze

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail katharina-bauer _blank>Katharina Bauer
TSV Bayer 04 Leverkusen

*12. Juni 1990
Größe: 1,80 m
Gewicht: 64,5 Kilo

Stabhochsprung

Bestleistung: 4,65 m (2015)

Erfolge:

Deutsche Hallenmeisterin 2018
Team-Europameisterin 2014
Fünfte Universiade 2013
Achte Hallen-EM 2013
Sechste U18-WM 2007

Dass wir in unserer Hand ein Mondbein besitzen, wissen vermutlich die wenigsten von uns, es sei denn, man hat ein besonderes Interesse für Anatomie. Stabhochspringerin Katharina Bauer musste nach einem unglücklichen Sturz beim Meeting in Montreuil (Frankreich) im Sommer 2016 schmerzhaft erfahren, dass sich dieses Mondbein verschieben kann. Ihr Stab war während eines Sprungs aus dem Einstichkasten gerutscht und die Athletin auf den Rasen gestürzt. Es war sogar Glück im Unglück dabei, dass „nur“ die linke Hand in Mitleidenschaft gezogen wurde, dafür aber richtig. Neben dem Mondbein hatten sich auch alle Handwurzelknochen verschoben, sämtliche Bänder waren gerissen und die wichtigsten vom Knochen abgesplittert, dazu noch ein Stück von der Elle.

Die Ärzte bezweifelten zuerst, dass dieser, man kann es nicht anders sagen, „Trümmerhaufen“ wieder so zu einer Hand zusammengesetzt werden könne, dass Katharina Bauer ihre Hand wieder wie jeder andere bewegen, geschweige denn sich damit mit einem Stab in viereinhalb Meter Höhe aufschwingen kann. Die damals 25-Jährige musste also nicht nur mit dem plötzlich geplatzten Traum von Olympia in Rio de Janeiro (Brasilien) fertig werden, sondern auch mit dieser düsteren ersten Diagnose.

Positive Gedanken trotz drohendem Karriere-Aus

In dieser Situation kam das zum Tragen, was die Leverkusenerin auszeichnet. Trotz des prognostizierten Karriere-Endes blieben ihre Gedanken positiv. „Als die Hand noch im Gips war, habe ich jeden Abend vor dem Schlafen eine Heilungsreise durch meinen Körper gemacht und mir zum Beispiel vorgestellt, zu greifen oder einen Stab in der Hand zu halten“, erinnert sich die Stabhochspringerin, die solche Techniken von ihrer Mutter gelernt hat, die Hypnose-Coach ist. „In der ganzen Zeit der Verletzung hatte ich nur zwei Tage, an denen ich durchgehangen habe.“

Die komplizierte Handverletzung und das Bestreben der Patientin, wieder Leistungssport betreiben zu wollen, weckte auch den Ehrgeiz der Ärzte. „Ich habe jeden Chirurgen in der Klinik kennengelernt. So einen Fall hatten sie noch nicht“, berichtet Katharina Bauer. Eine der Operationen dauerte statt angesetzter zwei Stunden mehr als vier, weil die Ärzte alle Bänder wieder an der richtigen Stelle platzierten. "Wären sie nicht so gut gewesen, hätte ich aufhören können."

Körper transformiert

Trotz aller positiver Herangehensweise, das Training unter der Leitung von Leszek Klima musste an die Verletzung angepasst werden. Bis heute sind Übungen wie Reißen oder Freihantel-Training nicht möglich. Besonders im Krafttraining hat sich einiges geändert. Neben viel Yoga steht Stabilisationstraining mit Anja Löhr vom Olympia-Stützpunkt auf dem Programm. Statt Gewichte zu stemmen, balanciert die 27-Jährige auf Wackelbrettern.

„Ich habe meinen Körper transformiert und sechs Kilo abgenommen. Die Muskulatur ist nicht mehr so dick“, erzählt die gebürtige Wiesbadenerin über ihren Weg zurück. In dieser Zeit beschäftigte sie sich auch noch einmal intensiv mit dem Thema Ernährung und stieg beispielsweise auf Couscous und Hirse statt Nudeln als Lieferant von Kohlenhydraten um. „Dabei ging es mir nicht darum, dünn zu sein, sondern fit. Auch die Ernährung kann die Heilung unterstützten.“

Die konsequente Arbeit am Comeback ermöglichte ein halbes Jahr nach dem Unfall wieder den ersten Sprung und elf Monate danach die Rückkehr in den Wettkampf. Bis zu einer Saisonbestleistung von 4,42 Metern kämpfte sich die DLV-Athletin im vergangenen Sommer zurück. In der zurückliegenden Hallensaison gelang zuerst bei einem Sportfest in Dortmund Ende Januar der Sprung über 4,52 Meter, nur viermal ging es in der Karriere bisher höher hinaus. Bei der Hallen-DM, wieder in der Helmut-Körnig-Halle, meldete sich Katharina Bauer dann mit ihrem ersten deutschen Meistertitel (4,51 m) endgültig zurück.

Stabhochsprung-Talent durch Carolin Hingst entdeckt

Entdeckt wurde ihr Talent für den Stabhochsprung von einer späteren Kollegin. Carolin Hingst, mit 4,72 Metern fünftbeste deutsche Stabhochspringerin in der ewigen DLV-Bestenliste, lud zum Probetraining ein, als Katharina Bauer 13 Jahre alt war.  Die Jugendliche machte Leichtathletik damals eher nebenbei und turnte hauptsächlich. Beim ersten Wettkampf ein Jahr später sprang sie dann einen Meter höher als ihre Mitstreiterinnen und der damalige Bundestrainer Herbert Czingon wurde auf sie aufmerksam.

