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Der große Disziplin-Check 2019 – Mittelstrecke Männer

Die Wettkampfsaison 2019 ist Geschichte. Ein langes Jahr, ein spannendes Jahr Leichtathletik liegt hinter uns. Der Höhepunkt? Zweifelsohne die WM in Doha. Doch auch in der Halle und bei den internationalen Nachwuchs-Meisterschaften machten die deutschen Athleten von sich reden. Wir blicken in unseren jährlichen Disziplinanalysen zurück und ziehen Bilanz. Heute: die Mittelstrecke der Männer.
Pamela Lechner

Fazit des Bundestrainers

Georg Schmidt, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2019 aus?

Georg Schmidt:

Die Bilanz fällt nicht zufriedenstellend aus. Weder die Zahl der Teilnehmer noch das finale Abschneiden vor Ort waren bei der U23-EM und der WM zufriedenstellend. Wir hatten bei der U23-EM einen Teilnehmer über 1.500 Meter, der im Vorlauf ausgeschieden ist. Das war nicht das, was wir uns von dem starken Jahrgang 1997 vor der Saison erhofft hatten. Unterschiedlichste Entwicklungen haben letztendlich zu diesem Resultat geführt. Bei der WM hat Amos Bartelsmeyer mit der Halbfinal-Teilnahme sein Ziel erfüllt, das war ein gutes Abschneiden. Bei Marc Reuther hatten wir uns mehr vorgenommen als das Vorlauf-Aus. Die vier Ausfälle in dieser Saison durch Christoph Kessler, Robert Farken, Marius Probst und Timo Benitz waren nicht zu kompensieren. Sie sind dieses Jahr nur teilweise in Erscheinung getreten. Auch Homiyu Tesfaye, der in den letzten Jahren oft am internationalen Höhepunkt teilgenommen hat, hat gefehlt. Das ist unsere erste Liga und wenn diese komplett wegbricht, kann man auch keine großen Erwartungen bei einer WM erfüllen.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Georg Schmidt:

Das persönliche Highlight war für mich Amos Bartelsmeyer. Er hat bei den Weltmeisterschaften einen ganz tollen Vorlauf gemacht, eine fast unlösbare Aufgabe gelöst und das Halbfinale erreicht. Dazu hat er seine Bestleistung dieses Jahr im Vergleich zum Vorjahr um mehr als drei Sekunden auf 3:36,29 Minuten gesteigert und ist bei der Hallen-EM ins Finale über 3.000 Meter eingezogen. Das war für mich die Entwicklung der Saison im männlichen Mittelstrecken-Bereich.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison mit den Olympischen Spielen 2020 in Tokio ?

Georg Schmidt:

Um ein unmittelbar gutes Ergebnis bei den Olympischen Spielen erzielen zu können, muss die Gesunderhaltung der Athleten im Vordergrund stehen. Wenn die vier Athleten, die dieses Jahr ausgefallen sind, nächstes Jahr fit sind, kann das Ergebnis in Tokio gleich ganz anders aussehen. Daher wird die Gesunderhaltung in Absprache mit den Heimtrainern und dem Bundestrainer-Team an oberster Stelle stehen. Das ist die Voraussetzung dafür, sich direkt zu qualifizieren oder im neuen Ranking-Verfahren der IAAF Punkte zu sammeln, um ein erfolgreiches Team stellen zu können. Grundsätzlich sollen bereits angestoßene Veränderungsprozesse Richtung 2021 bis 2024 weiter vorangetrieben werden. So müssen beispielsweise Fördermodelle, Läufer-Profile und Trainingsmethodiken über 800 Meter im Nachwuchs- und Übergangsbereich überdacht und überarbeitet werden.

Internationale Erfolge

  Medaillen Weitere Final-Platzierungen
WM  –   – 
Hallen-EM  –  6. Marius Probst, 7. Karl Bebendorf (beide 1.500 m)
U23-EM  –   – 
U20-EM  –  4. Maximilian Sluka (1.500 m)
EYOF  –   – 

Die deutschen Top Ten 2019

800 Meter

Zeit Name Jahrgang Verein
1:45,22 min Marc Reuther 1996 LG Eintracht Frankfurt
1:46,75 min Robert Farken 1995 SC DHfK Leipzig
1:47,44 min Julius Lawnik 1995 LG Braunschweig
1:47,58 min Timo Benitz 1992 LG farbtex Nordschwarzwald
1:47,79 min Christian von Eitzen 1997 LC Rehlingen
1:47,80 min Benedikt Huber 1989 LG Telis Finanz Regensburg
1:47,87 min Amos Bartelsmeyer 1994 LG Eintracht Frankfurt
1:47,96 min Marius Probst 1995 TV Wattenscheid 01
1:47,98 min Christoph Kessler 1995 LG Region Karlsruhe
1:48,26 min Dennis Biederbick 1998 LG Eintracht Frankfurt

