| Interview der Woche

Pamela Dutkiewicz: „Der Lauf meines Lebens, bisher“

In 7,79 Sekunden ist Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz (TV Wattenscheid 01) am Wochenende in Leipzig zu ihrem ersten Deutschen Meistertitel gestürmt. Die 25-Jährige steigerte damit den Meisterschaftsrekord von Cindy Roleder (SV Halle) aus dem vergangenen Jahr, die diesmal ebenfalls mit Bestzeit (7,84 sec) Zweite wurde. leichtathletik.de hat mit der Siegerin aus Wattenscheid über ihren Aufstieg in diesem Winter, das Rennen in Leipzig und die Hallen-EM in Belgrad (Serbien; 3. bis 5. März) gesprochen.
Jan-Henner Reitze

Pamela Dutkiewicz, herzlichen Glückwunsch zum Titel, Meisterschaftsrekord und der schnellsten Zeit einer Deutschen seit 28 Jahren auf dieser Strecke. Können Sie ihre Leistung mit etwas Abstand inzwischen realisieren?

Pamela Dutkiewicz:

Ich habe mir das <link video:15761>Video des Laufes schon ganz oft angeschaut. Es ist wunderschön zu sehen, dass ich meine Leistung auf den Punkt abrufen konnte. Es war der beste Lauf meines Lebens, bisher. Ich bin zum ersten Mal Deutsche Meisterin geworden. Ich bin zum ersten Mal eine Ehrenrunde gelaufen. Das bedeutet mir wahnsinnig viel. Die Zeit habe ich noch gar nicht realisiert. Es ist fast noch eine Zehntel schneller als eine Woche zuvor in Berlin. Das ist völlig verrückt.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das Video ansehen?

Pamela Dutkiewicz:

Ganz viele Kleinigkeiten. In der Fertig-Position tendiere ich dazu, vor dem Start minimal runter zu gehen und die Spannung aufzulösen. Das habe ich auch in diesem Lauf gemacht. Zur ersten Hürde laufe ich einen kleinen Tick nach rechts. Es geht nur um Zentimeter, aber damit auch um ein bisschen Zeit. Ich habe auch gesehen, dass ich mich nicht ins Ziel geworfen habe. Im Auslauf nach der letzten Hürde, habe ich wohl schon gedacht: Krass, du hast es gemacht! Und die Freude darüber war so groß, dass ich mich nicht mehr nach vorne geworfen habe.

Das sind ja nur negative Dinge, ist Ihnen auch etwas Positives aufgefallen?

Pamela Dutkiewicz:

(Grinst). Natürlich. Mein Start war gut. Zwischen Hürde drei und vier hatte ich einen megaguten Abstand. In der Aufnahme von vorne sieht man, dass ich sehr geradlinig gelaufen bin. Ich hatte den Oberkörper immer vorn. Es war einfach ein runder Lauf wie es selten gelingt. Aber klar, es gibt auch immer etwas, das man noch besser machen kann. Ich habe schon eine Auswertung vom Bundestrainer bekommen, mein Trainer Slawo Filipowski hat ein analytisches Auge. Wir arbeiten immer weiter.

Im Vorlauf hatten Sie einen Strauchler, der Sie fürs Finale aber offensichtlich nicht negativ belastet hat?

Pamela Dutkiewicz:

Nein, und darauf bin ich sehr stolz. Ich bin bei den Meetings in Düsseldorf, Karlsruhe und Berlin in diesem Winter schon in den Vorläufen immer gegen starke Konkurrenz angetreten. Ich habe die Läufe vom Kopf her so angesteuert, dass ich mit den Mädels mitlaufen und mich ranbeißen wollte. Einen Lauf vorne gestaltet, habe ich in diesem Winter noch nicht. Deshalb war ich in Leipzig vor dem Vorlauf auch nervöser als vor dem Finale. Mir ist dann auch der Fehler passiert. Und ich bin stolz darauf, dass ich diese Situation abhaken und so ein Raketending auf die Bahn hauen konnte. Vor ein paar Jahren hätte ich das so nicht geschafft.

