Gleich 13 Athleten haben bei den Deutschen Meisterschaften im Sommer den ersten nationalen Titel ihrer Karriere gefeiert. Unter ihnen sind einige neue Gesichter und andere, die schon länger zur DLV-Spitze zählen. leichtathletik.de erzählt, wie sie es ganz oben aufs Podest im Berliner Olympiastadion geschafft haben, heute geht es um Mittelstrecklerin Caterina Granz (LG Nord Berlin).
Caterina Granz
LG Nord Berlin
Bestleistungen:
800 Meter: 2:03,46 min (2019)
1.500 Meter: 4,05,60 min (2019)
5.000 Meter: 15:46,64 min (2018)
Erfolge:
Gold Universiade 2019
Gold Universiade 2018 (Cross; Einzel & Mannschaft)
Bronze Mannschaft Cross-EM 2018, Sechste 2017
Sechste Cross-EM 2016 (U23), Silber Mannschaft
Silber Mannschaft Cross-EM 2012 (U20), Bronze 2013
Deutsche Meisterin 2019
Unbeschwert und wie von selbst ist Caterina Granz in ihrer Jugend in die deutsche Spitze und zu internationalen Meisterschaften gelaufen. Der Übergang in die Erwachsenenklasse stellte sich danach als schwieriger heraus als gedacht. Die 1.500-Meter-Spezialistin musste kämpfen: Mit den eigenen Erwartungen, mit einer Fersenverletzung und mit ihrer Ungeduld.
Seit dem vergangenen Jahr greifen die Puzzleteile des Sporterlebens endlich immer besser ineinander. Passend zur EM in ihrer Heimatstadt Berlin gelang 2018 erstmals die Qualifikation für eine große internationale Meisterschaft. In diesem Sommer holte sie dann - wieder auf der blauen Bahn im Berliner Olympiastadion - ihren ersten deutschen Meistertitel bei den Aktiven. Kurz danach unterbot die 25-Jährige in 4:05,60 Minuten auch noch die WM-Norm und war im Vorlauf in Doha (Katar) erstmals auf der ganz großen Bühne dabei.
Dort reichte es noch nicht für den Einzug ins Halbfinale. Doch mit dem Aufstieg entstehen gleich neue Ziele und Ansprüche. Caterina Granz möchte aber auch ein wenig inne halten und sich bewusst machen, was sie schon geschafft hat: „Es kommt selten vor, Zufriedenheit zu verspüren, weil man immer auf dem Weg ist, sich weiter zu verbessern. Und das ist auch gut so. Gleichzeitig habe ich vor ein paar Jahren gedacht: Das wo ich jetzt bin, ist das, wo ich hin will. Da darf man auch stolz auf das sein, was man erreicht hat.“
Vom Tennis zur Leichtathletik
Hinter dem Erfolg steckt langjährige Aufbauarbeit, in der Caterina Granz immer von Trainer Detlef Müller bei der LG Nord Berlin betreut wurde, der das Lauftalent einst selbst entdeckt hat. Die damals 14-Jährige machte bei Schulwettkämpfen im Crosslauf mit, setzte sich durch und nahm dann das Training im Verein auf. Vorher hatte sie Tennis gespielt, wo ihre gute Ausdauerfähigkeit bereits auffiel. „Das Tennis spielen war aber mehr Hobbysport. Ich habe auch Turniere mitgespielt, aber höchstens Berliner Meisterschaften.“ In der Leichtathletik ging es in ihrer Altersklasse gleich bis in Richtung nationaler Spitze.
Im Jahr 2011 holte die damals 17-Jährige in Jena mit Silber in der weiblichen Jugend U18 über 1.500 Meter (4:32,01 min) ihre erste Medaille bei Deutschen Jugendmeisterschaften, schon ein Jahr später qualifizierte sich die Mittelstrecklerin für die U20-EM in Barcelona (Spanien) und holte in Mönchengladbach (4:26,04 min) ihren ersten nationalen U20-Titel. Den wiederholte sie 2013 in Rostock (4:27,68 min) und wurde außerdem Zwölfte bei der U20-EM in Rieti (Italien; 4:31,96 min).
„Gerade die internationalen Einsätze damals haben mich extrem motiviert“, erinnert sich die gebürtige Berlinerin. „Ich wollte mich weiterentwickeln und sehen, bis wohin ich es schaffen kann. Dass ich einmal bei einer Weltmeisterschaft am Start stehen kann, habe ich zwar nicht gedacht, ich wusste aber, dass Potential da ist.“
Athletin wächst mit ihren Aufgaben
Nach dem Abitur begann die aufstrebende Nachwuchsathletin ein Psychologie-Studium an der FU Berlin, wo sie inzwischen ihren Bachelor abgeschlossen hat. Sportlich ging es 2014 mit der Steigerung auf 4:13,25 Minuten vielversprechend weiter. Es folgte aber eine Fersenverletzung, die 2015 eine OP erforderlich und Wettkämpfe unmöglich machte. Außerdem konnte Caterina Granz auch nach überstandener Verletzungspause ihre Leistungen aus dem Training häufig nicht in ihren Rennen umsetzen. Zweifel machten sich breit. Bis einschließlich 2017 ging es nicht voran mit der Bestzeit.
„Für meinen Trainer bin ich die erste Athletin, die auf diesem Niveau läuft. Wir haben Zeit gebraucht, um unser Konzept zu entwickeln. Es lief auch ein wenig nach dem Motto: Try & Error“, erzählt die Mittelstrecklerin, die bei der Trainingssteuerung viel mitredete und dazulernte. „Ich wollte oft zu viel. Mittlerweile kann ich die Signale meines Körpers gut einschätzen.“ Das Duo entwickelte sich gemeinsam weiter, gleichzeitig wuchs auch die Eigenständigkeit der Athletin stetig mit.
