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Timo Benitz im Aufwind

Timo Benitz (LG Farbtex Nordschwarzwald) hat vergangene Woche beim Meeting in Dessau (11. Juni) dort angeknüpft, wo er mit seinem 1.000-Meter-Sturmlauf in Pliezhausen aufgehört hatte: In 3:34,94 Minuten knackte der 22-Jährige die EM-Norm und qualifizierte sich auch für die Team-EM in Braunschweig, wo er am Sonntag über 800 Meter an den Start gehen wird - und damit Robin Schembera auf die Zuschauerposition verdammte.
Philip Häfner

Die Verantwortlichen beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) waren um ihre Aufgabe wahrlich nicht zu beneiden. Die Lauf-Bundestrainer standen vor der schweren Entscheidung, wen ihrer beiden derzeit wohl stärksten Mittelstreckler sie für die Team-EM nominieren sollten: Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankfurt) oder Timo Benitz (LG Farbtex Nordschwarzwald). Sie wollten keinen der beiden zu Hause lassen.

Während Tesfaye, der vergangene Woche beim Diamond League-Meeting in Oslo (Norwegen) nur knapp den deutschen Rekord über die Meile verpasste, über die angestammten 1.500 Meter antritt, startet Timo Benitz in Braunschweig über die kürzeren 800 Meter.

Beim Anhalt-Meeting vergangenen Mittwoch in Dessau hatte sich Timo Benitz noch einmal mit Nachdruck für einen Platz im deutschen Team empfohlen. In 3:34,94 Minuten knackte der Schwarzwälder die EM-Norm über 1.500 Meter und verbesserte seine bisherige Bestzeit mal eben um sechs Sekunden. 250 Meter vor dem Ziel hatte Benitz den Turbo gezündet. Die nationale Konkurrenz um Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg/3:36,88 min) und den Berliner Carsten Schlangen (3:37,78 min) hatte dem unwiderstehlichen Antritt des kleinen Kämpfers nichts entgegenzusetzen.

Schlaf als Leistungsfaktor

Schon im Mai beim Läufermeeting der krummen Strecken in Pliezhausen hatte der Student der Luft- und Raumfahrttechnik mit starken 2:16,90 Minuten über 1.000 Meter aufhorchen lassen – die Zeit war die elftschnellste, die je ein deutscher Läufer gelaufen ist, und steht noch immer als Weltjahresbestleistung. Benitz‘ simple Erklärung für den Leistungssprung lautet: „Die Motivation stimmt bei mir zurzeit zu 100 Prozent, dann müssen die Beine einfach mit.“

Das lange Pfingstwochenende vor dem Rennen in Dessau nutzte er außerdem, um sich endlich einmal richtig auszuschlafen, was angesichts einer 35-Stunden-Woche im dualen Studium und der Trainingsbelastung sonst nur selten möglich ist. „Normalerweise habe ich nur fünf Stunden Schlaf“, erzählt er.

Beim Anhalt-Meeting war er jedoch im richtigen Moment hellwach. „Die Zeit ist einfach nur geil, und sie bringt mich richtig voran“, sagt Timo Benitz. „Damit habe ich jetzt die Möglichkeit, auch mal in internationale Rennen hineinzukommen und vielleicht mit etwas Glück sogar mal einen Startplatz in der Diamond League zu ergattern.“

Schembera schielte trotz Ausstieg auf Nominierung

Leidtragender ist Robin Schembera (TSV Bayer 04 Leverkusen), der trotz Poleposition mit 1:46,33 Minuten in der aktuellen deutschen Jahresbestenliste über 800 Meter nicht für die Team-EM berücksichtigt wurde. Benitz‘ Bestzeit steht seit Ende Mai bei 1:46,59 Minuten.

Trotz seines Ausstiegs in Dessau, wo er nach 600 Metern aus dem Rennen ging, war Robin Schembera eigentlich fest davon ausgegangen, nominiert zu werden. „Ich bin ja nicht verletzt, sondern ich war einfach nur müde, weil ich mir nach dem Rennen in Hengelo keine Pause gegönnt hatte“, sagt er. Beim Meeting in den Niederlanden war Schembera Anfang Juni 1:46,33 Minuten gelaufen, nur acht Hundertstel fehlten ihm zur EM-Norm.

Die wollte er nun eigentlich bei der Team-EM in Braunschweig knacken. „Ich glaube nämlich, dass es in diesem Jahr kein taktisches Rennen wird, sondern am Ende für den Sieger eine Zeit von 1:45 Minuten herausspringt, vielleicht sogar noch schneller“, sagt Schembera.

Schwachstelle Rücken

Denn der Franzose Pierre-Ambroise Bosse, Europas Jahresschnellster, möge keine unregelmäßigen Rennen, er gehe die Sache lieber von vorn an. In seinem Windschatten wollte der Leverkusener den EM-Richtwert unterbieten. Seine Nicht-Nominierung vereitelte den Plan jedoch.

Es ist ein weiteres Kapitel in einer langen Liste von Rückschlägen, die Robin Schembera in seiner Karriere einstecken musste. 2008 verpasste er das Olympiaticket um wenige Hundertstel. Immer wieder setzten ihn außerdem Verletzungen außer Gefecht, so auch bei den diesjährigen Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig.

Schwachstelle: Rücken

Seine Schwachstelle ist der untere Rücken: Von dort aus strahlen die Schmerzen auch auf andere Körperteile aus. „Wenn die Lendenwirbelsäule blockiert, geht das auch in die Beine“, erklärt Schembera, der deshalb zuletzt vermehrt an seiner Rumpfstabilität gearbeitet hat.

„Viele der Verletzungen waren aber sicher auch psychosomatisch“, sagt er. „In den Jahren 2011 und 2012 war ich echt fertig. Ich hatte die Lust verloren und habe sogar ans Aufhören gedacht“, erzählt Schembera.

Doch dank der Unterstützung seiner Familie, seiner Freundin und seines Trainers Paul-Heinz Wellmann kletterte er langsam wieder aus dem mentalen Loch. „Jetzt bin ich endlich wieder an einem Punkt angelangt, wo es mir Spaß macht“, sagt er. Daran hat auch das Verpassen der Team-EM nicht geändert.

<link>Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift

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