| Analyse

Der große Disziplin-Check 2019 – Gehen Männer

Die Wettkampfsaison 2019 ist Geschichte. Ein langes Jahr, ein spannendes Jahr Leichtathletik liegt hinter uns. Der Höhepunkt? Zweifelsohne die WM in Doha. Doch auch in der Halle und bei den internationalen Nachwuchs-Meisterschaften machten die deutschen Athleten von sich reden. Wir blicken in unseren jährlichen Disziplinanalysen zurück und ziehen Bilanz. Heute: das Gehen der Männer.
Svenja Sapper

Fazit des Bundestrainers

Ronald Weigel, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2019 aus?

Ronald Weigel:

Mit den erzielten Ergebnissen und den Trainingsleistungen haben sich die deutschen Geher eine stabile Grundlage erarbeitet und für die Olympiavorbereitung eine gute Ausgangsposition geschaffen. Es ist uns gelungen, eine störungsfreie WM-Vorbereitung unter Berücksichtigung der klimatisch schwierigen Rahmenbedingungen in Doha durchzuführen. Von acht Kaderathleten erfüllten sieben die WM-Norm. Erstmals mussten wir einen Ausscheid über 50 Kilometer Gehen durchführen, da vier Athleten die WM-Voraussetzungen erfüllten.

Mit zwei Top-Acht-Platzierungen bei der WM in Doha durch Christopher Linke mit einem tollen vierten Platz und Carl Dohmann mit einem bravourösen siebten Platz konnten die Geher wertvolle Nationenpunkte für den DLV beisteuern. Der 17. Platz von Hagen Pohle und der 23. Platz von Jonathan Hilbert sind gute Leistungen mit Steigerungspotential. Auch wenn Nils Brembach, der die Olympianorm in diesem Jahr unterbot, und Nathaniel Seiler nicht ins Ziel kamen, muss man beiden Gehern eine positive Leistungsentwicklung bescheinigen. Sein Leistungspotential bewies auch WM-Ersatzmann Karl Junghannß. Da sie nur wenige Wettkämpfe, häufig bei sehr schweren Witterungsbedingungen absolvierten, konnten die 50-Kilometer-Geher keine zeitliche Leistungssteigerung nachweisen, obwohl diese in den Trainingsleistungen sichtbar war.

Pechvogel war Leo Köpp, der eine deutliche Steigerung zeigte, jedoch wegen einer Erkrankung leider früh die Saison abbrechen musste und als Medaillenkandidat nicht bei der U23-EM antreten konnte. An dieser Stelle noch einmal ein großer Dank an die Heimtrainer für ihr Engagement in der Vorbereitung und an das medizinische Kompetenzteam für ihre aufwändige Arbeit und Mühe bei der Vorbereitung auf die klimatisch extremen Hitzebedingungen in Doha.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Ronald Weigel:

Für mich war die Vorbereitung auf die WM, die Einstellung und das kämpferische Auftreten aller deutschen WM-Geher sehr beeindruckend. Ob Finalplatzierung oder der Kampf bis zur völligen Erschöpfung, das alles hat mich fasziniert. Dafür meinen Dank und meinen Respekt an die Athleten! Natürlich hat es mich besonders gefreut, dass Christopher Linke zu alter Stärke zurückgefunden hat. Mit seiner Klasse-Leistung bei der WM und der Einstellung des deutschen Rekordes über 20 Kilometer Gehen hat er wieder das nötige Selbstvertrauen für eine weitere erfolgreiche Leistungsentwicklung gewonnen.

Carl Dohmann hat mit seinem siebten Platz in Doha erneut bewiesen, dass man mit einem klugen Jahresaufbau seine beste Leistung zum internationalen Jahreshöhepunkt bringen kann. Er hat taktisch klug agiert und ist von seinem Trainer Robert Ihly sehr gut auf den Wettkampf vorbereitet worden.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison mit den Olympischen Spielen in Tokio?

Ronald Weigel:

Trotz der guten Ergebnisse kommt keine Selbstzufriedenheit auf. Die Vergangenheit hat bewiesen, dass sich das Weltniveau im Gehen besonders im Olympiajahr deutlich verbessert. Das wollen wir nicht verschlafen, sondern uns gezielt darauf vorbereiten und den Prozess positiv mit beeinflussen. Voraussetzung ist natürlich, dass der Kader sich leistungsmäßig noch deutlich steigern muss und jeder seine Leistungsreserven ausschöpft. Jeder der Kaderathleten will sich für die olympischen Wettkämpfe in Sapporo qualifizieren und damit wird der Konkurrenzkampf um die Olympiatickets härter. Unser Ziel ist es, alle sechs möglichen Olympiastartplätze zu besetzen, was sehr realistisch ist. Außerdem werden wir wieder Maßnahmen durchführen, um den klimatischen Rahmenbedingungen in Japan Paroli zu bieten. Hoffnungsträger, die bald die Lücke zur deutschen Spitze schließen könnten, sind Jakob Johannes Schmidt, der einen tollen sechsten Platz bei der U20-EM erringen konnte, und Johannes Frenzl.