Sie mussten auf dem Weg nach oben einige Rückschläge wegstecken, zum Beispiel bei der Hallen-DM 2015. Im Finale hatten Sie erstmals eine Norm für eine internationale Meisterschaft der Erwachsenen unterboten, knickten dann aber im Auslauf unglücklich um, zogen sich eine Fußverletzung zu und letzten Endes war das ganze Jahre gelaufen. Wie sind Sie mit solchen Rückschlägen umgegangen?

Pamela Dutkiewicz:

Es klingt zwar abgedroschen, aber solche Rückschläge machen stärker. Die Fußverletzung nach der Hallen-DM 2015 hat entschleunigt. Es hat mir die Gelegenheit gegeben, über mich als Athletin nachzudenken. Sonst ging es immer Schlag auf Schlag von Saison zu Saison weiter. Durch Rückschläge habe ich mich auch sehr intensiv mit dem Hürdensprint beschäftigt, mit jedem Detail der Technik. Man fragt ständig: Was kann ich verbessern?

Haben Sie nie gezweifelt, ob Sie es schaffen können?

Pamela Dutkiewicz:

Außenstehende sehen immer nur die Resultate am Ende einer Saison. Ich denke, die Rückschläge in meiner Karriere wurden von außen schlimmer wahrgenommen als von mir selbst. Meine Eltern sind auch Leistungssportler. Meine Mutter war 800-Meter-Läuferin und mehrfache polnische Meisterin, mein Vater Fußballer in der ersten polnischen Liga. Sie haben mir immer gezeigt, dass Niederlagen dazugehören und man dran bleiben muss. So bin ich groß geworden. Ich wusste immer, in mir steckt mehr und meine Zeit kommt.

Was hat dazu geführt, dass Sie dieses Jahr den Durchbruch schaffen konnten?

Pamela Dutkiewicz:

Da kommen verschiedene Elemente zusammen, die jetzt einfach ineinander greifen. Ich bin körperlich fitter geworden. Das Training lief. Ich arbeite mit einer Sportpsychologin zusammen. Ich habe ein super privates Umfeld. Sportler zu sein, ist ein 24-Stunden-Ding. Und wenn alles zusammenpasst, spiegelt sich das in der Leistung wieder.

Können Sie noch etwas genauer erklären, wie Sie sich auf der Sprintbahn verbessern konnten?

Pamela Dutkiewicz:

Die Zusammenarbeit mit meinem Trainer Slawo läuft super. Wir verstehen uns einfach. Ein Punkt, den ich zum letzten Jahr technisch verbessern konnte, ist mein Nachziehbein. Ich halte es kompakt vor dem Körper. Dadurch entsteht der Impuls weiterzulaufen und nicht neben den Körper zu treten. Schon im vergangenen Jahr konnte ich gute Rennen bestreiten und einen ersten Schritt in die internationale Richtung machen. Bei der EM war ich im Finale. Ein Schlüsselerlebnis und richtiger Booster waren dann meine Rennen bei Olympia in Rio. In diesem Winter waren meine Starts bei den international besetzten Meetings sehr viel wert. Die Chance, mit den schnellen Mädels mitzulaufen hat mir gezeigt, dass ich so weit bin.

Welche Rolle spielt Cindy Roleder für Sie, die in Leipzig mit Bestzeit von 7,84 Sekunden auf Rang zwei lief?

Pamela Dutkiewicz:

Cindy ist für mich eine riesige Sportlerin. Sie zeigt uns in Deutschland, dass es möglich ist, international Fuß zu fassen. Bevor Cindy das geschafft hat, dachte ich, das ist für eine deutsche Athletin nicht möglich. Cindy hat eine Schranke geöffnet.

