| Neue Meisterin

Franziska Schuster – Erfolg mit hoher Gruppendynamik

In Kassel haben im vergangenen Sommer zehn Athletinnen und Athleten erstmals bei Deutschen Meisterschaften ganz oben gestanden. Dazu zählen viele junge, neue Gesichter in der DLV-Spitze. Wir stellen sie vor. Heute: Hürdensprinterin Franziska Schuster (TSV Bayer 04 Leverkusen).
Jan-Henner Reitze

Franziska Schuster
TSV Bayer 04 Leverkusen

Bestleistung: 

100 Meter Hürden: 13,11 Sekunden (2023)

Erfolge:

Vierte U23-EM 2023
Silber Europäisches Jugendfestival 2019
Deutsche Meisterin 2023

Im DLV-Hürdensprint ist eine neue Generation dabei, das Kommando zu übernehmen, vereint durch das Ziel, auch international in der Frauen- und Männerklasse den Anschluss herzustellen. Ganz vorne dabei ist die Hürden-Trainingsgruppe vom TSV Bayer 04 Leverkusen:

Im vergangenen Jahr sicherte sich Marlene Meier, 21 Jahre alt, in Berlin überraschend den deutschen Meistertitel über 100 Meter Hürden. In der Hallensaison gelang dies Trainingspartner Tim Eikermann, 23 Jahre alt, über 60 Meter Hürden. Im zurückliegenden Sommer in Kassel sprintete Franziska Schuster, 21 Jahre alt, erstmals in der Frauenklasse national ganz oben aufs Treppchen. Die Biologie-Studentin steigerte außerdem ihre Bestzeit auf 13,11 Sekunden und belegte Rang vier bei der U23-EM in Espoo (Finnland).

Gemeinsames Ziel des Trios ist die EM im kommenden Jahr in Rom (Italien). Die Drei liebäugeln auch mit einer Olympia-Teilnahme in Paris (Frankreich). Ihnen ist aber zugleich klar, dass sie für internationale Top-Platzierungen noch einige Zehntel schneller werden müssen. Im Trainingsalltag profitieren sie davon, an einem ähnlichen Punkt ihrer Karriere zu stehen.

In den Leistungssport hineingewachsen

Franziska Schuster begann im Grundschulalter in ihrer Heimat Xanten, nahe der niederländischen Grenze, mit der Leichtathletik. Nachdem beim TuS Xanten zuerst der Spaß an der Bewegung im Mittelpunkt stand, wurde das Training mit dem Wechsel in die Gruppe von Werner Speckert gezielter. Bei ersten Wettkämpfen zeigte die junge Athletin Talent in den Sprint- und Sprungdisziplinen, sie mischte auf Landesebene vorne mit. Lieblingsstrecke wurden früh die Hürden.

Einen großen Leistungssprung mittenrein in die DLV-Spitze ihrer Altersklasse brachte das Jahr 2017. Bei den Deutschen Meisterschaften der U16 in Bremen sprintete die damals 15-Jährige zu Silber über 80 Meter Hürden (11,69 sec), auch über 100 Meter stand sie als Fünfte (12,42 sec) im Finale. Es folgte die Berufung in den Bundeskader. „Da wurde mir erstmals bewusst, dass ich einmal mehr erreichen kann. Stück für Stück bin ich in den Leistungssport hineingewachsen“, blickt die Hürdensprinterin zurück, die weiterhin auch erfolgreich auf den flachen Sprintstrecken Wettkämpfe bestritt.

Ein weiterer Schritt in Richtung professioneller Sportkarriere war 2019 der erste Einsatz im Nationaltrikot, der bei den Europäischen Olympischen Jugendspielen in Baku (Aserbaidschan) gleich mit einer Medaille gekrönt wurde: Silber über 100 Meter Hürden (13,53 sec) in der Altersklasse U18. Nicht ganz so erfolgreich, aber ebenfalls eine wertvolle Erfahrung war zwei Jahre später die U20-EM in Tallinn (Finnland), bei der in 13,59 Sekunden nur zwei Hundertstel fürs Finale fehlten. Bei Deutschen Jugendmeisterschaften gewann die Nachwuchsathletin einmal Gold und einmal Silber, außerdem sicherte sie sich 2021 in Koblenz noch als U20-Athletin den deutschen U23-Titel (13,49 sec).

Lang gehegten Plan vom Wechsel nach Leverkusen umgesetzt

Begleitet vom sportlichen Aufstieg nahmen auch die Pläne für die Zeit nach dem Schulabschluss Formen an. „Ich hatte schon lange vor, nach Leverkusen zu gehen und in Köln zu studieren“, erinnert sich Franziska Schuster an ihre Schulzeit. Ihr Vater ist in dieser Gegend aufgewachsen, und die mit dem Abitur vollzogene Entscheidung hatte auch einen ganz praktischen Vorteil. „Ich wohne bis heute in einer eigenen Wohnung im Haus meiner Tante in Leverkusen, nur zehn Minuten von den Sportanlagen entfernt.“

Nach ihrem Schulabschluss 2020 nahm sie an der Uni Köln ein Biologie-Studium auf und bestritt ihr zweites U20-Jahr schon im Trikot des TSV Bayer 04 Leverkusen. Zu diesem Zeitpunkt begann unter Trainer Markus Irrgang auch das gemeinsame Training mit Marlene Meier und Tim Eikermann. Wegen der Corona-Pandemie lief der Start im neuen Umfeld unter erschwerten Bedingungen ab.

