| Interview

U20-Weltrekord-Staffel: "650 Stunden Training für elf Sekunden"

Die vier Nachwuchs-Sprinterinnen Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid 01), Katrin Fehm (ESV Amberg), Sophia Junk (LG Rhein-Wied) und Jennifer Montag (TSV Bayer 04 Leverkusen) wurden am Wochenende von der Deutschen Sporthilfe in Köln als "Junior-Mannschaft des Jahres" 2017 ausgezeichnet. Das Quartett rannte im U20-EM-Vorlauf in Grosseto (Italien) U20-Weltrekord über 4x100 Meter (43,27 sec) und im Finale zu Gold. Im Interview blickten drei der vier Talente auf ihre Leistung zurück und verrieten, ob sie sich schon Hoffnungen auf eine EM-Teilnahme 2018 machen.
Pamela Ruprecht

Keshia Kwadwo, Sophia Junk, Katrin Fehm – hohe Auszeichnung für euch von der Deutschen Sporthilfe! Ist das zum Saisonende noch ein Highlight für euch?

Keshia Kwadwo:

Das ist nochmal ein krönender Abschluss für uns. Das ist mit das Beste, was uns passieren konnte, so eine Auszeichnung zu bekommen. Das bestätigt, wie großartig unsere Leistung dieses Jahr war.

War das aufregend auf der Bühne vor so vielen Zuschauern geehrt zu werden?

Sophia Junk:

Ja, es ist etwas anderes auf der Bühne zu stehen, als im Startblock zu sitzen und voll fokussiert seine Leistung bringen zu müssen. Das ist zwar schon nochmal eine andere Aufregung, aber auf der Gala sind sehr viele wichtige Leute, das war schon aufregend.

Bei der Athleten-Verabschiedung wurde auf die Erfolge verdienter Sportler zurückgeblickt. Ist das für euch ein Ansporn für eure eigene Karriere?

Katrin Fehm:

Ja, man hat gesehen, wie viele Sportler es weit nach oben geschafft haben. Und es ist eine große Ehre, für das, was man jahrelang geleistet hat, noch mal eine Extra-Anerkennung zu bekommen. Das ist absolut krass: Man trainiert im Jahr 650 Stunden für genau ein oder zwei wichtige Events, bei uns ist es der Sprint, für genau elf oder 23 Sekunden. Wenn man es dann noch so weit nach vorne schafft, hat man ziemlich viel erreicht, würde ich sagen.

Eigentlich ist die Leichtathletik eine Individual-Sportart. Wie habt ihr euch als Team auf das Staffel-Event eingestellt?

Sophia Junk:

Wir sind an die Rennen ganz locker rangegangen und haben auf unsere Leistung vertraut. Wir haben gewusst, dass wir als Team funktionieren und uns das Vertrauen gegenseitig geschenkt, auch wenn wir vor dem Wettkampf mal eine schlechte Trainingseinheit hatten. Und am Ende hat man gesehen, was dabei herausgekommen ist.

Wie denkt ihr an das Weltrekord-Rennen zurück?

Katrin Fehm:

Mit absolutem Gänsehaut-Gefühl. Wenn man sich den Lauf nochmal anschaut, denkt man gar nicht an die Fehler, die man gemacht hat. Unsere Wechsel waren nicht perfekt, die Start-Reaktion war auch nicht die beste. Das Gesamt-Paket, das wir zu viert geleistet haben, ist absolut unbeschreiblich.

Ihr seid nur zu dritt zur Gala in Köln gekommen, die vierte Sprinterin, Jennifer Montag, konnte aufgrund eines operativen Eingriffs an den Nasennebenhöhlen nicht dabei sein...

Katrin Fehm:

... wir haben aber eine WhatsApp-Gruppe und uns vorher schon ausgetauscht. Jennifer hat uns beraten, was wir anziehen sollen. Sie ist voll involviert.

