| Was macht eigentlich...?

Mike Fenner überwindet neue Hürden

Er ist einer von nur drei Deutschen, die die 110 Meter Hürden in unter 13,10 Sekunden gerannt sind. Auf dem Sportplatz ist Mike Fenner aber mittlerweile selten zu Gast. Seine neuen Wirkungsfelder: sein "Global Village Kindergarten" sowie archäologische Recherchen auf Feldern, Wiesen und Burgwällen.
Peter Grau

In den 90er Jahren gehörte der Berliner Mike Fenner zur deutschen Spitze im Hürden-Kurzsprint. Seine Bestzeit über 110 Meter Hürden lief er 1995 in Scheeßel mit 13,06 Sekunden. Das war damals Weltjahresbestzeit und gleichzeitig deutscher Rekord. Seine größten internationalen Erfolge errang Mike Fenner mit zwei Bronzemedaillen bei den Hallen-Europameisterschaften 1994 in Paris (Frankreich) und 1998 in Valencia (Spanien). 

2006 beendete Mike Fenner seine sportliche Karriere. Danach riss naturgemäß die Verbindung des Journalisten zum Athleten ab. Erst 2014 sah der Autor den nunmehr Ex-Leichtathleten wieder, als dessen Tochter Jamie Lee bei der Fernsehshow „The Voice of Germany“ für Aufsehen sorgte und Mike Fenner gemeinsam mit Ehefrau Nicole im Hintergrund ins Bild kamen.

Doch was macht der mittlerweile 44 Jahre alte Mike Fenner heute beruflich? Er ist gemeinsam mit seiner Frau Geschäftsführer eines Kindergartens in Berlin-Tempelhof im Ortsteil Marienfelde. Anlass genug, ihn dort zu besuchen, um Näheres zu erfahren.

Aufbau einer "Wohlfühl-Oase für Kinder"

Bereits an der Eingangspforte empfängt Mike Fenner den Besucher. Im Vergleich zu seiner aktiven Zeit hat er sich äußerlich nur wenig verändert. Sein Wettkampfgewicht betrug früher bei einer Körpergröße von 1,88 Meter 94 bis 96 Kilogramm, heute wiegt er 100 Kilogramm.

Voller Stolz zeigt er sogleich das Umfeld des Kindergartens. Man fühlt sich auf einen kleinen Bauernhof versetzt, und das ist gewollt. „Viele Kinder haben leider heutzutage nur noch wenige Beziehungen zu Tieren, zu landwirtschaftlichen Produkten“, erklärt Mike Fenner. „Deshalb haben wir hier Schafen eine Heimstatt gegeben, wollen demnächst einen Streichelzoo schaffen. Auch im Anbau von Obst und Gemüse können sich die Kinder beweisen.“

Die alten Stallungen wurden umgebaut. Dort befinden sich nun unter anderem eine Kinderbackstube, ein Elterncafé und Veranstaltungsräume. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass er sich eine solche „Wohlfühl-Oase für Kinder“ aufbauen konnte?

Über den Fußball zur Leichtathletik

Es war ein langer Weg. Zuerst bestimmte der Sport Mike Fenners Leben. Auf der Insel Rügen begann er als Fußballer bei der BSG Lok Bergen. Nach dem Umzug nach Berlin spielte er einige Zeit beim FC Union Berlin, doch weil die, wie er dem Autor vor 20 Jahren bei einem Interview erklärte, „keinen technisch guten Fußball spielten“, wechselte er zur Leichtathletik und gewann erste Medaillen bei Kreis-und Bezirksspartakiaden.

1983 wurde er zur Kinder-und Jugendsportschule und zum TSV Berlin delegiert. Dort wollten ihn alle, die Werfer, die Mehrkämpfer und die Sprinter. Mike Fenner entschied sich für das schnelle Laufen und fand den Weg zum Hürdensprint. Positive erste Impulse setzte dort Trainer Alfred Papendick, ab 1988 wurde er von Uwe Hakus trainiert.

Nach der Wende sechs deutsche Meistertitel

Die Erfolge stellten sich ein. Mike Fenner gewann 1988 und 1989 den DDR-Juniorenmeistertitel über 110 Meter Hürden und wurde 1990 bei den letzten DDR-Meisterschaften in Dresden Zweiter. Er liebte an seiner Disziplin: „Das ganze Zusammenspiel zwischen Geschwindigkeit, Geschmeidigkeit und Technik finde ich einfach super“, erklärte er damals.

Nach der Wende wechselte er mit seiner Trainingsgruppe und Trainer Uwe Hakus zum SCC Berlin, später zum TV Wattenscheid. 2001 und 2004 wurde er Deutscher Meister über 110 m Hürden, in der Halle holte er sich diesen Titel viermal. International gewann er zwei Bronzemedaillen bei Hallen-Europameisterschaften und kam 2004 bei Olympia bis in den Zwischenlauf.

Zu seiner aktiven Zeit konnte Mike Fenner es sich gut vorstellen, später als Trainer tätig zu werden. So schloss er 2006 an der DLV-Trainerschule in Mainz seine A-Trainer-Ausbildung ab. Nach seinem Abschied vom Leistungssport praktizierte er auf privater Ebene als Trainer, betreute Tennisspieler, A-Jugend-Fußballer, Hockeyspieler und auch einige Leichtathleten. Doch nach einiger Zeit stellte er fest, dass es ihn nicht mehr so packte wie früher. „Es war ein sehr schöner Lebensabschnitt, aber ich wollte einfach nicht bis 65 dort bleiben, wollte etwas neues, anderes wagen“, erinnert er sich.