Internationale Erfolge

  Medaillen (Weitere) Final-Platzierungen
WM 4. Christopher Linke (20 km), 7. Carl Dohmann (50 km)
U23-EM
U20-EM 6. Jakob Johannes Schmidt (10.000 m)
EYOF

Die deutschen Top Ten 2019

20 Kilometer

Zeit Name Jahrgang Verein
1:18:42 h Christopher Linke 1988 SC Potsdam
1:20:48 h Nils Brembach 1993 SC Potsdam
1:21:29 h Hagen Pohle 1992 SC Potsdam
1:23:24 h Leo Köpp 1998 LG Nord Berlin
1:23:48 h Carl Dohmann 1990 SCL Heel Baden-Baden
1:24:38 h Karl Junghannß 1996 Erfurter LAC
1:24:51 h Nathaniel Seiler 1996 TV Bühlertal
1:27:21 h Jonathan Hilbert 1995 LG Ohra Energie
1:35:58 h Francesco-Mario Tommasino 1993 LG Nord Berlin
1:38:53 h Marcin Reumann 1999 LG Nord Berlin

Statistik: Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau 20 Kilometer

Jahr <1:21:45 h
(WM-Norm 2017)
Schnitt Top 3 Schnitt Top 5
2005 1 1:22:44 1:24:21
2006 1:23:33 1:25:18
2007 1 1:22:59 1:24:01
2008 1 1:23:06 1:23:59
2009 1 1:23:44 1:25:58
2010 1:23:11 1:24:36
2011 1 1:22:12 1:23:27
2012 2 1:21:48 1:23:05
2013 1:23:01 1:23:33
2014 3 1:21:24 1:21:57
2015 3 1:21:11 1:21:46
2016 5 1:20:05 1:21:04
2017 3 1:20:11 1:21:06
2018 3 1:21:13 1:22:06
2019 3 1:20:06 1:21:30

Das deutsche Top-Niveau 50 Kilometer

Jahr <3:53:00 h
(WM-Norm 2017)
Schnitt Top 3 Schnitt Top 5
2005 4:31:11 4:57:15
2006 4:10:33 4:25:13
2007 4:20:27
2008 1 3:58:25 4:14:33
2009 1 4:13:46 4:38:53
2010 1 3:55:15 4:04:39
2011 1 4:13:58 4:31:28
2012 2 3:50:23 4:08:11
2013 4:24:06 4:45:13
2014 1 4:05:00
2015 2 3:59:44
2016 2 3:52:52
2017 2 3:49:12 4:07:38
2018 2 3:51:59 4:22:00
2019 3:57:03 3:58:15

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich

20 Kilometer

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 1:20:00 (A. Höhne) 1:17:52 (Fernandez/ESP) 2:08 1:17:33 (Deakes/AUS) 2:27
2006 1:21:52 (A. Höhne) 1:18:18 (Markov/RUS) 3:34 1:18:17 (Li/CHN) 3:35
2007 1:20:32 (A. Höhne) 1:17:16 (Kanaykin/RUS) 3:16 1:17:16 (Kanaykin/RUS) 3:16
2008 1:20:19 (A. Höhne) 1:16:43 (Morozov/RUS) 3:36 1:16:43 (Morozov/RUS) 3:36
2009 1:21:30 (A. Höhne) 1:17:38 (Borchin/RUS) 3:52 1:17:38 (Borchin/RUS) 3:52
2010 1:22:18 (M. Berger) 1:18:24 (Schwazer/ITA) 3:54 1:18:24 (Schwazer/ITA) 3:54
2011 1:20:51 (C. Linke) 1:18:55 (Borchin/RUS) 1:56 1:18:30 (Wang/CHN) 2:21
2012 1:20:41 (C. Linke) 1:17:30 (Schwazer/ITA) 3:11 1:17:30 (Schwazer/ITA) 3:11
2013 1:22:36 (C. Linke) 1:18:28 (Trofimov/RUS) 4:08 1:18:28 (Trofimov/RUS) 4:08
2014 1:21:00 (C. Linke) 1:18:37 (Dmytrenko/RUS) 2:23 1:18:17 (Suzuki/JPN) 2:43
2015 1:20:37 (C. Linke) 1:17:02 (Diniz/FRA) 3:35 1:16:36 (Suzuki/JPN) 4:01
2016 1:19:19 (C. Linke) 1:19:11 (Karlström/SWE) 0:08 1:18:26 (Takahashi/JPN) 0:53
2017 1:18:59 (C. Linke) 1:18:26 (Shirobokov/ANA) 0:33 1:17:54 (Wang/CHN) 1:05
2018 1:20:40 (C. Linke) 1:17:25 (Shirobokov/ANA) 3:15 1:17:25 (Shirobokov/ANA) 3:15
2019 1:18:42 (C. Linke) 1:17:45 (Stano/ITA) 0:47 1:17:15 (Yamanishi/JPN) 1:27

