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Karriere nach der Karriere: Pamela Dutkiewicz-Emmerich über neue Wege nach dem Leistungssport

Pamela Dutkiewicz-Emmerich ist auch bekannt als „Päm Bäm“. Und der Name ist Programm: In den vergangenen Jahren sorgte sie für einige „Bäms“ und ließ die Herzen der Leichtathletik-Welt höher schlagen. Im September 2021 dann ein „Bäm“, das wieder saß: Pamela Dutkiewicz-Emmerich beendete ihre Karriere als Profi-Hürdensprinterin. Doch „Päm Bäm“ wäre nicht „Päm Bäm“, wenn sie nicht auch auf ihrem zweiten Karriereweg Vollgas geben würde.
Chiara Gethmann

Die Vita von Pamela Dutkiewicz-Emmerich (TV Wattenscheid 01) ist geschmückt mit nationalen und internationalen Erfolgen. Zweifelsohne zählt sie zu den erfolgreichsten Hürdensprinterinnen Deutschlands: Halbfinalistin bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (Brasilien) 2016. Bronze bei den Halleneuropameisterschaften 2017. Bronze bei der WM in London (Großbritannien) 2017. Mehrfache Deutsche Meisterin. Und dank der Silbermedaille bei der EM in Berlin 2018 noch immer amtierende Vize-Europameisterin.

Für diese schillernden Erfolge musste Pamela Dutkiewicz-Emmerich allerdings gegen etliche Tiefen ankämpfen. Verletzungen, wie ein beidseitiger Bänderriss an den Füßen oder ein langwieriges Schleudertrauma nach einem Unfall in einer Schwebebahn testeten das Durchhaltevermögen der Wattenscheiderin. Doch „Päm Bäm“ kam jedes Mal wieder mit einem Knall zurück und zeigte der Leichtathletik-Welt, was in ihr steckt.

Mit Rückenschmerzen einschlafen und es ist egal

Aber so groß ihr Kampfgeist auch ist, irgendwann überwogen die körperlichen Beschwerden. Im vergangenen Jahr wurde Pamela Dutkiewicz-Emmerich dann klar, dass sie ihr Karriere beenden wird: „Was sich immer weiter zugespitzt und aufgeladen hat, waren die Schmerzen. Die habe ich mit ins Bett genommen. Aus körperlichen Schmerzen wird auch so eine psychische Schwere.“

Sie erinnert sich, wie die körperlichen Schmerzen ständige Sorgen mit sich brachten: „Du weißt: ‚Mist, jetzt tut das wieder weh‘ und du kannst im Training wieder nicht das machen, was du bräuchtest, um auf deinem Weg weiter voranzukommen. Das ist irgendwann eine Last gewesen. Jetzt bin ich richtig froh, dass ich mal mit Rückenschmerzen einschlafen kann und es egal ist. Das tut mir total gut – so eine Distanz zum körperlichen Funktionieren-Müssen zu bekommen und den Körper einfach mal so sein zu lassen, wie er ist.“

Die Leistungssport-Karriere war also schweren Herzens und früher beendet als geplant – aber was jetzt? Während ihrer aktiven Zeit hatte Pamela Dutkiewicz-Emmerich bereits einen pädagogischen Bachelor absolviert und auch eine Lizenz als C-Trainerin erworben. Dennoch kam das Karriereende nicht ohne Zweifel im Gepäck: „Ich merke, dass ich mich da jetzt schon gar nicht mehr richtig reinfühlen kann, aber ich hatte richtig Sorge. Du trittst aus einer Welt raus und denkst dir: ‚Was kann ich denn jetzt eigentlich nebenher noch machen? Und wie finde ich das, was mich glücklich macht?‘“.