1.500 Meter

Zeit Name Jahrgang Verein
3:36,29 min Amos Bartelsmeyer 1994 LG Eintracht Frankfurt
3:37,46 min Sam Parsons 1994 LG Eintracht Frankfurt
3:38,94 min Robert Farken 1997 SC DHfK Leipzig
3:38,98 min Marius Probst 1995 TV Wattenscheid 01
3:39,02 min Karl Bebendorf 1996 Dresdner SC 1898
3:39,04 min Timo Benitz 1991 LG farbtex Nordschwarzwald
3:40,19 min Marvin Heinrich 1997 LG Eintracht Frankfurt
3:41,24 min Lukas Abele 1997 SSC Hanau-Rodenbach
3:41,44 min Sebastian Keiner 1989 LAC Erfurt
3:41,90 min Marc Reuther 1996 LG Eintracht Frankfurt

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: 800 Meter

Jahr < 1:45,90
(WM-Norm 2017)
Schnitt
Top 3
Schnitt
Top 5
Schnitt
Top 10
2005 1 1:46,60 1:47,13 1:47,81
2006 1 1:46,53 1:46,90 1:47,44
2007 1 1:46,28 1:46,58 1:47,22
2008 2 1:45,82 1:46,23 1:47,13
2009 1 1:46,21 1:46,63 1:47,35
2010 1:46,72 1:47,38 1:48,10
2011 1 1:46,23 1:46,81 1:47,51
2012 1 1:46,02 1:46,45 1:47,04
2013 1 1:45,91 1:46,06 1:46,80
2014 1 1:46,12 1:46,35 1:46,85
2015 1 1:46,50 1:46,94 1:47,50
2016 1:46,40 1:46,51 1:46,77
2017 1 1:46,00 1:46,40 1:47,05
2018 1 1:45,95 1:46,35 1:47,03
2019 1 1:46,47 1:46,96 1:47,47

Das deutsche Top-Niveau: 1.500 Meter

Jahr < 3:36,00
(WM-Norm 2017)
Schnitt
Top 3
Schnitt
Top 5
Schnitt
Top 10
2005 3:40,68 3:40,99 3:41,79
2006 3:38,86 3:39,33 3:40,78
2007 3:37,76 3:38,61 3:40,05
2008 1 3:37,02 3:38,27 3:40,02
2009 2 3:35,77 3:37,52 3:40,04
2010 1 3:36,25 3:37,82 3:39,86
2011 1 3:37,67 3:39,31 3:41,56
2012 2 3:35,59 3:37,42 3:40,05
2013 2 3:35,67 3:36,88 3:39,42
2014 3 3:33,82 3:35,92 3:39,28
2015 3:36,77 3:38,26 3:40,23
2016 1 3:36,21 3:37,02 3:39,14
2017 2 3:35,63 3:37,70 3:40,05
2018 3:36,97 3:38,17 3:39,73
2019 3:37,56 3:38,14 3:39,45

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich: 800 Meter

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 1:44,71 (Herms) 1:44,18 (Borzakovskiy/RUS) 0,53 1:43,70 (Bungei/KEN) 1,01
2006 1:45,26 (Herms) 1:43,42 (Borzakovskiy/RUS) 1,84 1:43,09 (Mulaudzi/RSA) 2,17
2007 1:45,89 (Herms) 1:44,37 (Milkevics/LET) 1,52 1:43,74 (Mulaudzi/RSA) 2,15
2008 1:45,66 (Schembera) 1:44,68 (Rimmer/GBR) 0,98 1:42,69 (Kaki/SUD) 2,97
2009 1:45,63 (Schembera) 1:43,59 (Som/NED) 2,04 1:42,01 (Rudisha/KEN) 3,92
2010 1:46,38 (Schembera) 1:44,68 (Rimmer/GBR) 2,49 1:41,01 (Rudisha/KEN) 5,37
2011 1:45,04 (Ludolph) 1:43,30 (Kszczot/POL) 1,74 1:41,33 (Rudisha/KEN) 3,71
2012 1:44,80 (Ludolph) 1:43,74 (López/ESP) 1,06 1:40,91 (Rudisha/KEN) 3,89
2013 1:45,69 (Lange) 1:43,76 (Bosse/FRA) 1,93 1:42,37 (Aman/ETH) 3,32
2014 1:45,79 (Krüger) 1:42,53 (Bosse/FRA) 3,26 1:42,45 (Amos/BOT) 3,34
2015 1:45,48 (Schembera) 1:42,51 (Tuka/BIH) 2,97 1:42,51 (Tuka/BIH) 2,97
2016 1:46,19 (Reuther) 1:43,41 (Bosse/FRA) 2,78 1:42,15 (Rudisha/KEN) 4,04
2017 1:45,22 (Reuther) 1:44,62 (Tuka/BIH) 0,60 1:43,10 (Korir/KEN) 2,12
2018 1:45,42 (Reuther) 1:43,65 (Ordonez/ESP) 1,77  1:42,05 (Korir/KEN) 3,37
2019 1:45,22 (Reuther) 1:43,47 (Tuka/BIH) 1,75 1:41,89 (Amos/BOT) 3,33