Von da an ging es schnell immer höher hinaus, schon im Alter von 15 Jahren erstmals über 4,00 Meter, bei der U18-WM 2007 reichte es zu Rang sechs. Nach dem Wechsel von Herbert Czingon in die Schweiz übernahm Balian Buschbaum die Betreuung. 2013 endete der erste Einsatz in der A-Nationalmannschaft mit Rang acht bei der Hallen-EM in Göteborg (Schweden). Im gleichen Jahr zog es die Bachelor-Absolventin im Fach internationales Management nach Leverkusen, wo sie ihr neuer Trainer Leszek Klima zeitweise in seinem Haus aufnahm. Das Duo erarbeitete sich weitere Fortschritte.

Es folgten weitere Einsätze im Nationaltrikot unter anderem bei der EM 2014 und der Hallen-EM 2015. Die Bestleistung aus dem Jahr 2015 von 4,65 Metern reichte nicht für die erste WM-Teilnahme. 2016 unterbrach dann die Handverletzung die Fortführung der kontinuierlichen Entwicklung. In diesem Sommer soll es wieder in Richtung Bestleistung oder sogar darüber hinausgehen.

Angst akzeptieren, Schnelligkeit optimieren

Die Erfahrungen der vergangenen beiden Jahre haben Katharina Bauer als Athletin noch einmal reifen lassen. „Ich genieße es einfach, wieder springen zu können“, sagt sie. „Aber klar: Im Sommer ist Attacke angesagt. Die EM ist das große Ziel. Es ist noch ein Feuer in mir. Das soll es noch nicht gewesen sein. So lange dieses Gefühl da ist, kämpfe ich weiter.“ Die Konkurrenz um die Startplätze für die Heim-EM ist groß. Hinter der besten DLV-Stabhochspringerin der vergangenen Jahre Lisa Ryzih (ABC Ludwgishafen) wollen auch die erfahrenen Silke Spiegelburg (TSV Bayer 04 Leverkusen) oder Martina Strutz (TSV Hagenow) nach Berlin, genauso wie Olympia-Teilnehmerin Annika Roloff (MTV Holzminden), WM-Teilnehmerin Friedelinde Petershofen (SC Potsdam) oder Anjuli Knäsche (SG TSV Kronshagen/Kieler TB).

Ein Sprung über die EM-Norm (4,45 m) wird nicht für ein Ticket reichen. Katharina Bauer will sich in den kommenden Wochen auf den Kampf um die EM-Tickets vorbereiten, in dem sie einerseits ihre Stärken weiter ausbaut. „Durch meine Größe kann ich lange Stäbe springen. Bei der Griffhöhe bin ich aber noch nicht da, wo ich mal war.“ Andererseits wird auch an den Schwächen gearbeitet. Immer eine Baustelle ist die Anlaufgeschwindigkeit.

Dass ihre Disziplin auch etwas mit Angst zu tun hat, gibt sie offen zu. Das gilt nicht erst seit ihrem Unfall. „Diese Angst muss man auch im Training oft wieder neu überwinden. Es ist ein Psycho-Kampf.“ Auch um mit diesem Aspekt ihrer Leidenschaft fertig zu werden, hilft Katharina Bauer ihre grundsätzlich positive Einstellung und die ein oder andere Yoga-Meditation. „Im Kopf klar zu sein, das ist meine Stärke.“

Video: <link video:17943>Katharina Bauer bezwingt Lisa Ryzih
Video-Interview: <link video:17961>Katharina Bauer: "Ein Traum geht in Erfüllung"

Das sagt Bundestrainer Stefan Ritter:

Katharina hat eine persönliche Bestleistung von 4,65 Metern aus dem Jahr 2015. Im Jahr darauf bremste der schwere Bruch der Hand sie lange aus. In dieser Hallensaison konnte Katharina zeigen, dass sie einen großen Schritt zurück zu ihrem alten Leistungsvermögen gemacht hat, was eine gute Ausgangssituation für die anstehende Freiluftsaison darstellt. Bereits am Ende der Freiluftsaison 2017 zeigte die Formkurve nach oben. Sie konnte in der Vorbereitung zur Hallensaison gut trainieren und hat in einigen Wettkämpfen angedeutet, dass auch eine neue Bestleistung möglich ist.

Katharina zeichnet sich besonders durch ihre Zielstrebigkeit und Professionalität aus. Sie hat sich und ihr Umfeld voll auf den Leistungssport ausgerichtet und organisiert sich auch außerhalb der Trainingsanlagen so, dass sie den Freiraum und die nötige Unterstützung und Partner für ihren Sport findet.

Mit dem deutschen Meistertitel in der Halle und der ansteigenden Leistungskurve sollte Katharina zum engen Kreis der Kandidatinnen für ein EM-Ticket gehören. Am Ende zählt natürlich die Leistung bei der DM in Nürnberg. Katharina wird in diesem Jahr 28 Jahre alt. Damit gehört sie auch für die kommenden internationalen Meisterschaften, wie die WM in Doha 2019 und die Olympischen Spiele in Tokio 2020, zum Kreis der Kandidatinnen.

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