Carl Dohmann hat am Samstag bei den Weltmeisterschaften in Doha (Katar) bei schwierigsten Bedingungen mit Platz sieben im 50 Kilometer Gehen seinen bisher größten internationalen Erfolg gefeiert. Auf Platz 23 kämpfte sich bei seiner WM-Premiere Jonathan Hilbert ins Ziel.
25 Runden à 2 Kilometer von Mitternacht bis 4 Uhr morgens in der feuchten Hitze von Doha: Die Athleten, die am Sonntag den Wettbewerb im 50 Kilometer Gehen beendeten, zeigten außergewöhnliche Ausdauer und beeindruckenden Kampfgeist. Und zu den Helden von Doha zählten im längsten Wettbewerb der Weltmeisterschaften auch drei DLV-Athleten.
Carl Dohmann (SC Heel Baden-Baden), der Erfahrenste eines deutschen Trios, begann das Rennen defensiv und stets mit dem Blick auf die Pulsuhr, die ihm das angemessene Tempo vorgab. Während die ersten Fünf-Kilometer-Zwischenzeiten ihn nur knapp in den Top 30 listeten, hatte er sich zur Hälfte der Strecke in die Top 20 vorgekämpft. Bei Kilometer 35 hatte er die Top Ten erreicht. Mit Rang sieben auf Welt-Ebene feierte der 29-Jährige, der im Vorjahr EM-Fünfter geworden war, schließlich seinen größten internationalen Erfolg. Seine Zeit von 4:10:22 Stunden, 25 Minuten über Bestzeit, spricht Bände hinsichtlich der Bedingungen auf der Strecke.
Joao Vieira ältester WM-Medaillengewinner aller Zeiten
An der Spitze mussten viele Athleten die Segel streichen, unter ihnen auch der Titelverteidiger und Weltrekordler Yohann Diniz aus Frankreich. Nur einer ging unbeirrt sein hohes Tempo weiter, was es ihm auf den letzten fünf Kilometern sogar erlaubte, einige Gehpausen einzulegen, ohne noch eingeholt zu werden. In 4:04:20 Stunden gewann der Japaner Yusuke Suzuki bei seiner ersten internationalen Meisterschaft auf der Langstrecke die Goldmedaille.
Silber rettete Joao Vieira (4:04:59 h) knapp vor dem Kanadier Evan Dunfee (4:05:02 h) über die Ziellinie. Dunfee hatte sich den Wettbewerb von allen Athleten wohl am besten eingeteilt und belohnte sich dafür nach dem vierten Platz bei Olympia in Rio mit seiner ersten Medaille auf Welt-Ebene. Der 43 Jahre alte Portugiese Vieira konnte den Atem des Kanadiers schon im Nacken spüren, als er die letzten Schritte machte, doch es reicht zu Platz zwei. Und zu einem Titel: Er ist seit Sonntag früh der älteste WM-Medaillengewinner der Geschichte.
Auch Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie) ging ein cleveres Rennen, bei dem er sich seine Kräfte bis zum Schluss gut einteilte. Bei seinen ersten Weltmeisterschaften zählte er im Feld von 46 Teilnehmern zu den 28 Athleten, die es bis zur Ziellinie schafften. Mit Rang 23 gelang dem 24-Jährigen ein Achtungserfolg, der Selbstvertrauen und Rückenwind in Richtung Olympischer Spiele 2020 in Tokio (Japan) geben wird.
Akribische Vorbereitung hat sich gelohnt
Sein großes Kämpferherz bewies auch der dritte deutsche Athlet im Feld Nathaniel Seiler (TV Bühlertal). Zur Hälfte des Wettbewerbs lag er noch in den Top 30, dann schwanden sichtbar die Kräfte. Aufgeben? Wollte er aber nicht. So kämpfte er sich noch weitere Runden um den Zwei-Kilometer-Kurs, bis ihn jedoch etwa fünf Kilometer vor dem Ziel das medizinische Team aus dem Wettbewerb nahm. Nach kurzer ärztlicher Behandlung kam er recht bald wieder zu Kräften.