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich: 1.500 Meter

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 3:40,96 (Haschke) 3:30,80 (Baala/FRA) 9,59 3:29,30 (Lagat/USA) 11,09
2006 3:38,04 (Schlangen) 3:31,00 (Heshko/UKR) 7,04 3:29,02 (Komen/USA) 9,02
2007 3:36,54 (Schlangen) 3:31,01 (Baala/FRA) 5,53 3:30,54 (Webb/USA) 5,00
2008 3:34,99 (Schlangen) 3:32,00 (Baala/FRA) 2,99 3:31,49 (Komen/USA) 3,50
2009 3:33,92 (Eberhard) 3:30,96 (Baala/FRA) 2,96 3:29,47 (Choge/KEN) 4,45
2010 3:34,19 (Schlangen) 3:32,70 (Casado/ESP) 1,49 3:29,27 (Kiplagat/KEN) 4,92
2011 3:35,74 (Schlangen) 3:31,37 (Özbilen/TUR) 4,37 3:30,46 (Kiprop/KEN) 5,28
2012 3:33,64 (Schlangen) 3:33,32 (Özbilen/TUR) 0,32 3:28,88 (Kiprop/KEN) 4,76
2013 3:34,18 (Tesfaye) 3:28,81 (Farah/GBR) 5,37 3:27,72 (Kiprop/KEN) 6,46
2014 3:31,98 (Tesfaye) 3:31,46 (H.Ingebrigtsen) 0,52 3:27,64 (Kiplagat/KEN) 4,34
2015 3:36,05 (Orth) 3:28,93 (Farah/GBR) 7,12 3:26,69 (Kiprop/KEN) 9,36
2016 3:35,05 (Tesfaye) 3:31,74 (Farah/GBR) 3,31 3:29,33 (Kiprop/KEN) 5,72
2017 3:33,47 (Tesfaye) 3:32,48 (F. Ingebrigtsen/NOR) 1,01 3:28,80 (Manangoi/KEN) 4,67
2018 3:36,03 (Tesfaye) 3:30,01 (F. Ingebrigtsen/NOR) 6,02 3:28,41 (Cheruiyot/KEN) 7,62
2019 3:36,29 (Bartelsmeyer) 3:30,16 (J. Ingebrigtsen/NOR) 6,13 3:28,77 (Cheruiyot/KEN) 7,52


Das fällt auf:

  • Der Abstand der deutschen Jahresbestzeiten zur europäischen und globalen Spitze ist im Vergleich zum Vorjahr gleich geblieben. Europas Spitzenposition auf den 1.500 Metern hat unter Brüdern gewechselt: U20-Athlet Jakob Ingebrigtsen löste seinen älteren Bruder Filip ab. An der Weltjahresbestenliste steht zum elften Mal in Folge zum Saisonende ein Kenianer. Weltmeister Timothy Cheruiyot konnte seine Führungsposition von 2018 verteidigen.
  • Das DLV-Mittelstrecken-Team bekam mit dem Deutsch-Amerikaner Amos Bartelsmeyer dieses Jahr Verstärkung. Der 25-Jährige schaffte es bei der WM bis ins Halbfinale.
  • Auf beiden Mittelstrecken der Männer gab es 2019 neue Deutsche Meister: Marc Reuther holte seinen ersten Titel über die 800 Meter, Amos Bartelsmeyer über die 1.500 Meter.
  • Der deutsche Top Drei-Schnitt über 1.500 Meter ist der schwächste seit 2011, der Top Fünf-Schnitt über 800 Meter war zuletzt 2010 schwächer. Dies liegt auch daran, dass Leistungsträger der letzten Jahr verletzt waren oder wie Homiyu Tesfaye mit anderen Strecken liebäugelten.
  • Im Nachwuchsbereich überzeugte der Hallenser Maximilian Sluka mit Platz vier bei der U20-EM (1.500 m), er ist auch auf den 800 Metern schnell.

leichtathletik.TV-Clips zur Mittelstrecke

800 Meter | 1.500 Meter

Zu den weiteren Disziplin-Checks:

Sprint Männer
Sprint Frauen

Langsprint Männer
Langsprint Frauen

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