| Interview der Woche

Louisa Grauvogel: „Ich wollte es allen zeigen“

Als erste deutsche Siebenkämpferin hat Louisa Grauvogel (LG Saar 70) am Wochenende in Halle/Saale die Norm für die Heim-EM in Berlin abgehakt. Mit Bestleistung von 6.053 Punkten darf die 22-Jährige auf ihre ersten großen internationalen Meisterschaften hoffen. Im Interview mit leichtathletik.de spricht die Biochemie-Studentin über die ihre neue Bestmarke, ihr Studium in den USA und eine Spezialdisziplin mit Norm-Potenzial.
Sandra Arm

Louisa Grauvogel, herzlichen Glückwunsch zur EM-Norm. Sind Sie mit diesem Ziel im Hinterkopf hierhergekommen?

Louisa Grauvogel:

Ja, dafür bin ich extra aus Amerika angereist, um die Norm zu erfüllen. Es war auf jeden Fall das Ziel, die 6.000 Punkte zu erreichen. Allerdings war es nicht so ganz klar, ob ich es auch schaffe. Meine bisherige Bestleistung lag bei 5.887 Punkten. Das wären noch mal 100 Punkte mehr. Ich wusste, ich habe das Selbstbewusstsein und fühle mich fit, um es zu schaffen.

Sie studieren in den USA und sind extra für den Wettkampf angereist. Wann sind Sie in Deutschland angekommen?

Louisa Grauvogel:

Gelandet bin ich am Montagabend, und dann brauche ich immer so zwei, drei Tage, um mich zu akklimatisieren. Am Freitag habe ich mich schon einigermaßen gut gefühlt, am Samstag war ich dann fit.

Fit für Ihren zweiten Siebenkampf in diesem Jahr.

Louisa Grauvogel:

Zuvor habe ich der Halle schon drei Fünfkämpfe gemacht. Das war in diesem Jahr schon recht viel.

Bisher scheinen Sie das gut wegzustecken, 2018 scheint Ihr Jahr zu werden. Was läuft aktuell anders als in den Jahren zuvor?

Louisa Grauvogel:

Es gab immer wieder kleine Probleme. Im vergangenen Jahr musste ich mich erstmal an das neue Training in den USA gewöhnen. Meine Entwicklung hat etwas stagniert. Ich war zwar schon immer schnell, aber irgendwie ist das ein bisschen verloren gegangen. In diesem Jahr hat das Training endlich angeschlagen, es ging mit der Schnelligkeit voran und wenn das funktioniert, dann klappt das andere auch.

Wie hilft Ihnen das Training in den USA, diese Topzeiten und -weiten anzubieten?

Louisa Grauvogel:

Auf das Kraft- und Schnelligkeitstraining wird verstärkt der Fokus gelegt. Beides hat mich unheimlich fit gemacht und ist einer der Hauptfaktoren, warum ich so gut bin. Das Techniktraining ist noch ausbaufähig.

Von wem werden Sie in den USA trainiert?

Louisa Grauvogel:

Mein Coach kommt ursprünglich aus Zypern, er heißt Petros Kyprianou. Bei ihm trainiere ich alle Disziplinen, allerdings kennt er sich im Wurfbereich nicht so explizit aus. Bisher hatte ich erst zwei oder drei Mal den Speer in der Hand, weil wir eine extrem lange Hallensaison hatten. Daher verlief das Speerwerfen in Halle etwas zittrig. Auch von den anderen Trainingszeiten war mir klar, dass es in Halle nicht überall optimal laufen wird.

In Halle wurden Sie allerdings von Ihren Heimtrainern betreut, von denen Sie sich auch während Ihres Aufenthalts in den USA weiterhin Tipps holen. Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Deutschland und den USA?

Louisa Grauvogel:

In Halle hat mich Tanja Horbach betreut. Sie ist zugleich meine Hürdentrainerin. Wir schicken uns oft Videos hin und her. Auch mit Lothar Altmeyer, meinem Kugelstoßtrainer, passt alles. Ich bin unheimlich froh, dass die Kommunikation mit meinen Heimtrainern so gut funktioniert.

