| Abschied als Bundestrainer

Wolfgang Heinig: Ab 2017 Rentner mit anspruchsvollem Nebenjob

Wolfgang Heinig hat sich als Leitender Bundestrainer Lauf/Gehen in den Ruhestand verabschiedet. Doch ganz aufs Altenteil zurückziehen will sich der 65-Jährige nicht. Am Bundesstützpunkt in Frankfurt wird er weiterhin eine kleine Trainingsgruppe um Gesa Felicitas Krause und seine Tochter Katharina Heinig auf Trab halten. Mehr Zeit dürfte ihm für ein liebgewonnenes Hobby bleiben: Puzzeln.
Harald Koken

Zuhause in Erbach im Odenwald haben Wolfgang Heinig und seine Frau Katrin Dörre-Heinig ein paar hundert Puzzles. Der Reiz, Teilchen für Teilchen ein Gesamtwerk zu kreieren, zieht sie in den Bann. Vor allem, wenn sich ein passendes Element einfach nicht finden lässt, gerät die Uhrzeit bisweilen in Vergessenheit. Es kann durchaus schon einmal tiefe Nacht werden. „Dann sagen wir: Mensch, weißt du, wie spät es jetzt ist?! Und dann haben wir uns über alles Mögliche unterhalten und haben dabei gepuzzelt“, schildert Wolfgang Heinig.

Das Geduldsspiel hat ihn Gelassenheit gelehrt. Und ihn bei manch kniffliger Entscheidung unterstützt, weil es half, den Kopf wieder freizubekommen. Auch beim Entschluss, als Trainer kürzerzutreten. Einigen Ex-Schützlingen besorgte Wolfgang Heinig Plätze in der Frankfurter Gruppe um den neuen Mittelstrecken-Bundestrainer der Männer Georg Schmidt: Diana und Elina Sujew wollen ihre Karrieren weiter vorantreiben, Nico Sonnenberg will schauen, was trotz einer Vollzeit-Stelle bei einem Software-Unternehmen noch geht.

Gesa Krause: „Ein ehrlicher Mensch“

Weiter betreuen wird der Erfolgs-Coach an der Seite seiner Frau seine Tochter Katharina Heinig (LG Eintracht Frankfurt). Die 27-Jährige, die sich beim Berlin Marathon um mehr als fünf Minuten auf 2:28:34 Stunden steigerte, hat die WM-Norm für London (Großbritannien) bereits abgehakt. Unter Wolfgang Heinigs Fittichen bleibt auch Weltklasse-Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause, die künftig für den Verein Silvesterlauf Trier startet. Mit dem vorjährigen WM-Bronze sowie dem Europameister-Titel und Platz sechs bei Olympia in diesem Sommer sorgte die 24-Jährige für Glanzlichter.

Homiyu Tesfaye, der nun eigene Wege geht, bescherte Wolfgang Heinig als EM- und WM-Fünfter sowie mit dem nationalen Hallen-Rekord über 1.500 Meter ebenfalls Sternstunden. „Er ist ein ehrlicher Mensch, der einem zeigt: Ohne Arbeit geht es nicht“, charakterisiert Gesa Krause ihren Trainer, mit dem sie seit acht Jahren zusammenarbeitet. Er habe ihr frühzeitig vermittelt, dass man langfristigen Erfolg nicht geschenkt bekommt, sondern hart dafür arbeiten muss.

Als Sprinter Sechster der DDR-Jugendmeisterschaften

Mit acht Jahren wurde Wolfgang Heinig daheim im sächsischen Torgau an der Elbe in einem Sportverein angemeldet. Von 1965 bis 1971 besuchte er die Jugendsportschule im gut 50 Kilometer entfernten Leipzig. Als 14-Jähriger erkämpfte er bei den Schülerbestenkämpfen über 1.000 Meter den zweiten Platz - in 2:48 Minuten. Schwerpunktmäßig war er Sprinter, 10,8 und 22,0 Sekunden seine Bestzeiten. Seine beste Platzierung bei DDR-Jugendmeisterschaften: Rang sechs.

Dem Abitur ließ er ein Sportstudium folgen. 1975 absolvierte Wolfgang Heinig seinen Abschluss als Diplom-Sportlehrer. Als Trainer arbeitete er zunächst mit Kindern und Jugendlichen. Am Hochleistungszentrum der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig betreute er schließlich Spitzenathleten, darunter seine heutige Frau. Zwei Jahrzehnte zählte Katrin Dörre-Heinig zur Weltspitze im Marathon. Für die Karriere legte sie ihr Medizinstudium auf Eis.

Höchste Disziplin gefordert

1988 gewann Katrin Dörre-Heinig in Seoul (Südkorea) Olympia-Bronze. Bemerkenswert die Erfolgsbilanz bei Top-Marathonläufen: In London, Tokio und Frankfurt gelangen ihr je drei Siege, sogar vier in Osaka. Die gebürtige Leipzigerin brachte es in einem Trainingslager in den 1980er Jahren auf 315 Wochenkilometer, also 45 Kilometer pro Tag. Hartes Training und höchste Disziplin forderte Wolfgang Heinig auch, als er nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 beim DLV als Bundestrainer Langstrecke/Marathon Verantwortung übernahm.

Erfolge blieben nicht aus. Höhepunkt: 2002 gewannen die deutschen Frauen bei der Heim-EM in München den Mannschafts-Europacup. Luminita Zaituc (LG Braunschweig) feierte als Vize-Meisterin ihren größten Einzel-Erfolg, Sonja Oberem (TSV Bayer 04 Leverkusen) holte Bronze. Nach den Olympischen Spielen in Athen (Griechenland) wurden Konzepte und die Trainerstruktur verändert. Wolfgang Heinig scherte beim DLV aus und arbeitete erfolgreich beim Hessischen Leichtathletik-Verband und bei der LG Eintracht Frankfurt weiter.

Sein Name ist Programm

2012 kehrte er zum DLV zurück - als Leitender Bundestrainer Lauf/Gehen. Und wurde nicht müde, seine Forderung nach unbedingtem Leistungswillen zu protegieren. Wer einen Marathon in 2:10 Stunden laufen wolle (Heinig: „Das hat mit Weltspitze noch nichts zu tun, ist aber schon mal eine Hausnummer“), müsse mit Motivation und Biss diesen sportlichen Traum leben. Manchmal sei es nötig, auch morgens um fünf Uhr zu trainieren oder abends um 21 Uhr auf dem Laufband 30 Kilometer zu beginnen.

Wolfgang Heinig – sein Name ist Programm, ein Markenzeichen sozusagen. Er tritt kürzer, wird aber weiterhin wichtige Weichen stellen und sich – was seine Schützlinge betrifft – keineswegs in die zweite Reihe zurückziehen. Seine administrativen Aufgaben hat er abgegeben. Als Stratege mit Weitblick, als umsichtiger Regisseur, als führungsstarke Autorität bleibt er aber im Amt. Gut möglich, dass Wolfgang Heinig den Gipfel des Erfolgs noch gar nicht erreicht hat.

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