Neubeginn auf einem alten Gutshof

Für einen Neubeginn hatte er mit seiner Frau Nicole eine ideale Partnerin. Sie hatte BWL studiert und Anfang der 2000er Jahre eine Betreuungsagentur für Kinder aufgebaut, also eine Art Babysitter-Dienst. Irgendwann überlegten sie, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. „ Wir sind beide Arbeitstiere, können rund um die Uhr arbeiten“, erklärt Mike Fenner.

Vor fünf Jahren fanden sie ein Grundstück mit Haus in Tempelhof-Mariendorf, einen alten Gutshof, der aber völlig entkernt, zu Wohnungen umgebaut und mittlerweile ziemlich heruntergekommen war. „Aber wir konnten uns vorstellen, hier etwas in Richtung Kinderbetreuung zu machen.“

Die Fenners mussten sich lange um das Grundstück bemühen. „Wir haben mit dem Messer zwischen den Zähnen bis aufs Blut gekämpft“, formuliert es Mike drastisch. „Unser Beamtentum ist recht langsam, viele bürokratische Hürden standen im Weg.“ Doch Hürden zu überwinden war er gewohnt. „ Es hat lange gedauert, ehe wir das Grundstück kaufen konnten. Und dann gab es vieles im Gebäude aufzuarbeiten. Das Handwerkliche habe ich meistens allein gemacht.“

"Global Village Kindergarten"

Doch all die Mühen haben sich gelohnt. „Wir sind alle zufrieden. Wir haben tolle Kinder und tolle Eltern.“ Insgesamt 25 Festangestellte sorgen sich um das Wohl und Wehe der 110 Kinder, hinzu kommen Honorarkräfte, etwa fürs Tanzen und für den Sport. Es besteht sogar eine Warteliste - der Lohn für ein stimmiges Konzept.

Der Name „Global Village Kindergarten“ zeigt die Richtung: Die Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren unternehmen eine kleine Weltreise, werden von ihren Erzieherinnen und Erziehern Jahr für Jahr von einem Kontinent zum anderen geführt. Entsprechend sind die sieben Gruppenräume gestaltet. Die tägliche englische Sprachförderung wird spielerisch in den Alltag integriert.

Musikalische Familie

Für ihre Tochter Jamie-Lee hätten die Fenners früher sicher gerne einen ähnlichen Kindergarten gefunden. Mittlerweile ist diese aus dem Kindesalter längst heraus, befindet sich gerade im Abiturstress. In welche Richtung es dann weitergehen wird, ist noch offen. Unterstufenlehrerin hat sie im Kopf, Kinder-Psychologie, vielleicht auch irgendetwas mit Medien. Weniger wird sie auf die Musik setzen. Zwar fand sie die Erfahrung bei „The Voice of Germany“ toll, lernte dabei auch einige Leute aus dem Musik-Business kennen. Doch sie weiß wie schwer es ist, beruflich allein auf die Musik zu setzen.  

Auch für Vater Vater Mike Fenner ist die Musik schon immer eine große Leidenschaft gewesen. „Ich spiele Gitarre, bezeichne mich aber nicht als Musiker. Ich war auf vielen Konzerten und habe dabei auch oft meine Tochter mitgenommen. Ich habe ihr die  Beatles, die Rolling Stones und David Bowie nahegebracht. Auch Bruce Springsteen gehörte dazu, den ich rund 30 mal bei Konzerten erlebt habe, unter anderem 1988 beim legendären Konzert vor 200.000 bis 300.000 Zuschauern in Berlin-Weißensee. Ich finde es wichtig, dass man sich auch mit der Geschichte der Musik beschäftigt, wenn man Musik machen will, mit ihren Anfängen.“

Fund des Goldschatzes von Biesenbrow

Dass der Sportler Fenner nie eingleisig fuhr, beweist eine weitere Leidenschaft. „Seit ewigen Zeiten interessiere ich mich für Geschichte und speziell für Archäologie. Doch während meiner Zeit im Leistungssport konnte ich ja nicht mit einem Metalldetektor über die Felder laufen. Das hätte mir meine Muskulatur übel genommen.“ Umso schöner für ihn, dass er nun im Team des Mittelalter-Archäologen Prof. Felix Biermann mitarbeiten darf.

„Ich bin vor allem in Brandenburg und Berlin auf Feldern, Wiesen und Burgwällen dabei, wenn wir all das suchen, was in Jahrhunderten verlorengegangen ist.“ Ein spektakulärer Fund gelang der Gruppe nahe des Stolper Turms in Angermünde, als sie dort acht Gräber fand und zudem einen aus 900 Stücken bestehenden Silberschatz. Mike Fenner schwärmt außerdem von dem Moment, als sie ebenfalls in Angermünde 2011 auf zehn Münzen aus dem Goldschatz von Biesenbrow stießen.

Die Welt des Mike Fenner ist also in Ordnung. Über Langeweile kann er nicht klagen. Nach vielen Jahren im Sport hat es der Berliner nicht bereut, eine völlig andere Berufsrichtung eingeschlagen zu haben. Sein Kampfgeist und Durchhaltevermögen haben ihm dabei geholfen, auch auf diesem Weg viele Hürden zu überwinden.

<link http: www.globalvillage-kita.de _blank link zur webseite des global village>Mehr zum Global Village Kindergarten

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