| Interview der Woche

Tom Gröschel: "Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung"

Es war erst sein dritter Marathon. Den absolvierte Tom Gröschel (TC Fiko Rostock) am Sonntag in Düsseldorf aber schon wie ein alter Hase. Nach seinem Doppel-Erfolg mit DM-Titel und Gesamtsieg haben wir mit ihm über seine Steigerung auf 2:13:49 Stunden gesprochen, über müde Beine und einen starken Kopf, über neues Selbstvertrauen und die nächsten Ziele in seiner noch jungen Karriere im Straßenlauf.
Silke Bernhart

Tom Gröschel, vor ein paar Stunden sind Sie in Düsseldorf als Sieger ins Ziel gekommen – schweben Sie noch auf Wolke 7 oder machen sich die schweren Beine schon bemerkbar?

Tom Gröschel:
Die Beine waren schon während des Rennens schwer – der Marathon ist lang, zum Ende hin habe ich sie schon gemerkt. Aber die Leute an der Strecke haben mich ziemlich beflügelt. Im Zielbereich ist der Schmerz dann auch erstmal für eine ganze Weile vergessen, aber jetzt kommt er langsam wieder. Ich bin kein Experte im Marathon, es war erst mein dritter, das betone ich immer wieder, aber ich glaube, es ist noch alles dran und alles im normalen Bereich.

Auf der Strecke sah es aber zumindest von außen kaum nach schweren Beinen aus…

Tom Gröschel:
Ich habe mich vier Monate auf diesen einen Tag vorbereitet. Im Vorfeld zweifelt man natürlich auch gerne das eine oder andere Mal ein bisschen, aber im Nachhinein würde ich sagen, ich war sehr, sehr gut auf das Rennen vorbereitet. Die Beine waren natürlich schwer, aber der größere Faktor ist immer der mentale. Der Kopf muss da durch, wenn die Beine weh tun. Er muss dagegen ansprechen. Und ich glaube, das habe ich heute sehr gut hinbekommen.

Sie konnten fast bis zum Ende in einer größeren Gruppe laufen. Welche Rolle hat das mental gespielt?

Tom Gröschel:

Ich bin sehr, sehr dankbar um das europäische Feld – naja, am Schluss habe ich mir mit dem Neuseeländer ein Duell geliefert, aber ich habe gehört, dass er in London lebt, insofern zähle ich ihn mal dazu. Ich bin 42 Kilometer immer mit jemandem zusammengelaufen, das war sehr dankbar.

Wie haben Sie es geschafft, sich kurz vor dem Ziel noch von Malcolm Hicks abzusetzen?

Tom Gröschel:
Ich hatte eigentlich nicht mehr die Kraft nach vorne zu gehen. Ich habe es immer mal wieder versucht, weil er mir signalisiert hat, dass er auch mal hinten bleiben möchte. Aber da war bei mir nicht mehr so viel im Köcher. Schließlich konnte ich meinen Heimvorteil nutzen, weil ich wusste, dass es auf den letzten 300 Metern ein kleines Stückchen bergab und dann am Wasser entlanggeht. Da konnte ich noch ein bisschen mehr mobilisieren, und es hat für den Sieg gereicht.

Nun sind Sie Deutscher Meister geworden. Das kennen Sie ja schon. Aber Sie haben auch einen großen deutschen Marathon gewonnen. Was bedeutet Ihnen mehr?

Tom Gröschel:
Gute Frage, darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Es ist natürlich schön, einen Marathon zu gewinnen. Aber letztes Jahr, als ich Dritter geworden bin, habe ich mich mindestens genauso gefreut wie heute über den Sieg. Ich versuche ja auch, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, und da die Chance zu nutzen, auf nationaler Ebene Punkte zu sammeln für die Weltrangliste. Insofern war heute der deutsche Meistertitel inklusive einer schnellen Zeit das Wichtigste – und das habe ich beides geschafft.

Die WM-Norm für Doha liegt bei 2:13 Stunden. Haben Sie sich damit im Vorfeld beschäftigt?

Tom Gröschel:

Ich muss ehrlich sein: Darauf lag mein Fokus absolut nicht. Ein WM-Start im Oktober schließt einen schnellen Herbst-Marathon aus. Daher waren die Weltmeisterschaften kein Teil meiner Planungen, weil mir eine bessere Zeit im Hinblick auf Tokio 2020 wichtiger ist. In jedem anderen Jahr würde ich sicher ganz anders sprechen, aber in einem vorolympischen sind die Rahmenbedingungen anders.