Die Olympia- und WM-Vierte Lisa Mayer hat eine schöne Laudatio für euch gehalten. Wie sind ihre lobenden Worte bei euch angekommen?

Keshia Kwadwo:

Das ist schon ein komisches Gefühl: Vor drei Jahren saß ich mit Lisa noch am Tisch, als sie Bronzemedaillen-Gewinnerin bei der U20-WM in Eugene war. Damals dachte ich mir, dorthin will ich auch unbedingt kommen. Dass sie dann eines Tages eine Rede für uns hält und ausdrückt, dass die älteren Athletinnen von oben auf uns schauen und über uns staunen, damit habe ich nicht gerechnet.

Wie ist es in die andere Richtung? Inwieweit sind die derzeit sehr schnellen DLV-Sprinterinnen eine Inspiration für Euch?

Sophia Junk:

Der deutsche Frauensprint hat in den letzten Jahren gezeigt, was er kann. Auch durch Gina Lückenkemper, die unter elf Sekunden gelaufen ist. Da schaut man natürlich auf und denkt sich, das wollen wir vielleicht auch irgendwann schaffen. Es sind Vorbilder, die vor allem greifbar sind. Zum Beispiel Lisa, die man hier auf der Gala trifft, und die ein komplett normales, süßes Mädchen ist. Man denkt, die Älteren sind so weit weg und überall in den Medien, aber es sind auch ganz normale Menschen. Klar, will man da auch irgendwann hinkommen.

Hat die Saisonvorbereitung auf 2018 bei euch schon angefangen?

Katrin Fehm:

Ja, man kann nicht sechs bis acht Wochen Pause machen, da baut die Muskulatur einfach viel zu sehr ab. Wir haben fast alle Mitte/Ende September mit dem Training begonnen. Nach dem ISTAF haben wir uns nochmal eine Pause gegönnt. Das hat man auch gebraucht. Es waren so viele Eindrücke, die wir verarbeiten mussten.

Keshia und Sophia, ihr seid nächstes Jahr noch in der U20, für Katrin ist es das erste Jahr bei den Erwachsenen. Mit welchen Zielen geht ihr die kommende Saison an?

Katrin Fehm:

Ich bin gespannt, was mich erwartet. Grob kann man sagen, dass es nicht leicht wird, mit den Frauen mitzuhalten. Ich will davon lernen und profitieren. Ich will mich im ersten Jahr gut präsentieren und das Bestmögliche daraus machen. Ich habe mir bis jetzt noch keine Ziele gesteckt. Mein größtes Event nächstes Jahr werden auf jeden Fall die Deutschen Meisterschaften in Nürnberg. Mit der EM in Berlin rechne ich eigentlich so gut wie gar nicht, weil es utopisch ist, mit den Frauen aktuell mitzuhalten. Da sind so viele andere Sprinterinnen viel schneller als ich, als dass ich für die Staffel nominiert werden könnte.

Keshia Kwadwo:

Ich habe noch gar nicht so viel über das neue Jahr nachgedacht, aber im Fokus steht für mich die U20-WM in Finnland. Und vielleicht – ich habe mit dem vierten Platz bei der DM in Erfurt schon gesehen, dass da was geht – klappt es, dass ich für die EM in Berlin für die Staffel nominiert werde und ich schauen kann, wie es bei den Großen abläuft. Aber das ist noch sehr weit entfernt.

Und wenn es mit der Staffel-Nominierung noch nicht klappt, wird man euch als Zuschauer in Berlin sehen?

Sophia Junk:

Das wird ein richtig cooles Event, das muss man unbedingt mitnehmen.

Katrin Fehm:

Auf jeden Fall. Beim ISTAF war es schon sehr toll. Und bei der EM wird nochmal richtig auf den Putz gehauen. Das wird eine riesige Stimmung werden.

Mehr:

<link news:60453>Niklas Kaul gewinnt Wahl zum "Junior-Sportler des Jahres"

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024