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Kevin Mayer nimmt Kurs auf Zehnkampf-Olymp und Weltrekord

Nach dem Rücktritt von Zehnkampf-Weltrekordler Ashton Eaton (USA) ist Kevin Mayer der momentan beste Mehrkämpfer der Welt. Das unterstrich der Franzose zuletzt mit seinem Siebenkampf-Europarekord (6.479 Punkte) bei der Hallen-EM. Im Zehnkampf ist der 25-Jährige mittlerweile bei 8.834 Punkten angekommen. Rang sechs in der ewigen Bestenliste. Nach Auffassung von Ashton Eaton wird Kevin Mayer bald noch mehr Punkte sammeln. Der US-Amerikaner sieht sogar seinen eigenen Weltrekord in Gefahr.
Martin Neumann

Mitte Mai 2011. Eiderstadion Büdelsdorf. Ein schlaksiger französischer Zehnkämpfer muss den Mehrkampf an Tag zwei frühzeitig beenden – „Salto Nullo“ im Stabhochsprung. Auch in den vorangegangenen sieben Disziplinen war für den 19-Jährigen mit den wilden blonden Locken nicht viel zusammengelaufen. Die deutschen Talente Mathias Brugger (SSV Ulm 1846) und Steffen Klink (TSV Kirberg) hätte der Gast – damals amtierender U20-Weltmeister – wohl kaum gefährden können. Es war kein Geringerer als Kevin Mayer – der mittlerweile beste Mehrkämpfer der Welt.

Mit seinem Hallen-Europarekord im Siebenkampf von 6.479 Punkten bei der Hallen-EM Anfang März in Belgrad (Serbien) und mit seiner famosen 313-Punkte-Steigerung zu Olympia-Silber (8.834 Punkte; Landesrekord) vergangenes Jahr in Rio ist Kevin Mayer ganz oben bei den Leichtathletik-Allroundern angekommen. Im Zehnkampf liegt der 25-Jährige in der ewigen Weltbestenliste auf Platz sechs – eingerahmt von den Olympiasiegern Daley Thompson (8.848 Punkte; Großbritannien) und Bryan Clay (USA) sowie dem deutschen Rekordhalter Jürgen Hingsen (beide 8.832 Punkte).

Endlich der erste Titel bei den „Großen“

Im Siebenkampf war je nur Weltrekordler Ashton Eaton (USA; 6.645 Punkte) besser. „Es war wunderschön, endlich die Marseillaise zu hören. Ich habe gezeigt, dass ich nicht nur in der Jugend gewinnen kann, sondern auch bei den Männern“, jubelte Kevin Mayer nach seinem Gold-Coup von Belgrad. In den Jugendklassen hatte er 2009 U18-WM-Gold (Achtkampf) und 2010 sowie 2011 die Zehnkampf-Titel bei der U20-WM und U20-EM gewonnen.

Nach seinem Erfolg in Rio wurden dem Model-Athleten sogar Filmrollen angeboten. Doch Kevin Mayer lehnte dankend ab. Er weiß: Mit 25 Jahren kommen die besten Mehrkampf-Jahre erst noch. Darum glaubt der vor wenigen Monate zurückgetretene Zehnkampf-Weltrekordler Ashton Eaton fest daran, dass Kevin Mayer eines Tages seine Marke von 9.045 Punkten verbessern wird. Vielleicht sogar schon bei der WM im August in London (Großbritannien). „Wenn Kevin Mayer und Damian Warner bei der WM in Top-Form an den Start gehen, kann der Weltrekord gebrochen werden. Beide sind richtige Wettkampftypen“, sagte der zweimalige Zehnkampf-Olympiasieger nach Mayers Europarekord von Belgrad.

Tag zwei als Trumpfkarte

In einer „Zehnkampf-Halbzeit“ ist der Franzose ohnehin schon besser als der Großmeister aus den USA: Am zweiten Tag sammelte Kevin Mayer bei den Olympischen Spielen in Rio 4.399 Zähler – lediglich Dave Johnson (USA), Olympia-Dritter von 1992 in Barcelona (Spanien), war mit 4.455 Punkten jemals stärker. Ashton Eaton kam bei seinem Weltrekord bei der WM in Peking (China) lediglich auf 4.342 Punkte – Rang elf in der Punkte-Hitliste des zweiten Zehnkampf-Tags.

Ausgerechnet seine „Patzer-Disziplin“ von Büdelsdorf ist zur absoluten Stärke von Kevin Mayer geworden. 5,40 Meter lautet mittlerweile seine Stabhochsprung-Bestleistung in der Halle wie im Freien. Auf diese Disziplin wird in der Ausbildung in Frankreich sehr viel Wert gelegt. Schon als Jugendlicher hatte der aus der 100.000-Einwohner-Stadt Argenteuil nordwestlich von Paris stammende Mehrkämpfer eine beachtliche Bestleistung von 5,00 Metern aufzuweisen. Seine zweite Paradedisziplin war in Belgrad der Hürdensprint. Erstmals blieb er über 60 Meter Hürden unter acht Sekunden – und das mit 7,88 Sekunden gleich recht deutlich.

Training mit Spezialisten

In der Vorbereitung auf die Hallen-EM profitierte Kevin Mayer extrem von gemeinsamen Einheiten mit Pascal Martinot-Lagarde. Der Hallen-EM-Zweite und Olympia-Vierte bringt mit 1,90 Metern Körpergröße ähnliche Voraussetzungen mit wie der Mehrkämpfer. Auch in anderen Disziplinen vertraut Kevin Mayers Coach Bertrand Valcin, der ihn seit U18-Zeiten betreut, auf starke Trainingspartner. So stehen im Stabhochsprung Einheiten mit 5,81-Meter-Springer Kevin Menaldo auf dem Programm.

In den kommenden Monaten dürften weitere Spezialisierungen bevorstehen. Denn vermutlich wird Kevin Mayer vor der WM Anfang August keinen Zehnkampf bestreiten, die London-Nominierung des französischen Verbandes ist ihm bereist sicher. So stehen Einzelstarts im Fokus. „Beim Mehrkampf-Europacup Anfang Juli in Tallinn wird Kevin in keinem Fall dabei sein. Dann sind es nur noch sechs Wochen bis zur WM, er braucht aber acht Wochen, um sich von einem Zehnkampf zu erholen“, sagte Betrand Valcin gegenüber der L’Equipe. Denkbar wäre höchstens ein Start beim Mehrkampf-Klassiker in Götzis Ende Mai.

Karriere-Höhepunkt beim „Olympia-Heimspiel“ 2024?

Doch ob Götzis-Start oder nicht: Für den 25-Jährigen stehen ohnehin die großen Meisterschaften im Mittelpunkt. Olympia-Silber und Hallen-EM-Gold haben Kevin Mayer auf den Geschmack gebracht. Bei der WM in London wird er der Gejagte sein. Sollte er dort siegen, fehlt nur noch der Olympiasieg. Zwei Anläufe will Kevin Mayer noch wagen. Schließlich hat er nach Rio den Vertrag mit seinem Ausrüster Nike gleich um acht Jahre verlängert.

Mit 32 Jahren könnte er seine erfolgreiche Karriere womöglich im Olympiastadion von Paris krönen. Mitte September entscheidet sich zwischen Frankreichs Hauptstadt und Los Angeles (USA), wo die übernächsten Olympischen Sommerspiele ausgetragen werden. Eins will Kevin Mayer im Sommer 2024 unter allen Umständen vermeiden: einen „Salto Nullo“ wie einst in Büdelsdorf.

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