Zumal der WM-Marathon im Wüstenstaat Katar mit Startschuss um Mitternacht ganz sicher eine zusätzliche Herausforderung darstellt…

Tom Gröschel:
Genau, da eine schnelle Zeit zu laufen ist schwieriger. Und ich fühle mich noch nicht in der Lage zu sagen: Okay, ich laufe jetzt noch mal zweieinhalb Minuten schneller, um die direkte Olympia-Norm zu unterbieten [Anm. d. Red.: diese liegt bei 2:11:30 h]. Da muss ich einfach ein bisschen taktieren. Aber ich glaube, mit der heutigen Leistung habe ich schon mal ganz gut vorgelegt. Und die EM vom letzten Jahr zählt auch schon für das Ranking. Letzten Endes macht das alles auch nur dann Sinn, wenn ich unter den besten drei Deutschen bin und mir eine gute Position innerhalb der Weltrangliste erarbeite. Dazu gehört noch ganz viel Arbeit. Das war heute ein kleiner Schritt in die richtige Richtung und alles andere kommt in den nächsten anderthalb Jahren.

Ihr Trainer Tono Kirschbaum hat Sie in Düsseldorf – mit dem geforderten Abstand – auf dem Rad begleitet. Trainingspartner Hendrik Pfeiffer hat Tempo gemacht. An der Strecke wurden Sie lautstark unterstützt. Wie wichtig war das für Sie?

Tom Gröschel:
Alle waren an und auf der Strecke. Jonas Beverungen hat mir die Trinkflaschen gereicht. Dass Hendrik für mich Tempo macht, war mir ein Herzenswunsch. 2016 habe ich für ihn auch bis Kilometer 23 die Pace gemacht und er ist dann Olympia-Norm gelaufen. Heute hat er mir das zurückgegeben und dafür gesorgt, dass ich auch eine gute Zeit laufe. Alle anderen waren kreuz und quer in der Stadt verteilt. Das ist das Schöne an Düsseldorf, dass man zu Fuß viele Punkte anlaufen kann. Mindestens jeden Kilometer stand da jemand, die haben mich alle ganz schön gepusht!

Wussten Sie, dass Sie auf dem Weg zu einer Zeit unter 2:14 Stunden sind?

Tom Gröschel:
Der Plan war, eine Minute schneller anzulaufen als im letzten Jahr, das haben wir mit 67:20 Minuten geschafft. Dann bin ich einfach mit der Hoffnung weitergelaufen, dass ich auf der zweiten Hälfte wie im letzten Jahr noch mal zulegen kann. Auf den letzten sieben Kilometern habe ich mich gar nicht mehr um die Zeit geschert, ich bin einfach gelaufen. Drei Kilometer vor dem Ziel hat uns Christoph Kopp [Anm. d. Red: Athleten-Manager u.a. beim Düsseldorf-Marathon] wachgerüttelt. Er hat uns zugeschrien: „Wenn ihr drauf bleibt, könnt ihr es schaffen, unter 2:14 zu laufen!“ Erst dann ist diese Zeit in meinen Kopf gerückt.

Bundestrainerin Katrin Dörre-Heinig hat nach dem Rennen gesagt, dass sie sich sehr über die Zeit freut – aber dass sie Ihnen sogar noch mehr zutraut. Wie sehen Sie das?

Tom Gröschel:
Meine Form, mein Trainingszustand und mein Vermögen vor den Europameisterschaften in Berlin und jetzt vor dem Düsseldorf Marathon waren ungefähr gleich. Die Trainingsergebnisse haben ungefähr auf dieselbe Form hingewiesen. Aber in Berlin habe ich auf jeden Fall mehr gelitten. Das mag auch an der Hitze gelegen haben. Aber heute war es einfach ein ganz anderes Rennen. Heute hatte ich immer jemanden, der mit mir gelaufen ist. Ich weiß jetzt, dass ich das Vertrauen haben kann, die erste Hälfte noch schneller anzugehen. Ich habe heute eine größere Sicherheit gefunden. Und daher glaube ich schon, dass es noch einen Tick schneller gehen kann.

Ich habe gehört, Sie dürfen jetzt erstmal Urlaub machen. Wie sehen die nächsten Wochen aus?

Tom Gröschel:
Morgen fliege ich mit meiner Freundin eine Woche auf die Insel Kos. Anschließend geht es noch eine Woche nach München, dort lebt meine Freundin – Autofahren ist mein zweites Hobby (lacht). Danach fahre ich nach Hause in meine Heimat in Rostock, dort feiere ich den Geburtstag meiner Mama. Dann startet die Vorbereitung auf den nächsten Marathon. Eine richtig freie Woche hat mein Coach mir zugestanden, danach geht’s schon wieder los mit ein bisschen Joggen und Radfahren.

Worauf wird vor dem Herbst-Marathon der Fokus liegen?

Tom Gröschel:

Ich bin natürlich bestrebt, meine Unterdistanzen noch ein bisschen zu verbessern, hier kann ich noch nicht besonders glänzen. Darauf wird im frühen Sommer der Fokus liegen. In meiner Trainingsgruppe bin ich da eigentlich immer der Langsamste. Aber das bringt mich auch immer wieder voran.

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