Für ihren Bachelor gibt sich die 21-Jährige vier statt der Regelstudienzeit von drei Jahren Zeit. „Statt drei Modulen studiere ich pro Semester nur zwei. Wenn ich an Labortagen einmal wegen eines Wettkampfes nicht kann, ist es möglich, eine Ersatzleistung zu vereinbaren.“ So lässt sich das Studium mit dem Sport kombinieren.

Kontinuierliche Leistungsentwicklung

Bestzeit und Durchschnittsniveau ihrer Rennen hat Franziska Schuster in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert. Im vergangenen Jahr bedeuteten 13,31 Sekunden Bronze bei der DM in Berlin. Nachdem Gegenwind oder suboptimales Wetter zu Beginn des vergangenen Sommers zuerst weitere Steigerungen verhinderten, platzte mit den Siegen bei der U23-DM (13,31 sec) in Göttingen und dem DM-Titel in Kassel (13,17 sec) der Knoten. Bei der folgenden U23-EM konnte sich die Leverkusenerin als Vierte (13,11 sec) weiter verbessern. Insgesamt gelangen ihr fünf Rennen mit Zeiten zwischen 13,10 und 13,20 Sekunden.

Profitiert hat die neue Deutsche Meisterin von neuer mentaler Stärke. „Ich habe begonnen, regelmäßig mit Tanja Damaske als Mentaltrainerin zu arbeiten“, erklärt sie. „Sie hat mir Werkzeuge an die Hand gegeben, um meine Gedanken besser zu steuern und mich nicht in Probleme hineinzusteigern.“ Das nützt auch im Alltag neben dem Sport. Zu mehr Vertrauen in die eigene Stärke haben außerdem viele Starts bei Meetings mit internationaler Konkurrenz beigetragen. „Wenn mal ein Warm-up nicht funktioniert oder die Bedingungen schwierig sind, lasse ich weniger Zweifel zu. Ich verlasse mich mehr auf meine Fähigkeiten.“

Dass Frank Bartschat die Betreuung ihrer Gruppe übernommen hat, brachte ebenfalls neue Impulse. „Meine Schwächen wie den Fußaufsatz oder den Armeinsatz erklärt Frank mit anderen Wörtern. Insgesamt sind die Details, an denen wir jeweils individuell arbeiten müssen, mehr in den Mittelpunkt gerückt. Vorher haben wir in der Gruppe eher die allgemeine Grundlage gelegt."

Rom im Visier, Paris im Hinterkopf

Der Trainingsaufbau für das Jahr 2024 ist gerade angelaufen. Die genaue Wettkampfplanung steht noch nicht. „In der Halle möchte ich an den Start gehen, um daran zu arbeiten, auch bei nur fünf Hürden Vollgas zu geben.“ Das ist bisher noch nicht optimal gelungen. Die Stärke liegt bei den 100 Meter Hürden auf der zweiten Streckenhälfte.

Für den Sommer haben Franziska Schuster wie auch Marlene Meier und Tim Eikermann ein klares Ziel: Sie wollen bei der EM in Rom (Italien; 7. bis 12. Juni) dabei sein. Die Direkt-Norm hat der Europaverband European Athletics über 100 Meter Hürden der Frauen auf 12,98 Sekunden festgelegt. Genau in diesen Bereich unter 13 Sekunden soll es im kommenden Jahr gehen.

„Erst wenn regelmäßig Zeiten unter 13 Sekunden kommen, lohnt es sich, auf das World Ranking und die Olympia-Qualifikation für Paris zu schauen“, sagt Franziska Schuster. „Aber wir liebäugeln auch damit.“ Dass jetzt drei Mitglieder der Trainingsgruppe einen deutschen Meistertitel gewonnen haben, hat Motivation und den Hunger auf mehr noch einmal gesteigert. „Wenn Marlene oder Tim im Training eine Übung machen, weiß ich genau, dass sie am gleichen Ziel arbeiten wie ich. Das ist ein riesen Ansporn, sich genauso reinzuhängen.“

Video-Interview: Franziska Schuster: "Ich wusste - der Titel ist drin"

Das sagt Bundestrainer Sebastian Bayer:

Franzi hat in diesem Sommer eine starke Saison gezeigt, die ihr Türen für ihre weitere Karriere öffnet. Vor allem in wichtigen Rennen gegen internationale Konkurrenz wie bei der U23-EM hat sie ihre Leistungsfähigkeit abgerufen. Obwohl selbst da schon noch etwas mehr in ihr gesteckt hat. Franzi ist offen und kommunikativ, was für mich die Zusammenarbeit mit ihr erleichtert. Sie merkt mehr und mehr, dass sie im Leistungssport etwas erreichen kann, was ihren Fokus und ihre Motivation weiter schärft.

In der Hallensaison hatte sich ihre positive Entwicklung im Sommer noch nicht angedeutet. Verbesserungspotential gibt es vor allem auf den ersten drei Hürden, wo ihr die internationale Konkurrenz noch davonläuft. Auf der zweiten Rennhälfte der 100 Meter Hürden kann Franzi schon mithalten.

Mit Marlene Meier hat Franzi eine starke Trainingspartnerin. Für beide wäre der nächste Schritt, Zeiten unter 13 Sekunden zu laufen. Wenn sie gesund bleiben, ist das möglich und wäre auch für den Hürdensprint in Deutschland ein Schritt, um wieder international konkurrenzfähig zu werden..

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