An der mentalen Stärke arbeitet „Cati“ seit Anfang 2018 mit Sportpsychologen zusammen, inzwischen am Olympiastützpunkt Berlin. Die halfen dabei, die Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit abzubauen und Wettkämpfe wieder positiver anzugehen. Mit sich wieder einstellenden Erfolgen wie dem dritten Platz bei der Hallen-DM 2018 und der ersten 3.000-Meter-Zeit unter neun Minuten (8:56,29 min) wuchs auch wieder das Selbstvertrauen. Der Grundstein für die Rückkehr zur bekannten Stärke aus Jugendzeiten war gelegt. Nebenbei übernahm Detlef Müller über die Jahre auch die Betreuung von immer mehr Läufern, wie etwa der Siegerin des Köln-Marathons Deborah Schöneborn (LG Nord Berlin), so dass eine leistungsstarke Trainingsgruppe entstand.
Überaschende Titel und lang gehegte Ziele
Im April 2018 gewann Caterina Ganz überraschend über die 10-Kilometer-Strecke durchs Gelände bei der Universiade in St. Gallen (Schweiz) den Cross-Titel und wollte sich im Sommer mit den 5.000 Metern ebenfalls eher einer längeren Strecke zuwenden. „Im Zuge dessen ist aber auch meine 1.500-Meter-Zeit besser geworden, so dass ich doch bei dieser Distanz geblieben bin. Ich liebe einfach die Geschwindigkeit und auch die harten Tempoläufe im Training.“ Die längeren Distanzen bleiben aber im Repertoir und sollten sich dort gute Chancen auf internationaler Ebene abzeichnen, könnten sie mehr in den Fokus rücken.
Mit stabilen Zeiten zwischen 4:08 und 4:11 Minuten im vergangenen Jahr und der Steigerung des Niveaus auf 4:05 bis 4:09 Minuten in diesem Jahr ist die Leistung über 1.500 Meter endlich da, wo die Psychologie-Studentin lange hin wollte. Die Entwicklung soll aber noch nicht beendet sein. Im Gegenteil, mit den Titeln bei der Universiade in Neapel (Italien; 4:09,14 min) und dem Solo bei den deutschen Meisterschaften (4:08,91 min), dem zweiten Platz bei der Team-EM in Bydgoszcz (Polen; 4:08,52 min) und dem neunten Platz im WM-Vorlauf (4:12,36 min) hat die internationale Karriere auf dieser Strecke erst begonnen.
„Ich hatte viele wertvolle Rennen, bei denen ich Erfahrung sammeln konnte. Bei der WM war das Niveau mit Athletinnen, die teilweise zehn Sekunden schnellere Bestzeiten haben, sehr hoch. Ich sehe noch Schrauben, an denen ich drehen kann, damit die Lücke kleiner wird. Potential ist sowohl auf der Überdistanz als auch auf der Unterdistanz vorhanden.“
Den Wald vor der Tür
Das Ziel heißt Olympia 2020. Die grobe Planung auf dem Weg dorthin steht. Trainingslager in großer Höhe sind bisher keine geplant. „Das habe ich in den vergangenen Jahren ausprobiert, aber nicht so gut vertragen“, erzählt Caterina Granz, die ihre Trainingsbedingungen zu Hause noch einmal optimiert hat.
Nach dem Umzug von einer WG in Berlin-Mitte an den Grunewald hat sie ideale Laufbedingungen vor der Tür und etwas mehr Ruhe als mitten in der Hauptstadt. Auch die FU ist näher, wo die deutsche Meisterin Vorlesungen im Rahmen ihres Fernstudiums für den Master in Psychologie besucht. Wieder komplett an die FU zurück zu wechseln, schließt sie nicht aus. Erst einmal spielt das Studium im Alltag aber eine untergeordnete Rolle.
Eine Teilnahme an der Cross-EM, wo die Berlinerin regelmäßig im DLV-Aufgebot stand und in U20, U23 und bei den Frauen jeweils mindestens schon eine Mannschafts-Medaille gewonnen hat, ist in diesem Winter nicht geplant. „In der Halle möchte ich bei den Deutschen Meisterschaften starten und vorher zwei Rennen laufen. So ein Wettkampfblock zwischendurch tut gut. Dann richtet sich der Blick auf Tokio.“
Video-Interview: Caterina Granz: "Es war geplant, nach vorne zu gehen"
Das sagt Bundestrainer Sebastian Weiß: |
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Mit den Qualifikationen für Hallen-EM und WM hat Caterina eine sehr gute Saison hingelegt. In der Halle in Glasgow musste sie krankheitsbedingt leider aussteigen. Insgesamt hat Caterina einen großen Schritt gemacht und ist die 1.500 Meter stabil gelaufen. Bei der Team-EM in Bydgoszcz hat ihr toller Endspurt in einem gut besetzten Rennen gezeigt, dass sie die WM-Norm laufen kann, dies hat sie dann im nächsten Rennen umgesetzt.
Caterina trainiert sehr fokussiert, diszipliniert und richtet ihr Leben auf den Sport aus. Sie kann auch eine sehr gute 5.000 Meter laufen, ihr Ausdauervermögen kommt ihr auch auf den 1.500 zu Gute. Ich traue ihr im nächsten Jahr die Olympia-Qualifikation zu. Ich denke, dass sie die Norm (4:04,20 min) laufen kann und auch die Chance hat, sich über das Ranking zu qualifizieren.