50 Kilometer

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 4:12:40 (F. Werner) 3:38:08 (Kirdyapkin/RUS) 34:32 3:36:20 (Han/CHN) 36:20
2006 3:56:37 (A. Höhne) 3:38:08 (Nishegorodov/RUS) 18:29 3:38:08 (Nishegorodov/RUS) 18:29
2007 3:54:24 (M. Berger) 3:36:04 (Schwazer/ITA) 18:20 3:36:04 (Schwazer/ITA) 18:20
2008 3:49:03 (A. Höhne) 3:34:14 (Nishegorodov/RUS) 14:49 3:34:14 (Nishegorodov/RUS) 14:49
2009 3:43:19 (A. Höhne) 3:38:35 (Kirdyapkin/RUS) 4:44 3:38:35 (Kirdyapkin/RUS) 4:44
2010 3:49:29 (A. Höhne) 3:40:37 (Diniz/FRA) 8:52 3:40:37 (Diniz/FRA) 8:52
2011 3:52:56 (C. Linke) 3:38:46 (Bakulin/RUS) 14:10 3:38:46 (Bakulin/RUS) 14:10
2012 3:44:26 (A. Höhne) 3:35:59 (Kirdyapkin/RUS) 8:27 3:35:59 (Kirdyapkin/RUS) 8:27
2013 3:57:58 (C. Dohmann) 3:37:56 (Heffernan/IRL) 20:02 3:37:56 (Heffernan/IRL) 20:02
2014 3:51:27 (C. Dohmann) 3:32:33 (Diniz/FRA) 18:54 3:32:33 (Diniz/FRA) 18:54
2015 3:50:12 (C. Dohmann) 3:34:38 (Toth/SVK) 15:34 3:34:38 (Toth/SVK) 15:34
2016 3:47:54 (C. Dohmann) 3:37:48 (Diniz/FRA) 10:09 3:37:48 (Diniz/FRA) 10:09
2017 3:45:21 (C. Dohmann) 3:33:12 (Diniz/FRA) 12:09 3:33:12 (Diniz/FRA) 12:09
2018 3:50:27 (C. Dohmann) 3:42:20 (Bakulin/ANA) 8:07 3:42:20 (Bakulin/ANA) 8:07
2019 3:55:01 (K. Junghannß) 3:37:42 (Diniz/FRA) 17:18 3:36:45 (Kawano/JPN) 18:16

Das fällt auf:

  • Bei der WM wurde das Gehen spät in der Nacht ausgetragen, dennoch waren die klimatischen Bedingungen nicht einfach für die Athleten. Die Potsdamer Geher bereiteten sich auf die Weltmeisterschaften vor, indem sie bei 40 Grad Celsius in Räumen trainierten und ihre Trainingseinheiten zeitweise auf den Mittag und späten Abend legten. Um einen kühlen Kopf zu bewahren, setzten die DLV-Athleten bei der WM Mützen auf, die mit Eis gefüllt waren.
  • Mit Rang vier in Doha egalisierte Christopher Linke die beste WM-Platzierung eines deutschen Gehers über 20 Kilometer. Andre Höhne hatte 2005 ebenfalls den vierten Platz belegt.
  • Die Siegerzeit über 50 Kilometer Gehen bei der WM war mit 4:04:20 Stunden die langsamste aller Zeiten. Carl Dohmanns siebter Platz ist hoch einzuschätzen.
  • Mit 1:18:42 Stunden hat Christopher Linke, der seit 2011 die nationale Rangliste über 20 Kilometer in jedem Jahr anführte, in diesem Jahr den deutschen Rekord eingestellt und den Abstand zur europäischen und globalen Spitze im Vergleich zum Vorjahr verkürzt. Auch die deutsche Spitze ist stärker geworden: Der Top-Drei-Schnitt war seit Beginn der Aufzeichnungen nur einmal um eine einzige Sekunde stärker.
  • Die deutsche Jahresbestleistung über 50 Kilometer Gehen ist deutlich langsamer als in den vergangenen Jahren, dafür ist der Schnitt der Top Fünf deutlich stärker. Mit Karl Junghannß, Carl Dohmann, Hagen Pohle, Jonathan Hilbert und Nathaniel Seiler haben gleich fünf Athleten solide Leistungen erbracht. Dohmann und Hilbert erreichten auch bei der WM gute Platzierungen, Nathaniel Seiler beendete die Saison mit einem fünften Platz bei der Militär-WM.
  • Karl Junghannß konnte sich zwar nicht für die WM in Doha qualifizieren, machte aber in Frankfurt mit einem starken Marathon-Debüt auf sich aufmerksam. Künftig will der EM-Teilnehmer jedoch weiterhin auf das Gehen setzen.

Die Disziplin-Analysen 2019 im Überblick:

Sprint – Männer
Sprint – Frauen
Langsprint – Männer
Langsprint – Frauen
Mittelstrecke – Männer
Mittelstrecke – Frauen
Langstrecke – Männer
Langstrecke – Frauen
Hürdensprint – Männer
Hürdensprint – Frauen
Langhürden – Männer
Langhürden – Frauen
Hindernislauf – Männer
Hindernislauf – Frauen

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