„So laufe ich offenen Herzens herum, schaue welche Türen sich öffnen“

Aus der Sorge wurde jedoch bald eine gewisse Neugier: „Ich mache gerade ganz, ganz viel. Das war für mich auch die richtige Herangehensweise. Das habe ich schon einmal so formuliert und ich finde das Bild passend: Auch damals als ich das erste Mal ins Leichtathletikstadion gegangen bin, habe ich erst einmal alles Mögliche ausprobiert. Dann kristallisierte sich irgendwann heraus, was mir am meisten Spaß macht und auch, was mir am meisten liegt. Im Endeffekt ist es dann der Hürdenlauf geworden.“

Auch hinsichtlich ihrer zweiten Karriere ist die Wattenscheiderin optimistisch gestimmt: „Ich probiere jetzt ganz viele Dinge aus, die mir Spaß machen, und nehme das Jahr quasi als Orientierungsjahr. Ich habe große Hoffnungen und merke auch schon, dass sich bereits herauskristallisiert, welchen der Wege ich weiterverfolgen und ausbauen möchte.“ „So laufe ich offenen Herzens herum und schaue, welche Türen sich öffnen.“

Nach der aktiven Zeit die Erfahrungen weitergeben

Noch während ihrer aktiven Zeit hat sich Pamela Dutkiewicz-Emmerich für die Rolle und die Aufgaben von Trainern interessiert. Sie machte eine Ausbildung zur C-Trainerin. Als bei ihrem Verein TV Wattenscheid 01 eine Stelle als Co-Trainerin frei wurde, dachte sie: Das könnte passen. „Mein Herz hängt an der Leichtathletik. Ich habe auch einmal reflektiert, warum ich eigentlich diesen Podcast gemacht habe. Weil mir wirklich etwas an der Community liegt. An den Nachwuchs weiterzugeben, was man erfahren hat – sich auszutauschen. Da lag das Trainerdasein einfach nahe.“ Im April 2020 startete sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Maik den Podcast „Sprechstunde Uncut“, in dem sie verschiedene Aspekte des Profisports beleuchten.

Im Herbst ist geplant, ihr Wissen mithilfe der B-Trainer-Ausbildung noch einmal zu erweitern. Aber damit nicht genug: Pamela Dutkiewicz-Emmerich wollte ihren verschiedenen Interessensgebieten nachgehen. „Ich habe mich dann umgehört – das ist das Wunderbare in der Sportwelt, es ist ein riesiges Netzwerk – und bin dann auf einen sportpsychologischen Experten gestoßen, der auch einen Seitenweg gegangen ist“, blickt sie zurück, „Ich habe ihn gefragt: „Ich interessiere mich für Menschen, aber ein Psychologiestudium kommt für mich nicht in Frage. Was kannst du mir empfehlen?““

Physische und psychische Komponente werden zu „rundem Gesamtding“

Die Empfehlung lag in einer Ausbildung zum systemischen Coach, die sie in der Zwischenzeit fast abgeschlossen hat. Dabei geht es um psychologische Grundlagen sowie das Erlernen von Modellen und Tools, um Menschen durch gezielte Hilfestellungen dabei zu helfen selbst Lösungen für Probleme und Konflikte zu entdecken. „Am Schluss ist die Idee, dass ich Menschen professionell begleite – durch Impulse, durch Modelle, durch Tools, die ich als Coach gelernt habe und anwende. Für alle möglichen inneren und äußeren Konflikte soll das Coaching dann der Schlüssel sein.“ Gemeinsam mit ihren Erfahrungen als Trainerin „wird es dann zu einem runden Gesamtding.“ Was der ehemaligen Profisportlerin grundsätzlich ein Anliegen ist, ist ihre Erfahrung und ihr Wissen aus ihrer aktiven Zeit weiterzugeben. Dieses Anliegen zieht sich wie ein roter Faden durch die neuen Wege, die Pamela Dutkiewicz-Emmerich eingeschlagen hat.