Dafür, dass die deutschen Geher unter diesen Bedingungen bestehen konnte, hatten im Vorfeld und vor Ort das medizinische Team des DLV sowie das Team aus Heim- und Bundestrainern gesorgt. Ausgestattet mit Spezialmützen, die im Nacken und auf dem Kopf Eis fassen können, blieb der Kopf der Athleten so kühl wie möglich. Für Wasserkühlung und regelmäßige Zufuhr von Getränken war permanent gesorgt. Die hohen Temperaturen mit der hohen Luftfeuchtigkeit wurden vorher im Training simuliert. Dennoch waren sich alle einig: Dieser Wettbewerb war extrem. Und eine gute Feuertaufe für Tokio, wo ähnliche Bedingungen erwartet werden.
STIMMEN ZUM WETTBEWERB
Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden):
Ich hatte darauf gehofft, in die Top Zwölf zu kommen. Dann müsste ich nur noch die Olympia-Norm nachliefern, wäre aber damit für die Olympischen Spiele gesetzt. Mir die Top Acht als Ziel zu setzen, habe ich mich hier nicht getraut, weil die Bedingungen so schwierig sind. Ich bin total glücklich, völlig überwältigt. Ich glaube, ich brauche noch ein bisschen, um das zu realisieren. Der Wettkampf war nicht normal. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich 4:10 Stunden gehe, dann hätte ich gesagt: „Nie im Leben wird man damit Siebter.“ Muskulär fand ich es lange nicht so schwer, aber es war schwierig zu atmen. Ich bin mit Pulsmesser gegangen, was sich als sehr, sehr wichtig herausgestellt hat. Ich habe ihn sehr lange angelassen, bis Kilometer 40. Weil ich mir dachte: Es wird noch härter, es wird noch härter. Hier hat sich die Summe aus vielen Faktoren bezahlt gemacht. Ich habe gut trainiert und mich fit gefühlt. Viel getrunken, kohlenhydrathaltig und salzhaltig. Die Mütze mit dem Eis hat auch geholfen.
Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie):
Auf den ersten 30, 35 Kilometern bin ich kontrolliert gegangen, habe jede Verpflegung mitgenommen, Wasser etc. Danach habe ich gemerkt, dass es hart wird. Dass die Körperkerntemperatur angestiegen ist. Da habe ich angefangen zu frieren, das ist ein Zeichen dafür, dass die Temperatur in Richtung 39,5 Grad geht. Es war eine Grenzerfahrung. Es gab sicherlich schon härtere Wettbewerbe. Ich war gut vorbereitet, auch mental, ich wusste, was auf mich zukommt. Aber ich glaube, solche Temperaturen, solche Bedingungen, sind für jeden eine Grenzerfahrung, egal wie gut du vorbereitet bist. Ich bin stolz, dass ich das geschafft habe. Aber ich bin noch viel mehr dankbar. Ich habe mir vor sechs Wochen einen Muskelfaserriss zugezogen, im Bizeps Femoris, es war lange nicht klar, ob ich hier starten kann. Jetzt bin 23. geworden, viele sind ausgestiegen. Natürlich bin ich da stolz. Aber eben auch dankbar, dass wir so eine tolle medizinische Abteilung haben mit Dr. Matthias Kieb und Dr. Paul Schmidt-Hellinger, die uns exzellent auf die Hitze vorbereitet haben.
Nathaniel Seiler (TV Bühlertal):
Nach 15 bis 20 Kilometern sind meine Arme und Beine schwer geworden. Sie haben angefangen zu krampfen, es ist immer schlimmer geworden. Eigentlich hat mir nicht so sehr die Hitze zu schaffen gemacht – auch wenn die Krämpfe dann vielleicht eine Folge davon waren. Aufhören kam aber für mich nicht infrage! Die Entscheidung hat dann aber das medizinische Team getroffen. Die Bedingungen und die Strecke waren eigentlich genauso, wie ich sie mir vorgestellt habe. Umso enttäuschter bin ich, dass ich nicht ins Ziel gekommen bin. In Tokio wird es vermutlich ähnlich, da war Doha schon eine gute Erfahrung.
WM 2019 Doha