Sie konnten Ihre Leistungen vorrangig über 200 Meter und 100 Meter Hürden enorm steigern. Worauf lässt sich diese Steigerung zurückführen?

Louisa Grauvogel:

Ich trainiere an der Uni (University of Georgia) mit Topleuten wie die US-Amerikanerinnen Tara Davis, sie läuft 12,70 Sekunden über die Hürden, oder auch Kendell Williams. Williams ist U20-Weltmeisterin über die Hürden. Das ist absolut cool, mit solchen Leuten zu trainieren. Wenn ich in die Rennen gehe, verspüre ich keine Angst. Ich fühle mich entspannt und mache mein Ding.

Sie haben sich im Sommer 2016 zu einem Studium in den USA entschieden. Was gab den Ausschlag, dass Sie noch immer dort studieren?

Louisa Grauvogel:

Ursprünglich wollte ich ein Jahr bleiben mit dem Hintergedanken, dass ich vielleicht doch etwas länger hier studiere. Im vergangenen Jahr hat sich meine Schnelligkeit schon ein bisschen verbessert. Ich habe mir gedacht, wenn ich meine Leistung im kommenden Jahr nochmals steigern kann, dann habe ich richtig gute Chancen sowie das Potenzial für eine gute Punktzahl. Hinzu kam, dass ich im vergangenen Jahr keinem Bundeskader angehörte, ich habe die nötige Punktzahl nicht erreicht. Mein Ziel war es nun, es allen zu zeigen. Ich habe mich daraufhin entschieden, noch ein Jahr länger zu bleiben.

Wie verläuft Ihre Collegezeit?

Louisa Grauvogel:

Ich muss am Dienstag schon wieder zurück an die Uni, um Klausuren nachzuschreiben. Am kommenden Wochenende steht ein Wettkampf an, wo ich in der Staffel starten werden. In vier Wochen folgt die NCAA-Meisterschaft, anschließend fliege ich zurück nach Deutschland. In Ratingen (16./17. Juni) bin ich dabei und hoffe, dass ich zur EM nach Berlin fahren kann.

Sie studieren Biochemie, obwohl Ihr Berufswunsch eigentlich Ärztin ist.

Louisa Grauvogel:

In den USA gibt es solch ein Medizinstudium wie in Deutschland nicht. Man muss zuerst andere Fächer wie Biologie oder Biochemie auf Bachelor studieren, um danach an die Medical School zu gehen. Für mich stehen mit diesem Studium alle Optionen offen. Ich kann mich nach meiner Rückkehr nach Deutschland zum Beispiel in Saarbrücken für Medizin oder an anderen Unis mit Schwerpunkt Biochemie und Molekularbiologie einschreiben.

Wann wollen Sie die Uni abschließen?

Louisa Grauvogel:

Theoretisch im nächsten Jahr, ich will es in zwei Jahren beenden. Zudem überlege ich, ob ich im Sommer nicht wieder nach Deutschland zurückkomme. Es ist doch etwas schwierig in den USA, falls ich beispielsweise eine Einladung nach Götzis bekomme und sie nicht annehmen kann, weil mich der Trainer nicht gehen lässt. Der größte Wunsch eines jeden Sportlers ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Das kann ich nicht erreichen, wenn ich in den USA studiere.

Das Fernziel Olympia schwebt über allen. Das Nahziel könnte Heim-EM in Berlin lauten. Wie hört sich das für Sie an?

Louisa Grauvogel:

Die Vorfreude ist schon riesig. Aber man muss erstmal abwarten, was die anderen Siebenkämpferinnen abliefern. Ich wünsche ihnen viel Glück und hoffe, dass drei Mädels in Berlin an den Start gehen können.

Für Sie könnte die EM in Berlin ja auch noch in einer anderen Disziplin, Ihrer eigentlichen Spezialdisziplin, zum Thema werden…

Louisa Grauvogel:

Das sind die 100 Meter Hürden. Mit meiner Bestleistung von 13,16 Sekunden bin ich nah dran an der Einzelnorm von 13,10 Sekunden für die EM, was mich doch sehr überrascht hat. Ich bin gespannt, was in den nächsten Wettkämpfen passiert. Vielleicht kann ich die Norm über die Hürden auch noch schaffen.

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