Wer sich jetzt denkt „Der Tag hat ja nur 24 Stunden – viel mehr kann sie nicht machen“, der liegt daneben. Pamela Dutkiewicz-Emmerich ist auch als Coach in Fitness-Trainingslagern unterwegs, hält Vorträge für Nachwuchssportler und arbeitet als Trainee bei einem Dortmunder Konzern. Dort durchläuft sie verschiedene Abteilungen und Arbeitsbereiche. Vermittelt wurde ihr die Stelle von der Sportstiftung NRW. „Die Stelle als Trainee ist entstanden durch die Sportstiftung NRW, die sich gedacht haben, dass sie irgendetwas für ihre ehemaligen Sportler machen müssen – den meisten fehlt es an Berufserfahrung. Dafür bin ich auch total dankbar.“ Generell sieht sie noch Handlungsbedarf, was die Unterstützung von Sportlerinnen und Sportlern nach deren Karriereende angeht.

Allerdings ist es nicht immer einfach so viele Dinge gleichzeitig zu machen und neue Wege zu beschreiten. Pamela Dutkiewicz-Emmerich gibt mit einem Lachen zu: „Das ist aktuell auch mein Problem, das muss ich ehrlich sagen. Es ist schön und selbst gewählt, aber auch ein kleines Chaos.“ Dennoch ist sie dankbar für die Möglichkeiten, die sich ihr eröffnet haben: „Mein Sportlerdasein ist durch Fakten untermauert. Andere, die viel investiert haben – und ich weiß, wie viel zusammenkommen muss, damit es klappt – haben das vielleicht nicht auf ihrer Haben-Seite. Das ist aber in der Außenwahrnehmung sehr wichtig. Ich bin glücklich, dass ich diese Medaillen gewonnen habe und über die schönen Momente des Feierns, der Ehrenrunden und dass eben Schwarz auf Weiß etwas auf meinem ‚Sportler-Zeugnis‘ steht.“

Pamela Dutkiewicz-Emmerich rät zu Geduld und Austausch

Ihren Kolleginnen und Kollegen, die sich ebenfalls mit dem Ende ihrer Karriere als Profisportler konfrontiert sehen, empfiehlt die ehemalige Hürdensprinterin Geduld: „In dem Moment – das ist Tipp Nummer eins – habe ich mir gedacht, das kommt jetzt nicht mit Fingerschnipsen. Ich muss mir Zeit geben. Dann kehrt auch eine Ruhe ein. Ich konnte zurückblicken und mich nachträglich freuen.“

Außerdem rät sie vor allem eins: Reden. Mit anderen Sportlerinnen und Sportlern sowie Ehemaligen. Über die Gefühlswelt und über Ängste: „Was mir total geholfen hat – und das ist auch der wichtigste Punkt – ist sich auszutauschen. Ich glaube, das ist sowieso der Schlüssel für alles. Einfach mal ehrlich, transparent und aufgeschlossen mit anderen zu sprechen und sich dann Impulse abzuholen. Ich war total dankbar, dass die Sportstiftung NRW zum ersten Mal – das war ein Pilotprojekt – so eine Form von Coaching-Programm hatte. Man kann es sich fast ein bisschen vorstellen wie eine Selbsthilfegruppe.“

Auf die Frage, was sie vermisst, schwelgt Pamela Dutkiewicz-Emmerich in Erinnerungen. „Das Sportler-Dasein ist super. Ich habe das in allen Facetten geliebt und, klar, diese Schmerzen und der Druck, das gehört dazu, damit habe ich gelernt umzugehen. Was für mich immer ein bisschen magisch war: Ich bin immer gerne ein bisschen früher zum Training gegangen, dann kommt man in das leere Stadion und der Morgen ist noch so frisch – und das ist dein Arbeitsplatz. Dann trainierst du in deiner kleinen Gruppe und es entsteht eine Dynamik, ein Miteinander, weil jeder in die gleiche Richtung geht und das gleiche Ziel hat“, blickt die Vize-Europameisterin zurück. Welchen Weg „Päm Bäm“ letztendlich wählen oder ob sie weiterhin viele Sachen parallel anpacken wird – der Leichtathletikwelt wird sie wohl in irgendeiner Form erhalten bleiben.

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