Sie haben auch die Zusammenarbeit mit Ihrer Sportpsychologin angesprochen. Von wem werden Sie betreut und wie hilft Ihnen diese Zusammenarbeit konkret?

Pamela Dutkiewicz:

Ich arbeite mit Gaby Bussmann zusammen, ehemalige 400-Meter-Läuferin und Olympia-Dritte mit der 4x400 Meter Staffel 1984. Sie kennt den Sport also aus eigener Erfahrung. Das ist ein großer Vorteil. Ich muss nicht viel sagen oder erklären und sie versteht mich trotzdem. Ich bin im Moment einmal pro Woche bei ihr. Es geht zum Beispiel um Situationen im Training. Oder aktuell um meinen überraschend schnellen Einstieg in die Saison. In meinem allerersten Rennen des Jahres in Düsseldorf bin ich im Vorlauf 7,95 Sekunden gelaufen. Da ist so ein Ballast von mir abgefallen, dass ich Schwierigkeiten hatte, für den zweiten Lauf die nötige Spannung und Konzentration aufzubauen. Daran haben wir gearbeitet. Die Lösung ist, dass ich mir nach dem ersten Lauf erlaube, zwischenzeitlich runterzukommen und die Spannung dann neu aufzubauen. Wenn man einmal oben ist, kann man die Kurve der Konzentration nicht oben halten. Um solche Dinge geht es. Einige Methoden werden aber auch nicht öffentlich verraten (lächelt).

Wie sieht es neben dem reinen Trainingsalltag aus?

Pamela Dutkiewicz:

Ich konnte neben dem Sport auch in meiner beruflichen Laufbahn den nächsten Schritt machen und habe meinen Bachelor in Mathematik auf Grundschullehramt abgeschlossen. Dazu kommt eine super Unterstützung von meinen Eltern und meinem Freund. Er ist Physiotherapeut und versteht den Sport deshalb wortlos. Ich muss nicht viel darüber reden. Das tut mir wahnsinnig gut.

Sie sind jetzt die schnellste Athletin des Jahres in Europa. Mit welchen Zielen reisen Sie zur Hallen-EM nach Belgrad?

Pamela Dutkiewicz:

Prinzipiell denke ich immer von Wettkampf zu Wettkampf und war bisher auf die Deutsche Meisterschaft fokussiert. Viele Gedanken habe ich mir über die EM noch nicht gemacht. Aber natürlich zählt es für mich mit dieser Vorleistung, in das Finale zu kommen. Dann kann über 60 Meter Hürden so viel passieren. Vermutlich werden Hundertstel entscheiden. Mein Ziel ist es, wie in Leipzig auf den Punkt da zu sein. Ich werde den Wettkampf wie ein internationales Meeting angehen und alles tun, mitzurennen.

Haben Sie schon darüber nachgedacht, was Ihre Zeiten aus der Hallensaison über 100 Meter bedeuten könnten?

Pamela Dutkiewicz:

Daran habe ich noch nicht gedacht, mein Trainer dagegen schon. Meine Stärke liegt bei den 100 Metern eher hinten raus auf den letzten fünf Hürden. Slawo sagt auf jeden Fall, mit einer solchen Zeit über die 60 Meter werden es über die 100 Meter nicht mehr die 12,85 Sekunden, die da jetzt als Bestzeit stehen.

Wie oft werden Sie sich Ihren Lauf von Leipzig noch anschauen?

Pamela Dutkiewicz:

Vermutlich noch tausend Mal. Auch als Beispiellauf vor meinen Wettkämpfen, um zu sehen: Du kannst es.

Mehr:

Video-Interview: <link video:15809>Pamela Dutkiewicz: "Konnte endlich zeigen, was ich drauf habe"
Video: <link video:15761>Pamela Dutkiewicz pulverisiert Meisterschaftsrekord

<link http: www.leichtathletik.de termine top-events hallen-dm-2017-leipzig btn>HALLEN-DM 2017 LEIPZIG

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