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„Wunderläufer" und umstrittener IAAF-Chef: Sebastian Coe wird 60

Er ist charmant und clever, ganz britischer Gentleman: Sebastian Coe. Als Weltklasseläufer war er der Beste seiner Zeit, als Olympia-Macher von London 2012 wurde er zum „Lord of the Games“. In der Rolle des IAAF-Präsidenten ist er umstritten. Am Donnerstag wird Coe 60.
dpa/pr/mbn

Als „weißer Wunderläufer“ hat Sebastian Coe seine Rivalen abgehängt. Seit er Präsident im Leichtathletik-Weltverband IAAF ist, entkommt er dem Zweifel an seiner Integrität nicht. Im Zuge des Korruptionsskandals um Vorgänger Lamine Diack drohte ihm sogar der schnelle Verlust seines IAAF-Spitzenamtes. Wie zu seiner aktiven Zeit, als er von Rekord zu Rekord und von einem zum nächsten Titel rannte, halfen ihm aber sein Stehvermögen, seine Energie und taktische Cleverness, um sich als Präsident zu behaupten. Am Donnerstag feiert der „Lord für alle Fälle“ seinen 60. Geburtstag.

Der in London geborene Sohn eines Ingenieurs und einer Schauspielerin war in den 1970er und 1980er Jahre einer der besten Mittelstreckler der Welt. Von 1976 bis 1984 blieb er über 1.500 Meter und die englische Meile unbesiegt. Zwischen 1979 bis 1981 lief Coe zudem Weltrekorde über alle Mittelstrecken und konnte als erster Leichtathlet seinen 1980 in Moskau (Russland) erkämpften Olympiasieg über 1.500 Meter vier Jahre später in Los Angeles (USA) wiederholen. Der Schweizer Uhrenhersteller Swatch brachte aufgrund dieser Leistung sogar ein Sondermodell Sebastian Coe heraus. Unvergessen sind zudem die Duelle mit seinem Dauerrivalen und Landsmann Steve Ovett.

1979 stellte Coe innerhalb von 41 Tagen drei Weltrekorde auf. In Oslo (3. Juli; Norwegen) lief er die 800 Meter in 1:42,33 Minuten und die Meile zehn Tage später in 3:48,95 Minuten. Am 15. August in Zürich (Schweiz) verbesserte er den 1.500-Meter-Weltrekord auf 3:32,03 Minuten. Coe war damit der erste Läufer, der alle drei Mittelstreckenrekorde gleichzeitig innehatte. Sein 1981 in Florenz (Italien) aufgestellter 800-Meter-Weltrekord von 1:41,73 Minuten sollte erst 16 Jahre später vom Dänen Wilson Kipketer zuerst eingestellt und später verbessert werden.

Olympia-Macher von London

Nach dem Ende seiner Athleten-Karriere lief es für den charismatischen und gewandten Coe ohne großen Zwischenstopp erfolgreich weiter. 1992 kandidierte er bei den Unterhauswahlen und zog für fünf Jahre ins Parlament ein. Im Jahr 2000 wurde Coe zum „Life Peer“ erhoben, führt den Titel „Baron Coe of Ranmore" und sitzt seitdem im House of Lords.

Nachdem London die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 übertragen wurde, übernahm er als Präsident des Organisationskomitees die Vorbereitungen – und wurde am Ende als Olympia-Macher und „Lord of the Games“ gefeiert. Kurz danach kürte man ihn zum Vorsitzenden des Nationalen Olympischen Komitees Großbritanniens.

Seit 2007 hochrangig bei der IAAF

Schon 2007 wurde Coe in der IAAF zum Vizepräsidenten gewählt und blieb es, bis er 2015 die Nachfolge des Senegalesen Diack antrat, den er bei der Amtsübernahme seinen „spirituellen Präsidenten“ nannte. Eine Aussage, die ihm nach der Anklageerhebung durch die französische Staatsanwaltschaft gegen Diack wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und Korruption auf die Füße fiel. Hat der langjährige Vizepräsident Coe von den Machenschaften seines Vorgängers nichts gewusst?

Eine Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat den Fall untersucht und im Januar in ihrem Bericht festgestellt: Es sei „nicht glaubhaft“, dass hochrangige Offizielle der IAAF nichts von den kriminellen Vorgängen mitbekommen haben. WADA-Ermittler Richard Pound nahm Coe jedoch in Schutz: Er könne sich „keinen Besseren" vorstellen, den Verband zu führen.

Nicht auf der Liste der neuen IOC-Mitglieder

Das Internationale Olympische Komitee hielt jedoch Distanz zu Coe, obwohl IOC-Präsident Thomas Bach und der Brite seit mehr als 35 Jahren als Freunde galten und sich „Professor“ und „Shakespeare“ nannten. Beide waren Gründungsmitglieder der IOC-Athletenkommission, die beim Olympischen Kongress 1981 in Baden-Baden ins Leben gerufen wurde. Im Juni fehlte allerdings der Name von Coe auf der Liste der neuen IOC-Mitglieder. Dabei galt es bis dato als ungeschriebenes Gesetz, IAAF-Präsidenten ins IOC aufzunehmen.

Als Coe drohte, im Sumpf der Korruption durch seine enge Bindung an Diack mit unterzugehen, gelang ihm mit dem Olympia-Ausschluss der russischen Leichtathleten wegen Staatsdopings von den Sommerspielen in Rio ein Befreiungsschlag. Die harte Haltung der IAAF hat dem Briten Anerkennung eingebracht, während Bach und das IOC wegen des Verzichts auf den Komplett-Bann Russlands viel Kritik ernteten.

Lord Coe, der die IAAF radikal reformieren muss und Russland erst mit einem wirksamen Anti-Doping-System wieder in den Weltverband aufnehmen kann, wird weiter auf dem Prüfstand stehen. „Das ist meine letzte Rolle. Absolut“, versicherte er. Ob er sie zu Ende spielen kann?

Die Weltrekorde von Sebastian Coe

800 Meter:
1:42,33 Minuten (3. Juli 1979, Oslo)
1:41,73 Minuten (10. Juni 1981, Florenz)

1.000 Meter:
2:13,40 Minuten (1. Juli 1980, Oslo)
2:12,18 Minuten (11. Juli 1981, Oslo)

1.500 Meter:
3:32,03 Minuten (15. August 1979, Zürich)

1 Meile (1.609 m):
3:48,95 Minuten (17. Juli 1979, Oslo)
3:48,53 Minuten (19. August 1981, Zürich)
3:47,33 Minuten (28. August 1981, Brüssel)

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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