| Interview

Robert Farken: "Der Rekord war überfällig"

Robert Farken ballt nach einem gelungenen Rennen bei einem Meeting die rechte Faust. © Gladys Chai von der Laage
Beim Diamond League Meeting in Rom ist Robert Farken (SG Motor Gohlis-Nord Leipzig) am Freitag in 3:30,80 Minuten deutschen Rekord* über 1.500 Meter gelaufen. In einem Weltklasse-Feld übernahm er phasenweise sogar die Führungsarbeit. Wir haben mit ihm über das Rennen von Rom, das Training als Profisportler in den USA und seinen weiteren Saisonverlauf gesprochen.
Jane Sichting

Robert Farken, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem starken Rennen in Rom mit neuem deutschem Rekord über 1.500 Meter.

Robert Farken:
Vielen Dank.

Das Diamond League Meeting war Ihr Saisoneinstieg, da ist die aktuelle Wettkampf-Form meist noch etwas ungewiss. Wie sind Sie das Rennen angegangen?

Robert Farken:
Ich bin im April schon 800 Meter in Philadelphia (USA) gelaufen, aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt etwa sechs Wochen her. Daher war Rom der Saisoneinstieg. In der Hallensaison habe ich gesehen, dass das Training gut für mich funktioniert und dass ich gut auf den neuen Ansatz anschlage. Da ich im Training das Tempo von Yared und Olli [Anm.d. Red.: Yared Nuguse und Olli Hoare (beide USA)] mitlaufe, wusste ich, dass ich auch im Wettkampf auf einem ähnlich hohen Niveau laufen kann. Von daher bin ich selbstbewusst in das Rennen reingegangen. Ich wollte mich relativ weit vorne im Feld einsortieren – auf Position vier oder fünf. Nach 100 Metern habe ich aber gemerkt, dass niemand so richtig an die Pace gehen will.

Und dann haben Sie das Zepter einfach selbst in die Hand genommen und sich an die Fersen des Tempomachers geheftet…

Robert Farken:
Ich habe Brian Komen aus Kenia gesehen und mich an ein Hallenrennen in Dortmund vor zwei Jahren erinnert, in dem Marius Probst die Erfahrung machen durfte, dass Rennen mit ihm manchmal drunter und drüber gehen (lacht). Darum dachte ich mir, dass ich es einfach selbst mache und nach vorne gehe. Letztlich bin ich nicht nach Rom gefahren, um ein taktisches Rennen zu laufen. Ich wollte, dass es einigermaßen schnell wird.

Ist es ein Vorteil, dass Sie inzwischen bei solch international hochklassigen Rennen wie in der Diamond League mitlaufen dürfen? So sind Sie von Saisonbeginn an starker internationaler Konkurrenz ausgesetzt.

Robert Farken:
Die Diamond League Meetings sind die größte Bühne, auf der ich gegen die besten Leute laufen kann. Und es ist der Anspruch, da regelmäßig vertreten zu sein und sich der Konkurrenz zu stellen. Deswegen bin ich über jeden Startplatz in der Diamond League froh.

Kommen wir noch einmal auf den deutschen Rekord zu sprechen. Welchen Stellenwert hat es für Sie, dass Sie diesen nach knapp 45 Jahren brechen konnten?

Robert Farken:
Der Rekord war schon sehr lange in meinem Kopf und auch in meinem Mund. Als es jetzt tatsächlich passiert ist, hatte ich allerdings gar nicht den erwarteten Gefühlsrausch. Das war eher so, dass ich es endlich abgehakt habe. Die Zeiten haben sich einfach geändert, und 3:31,58 Minuten [der vorherige deutsche Rekord] ist international leider nichts mehr wert. Allein in dem Rennen jetzt in Rom wäre man damit relativ weit hinten im Feld gewesen und nur auf Rang elf gelandet. Dementsprechend erfüllt es mich zwar mit viel Stolz, den Rekord jetzt zu haben. Trotzdem ist es auf meinem Weg in die erweiterte Weltspitze nur ein Beiprodukt, was passieren musste und überfällig war.

Wenn es nach Ihnen geht, wird dieser Rekord also nicht wieder mehrere Jahrzehnte Bestand haben?

Robert Farken:
Ich hoffe, dass er dieses Mal nur ein paar Wochen Bestand hat. Wenn sich noch einmal die Möglichkeit ergibt, ihn weiter zu verbessern, ergreife ich diese gerne. Aber ich bin froh, dass ich den Rekord jetzt habe und damit auch eine repräsentative Bestleistung. Die 3:32,10 Minuten haben gar nicht mehr das widergespiegelt, was ich die ganze Zeit konnte. Ich freue mich auch, jetzt in Rennen reinzugehen und einfach zu versuchen, dort so weit vorn wie möglich zu finishen, um die Podien mitzulaufen und mich regelmäßig in den Top Fünf zu zeigen. Das ist jetzt das Ziel.

Sie sprachen zu Beginn Ihr verändertes Training an. Im November letzten Jahres sind Sie nach Boulder in Colorado in die US-Trainingsgruppe von Headcoach Dathan Ritzenhein gewechselt. Was ist neu?

Robert Farken:
Relativ viel. Die Hauptveränderung ist, dass es in dem Trainingskonzept keine Doppelschwelle mehr gibt. Ich habe deutlich mehr Laufumfang als vorher, auch meine Tempolauf-Einheiten sind länger als zuvor. Dadurch gibt es zwischen den Tagen mit Tempoläufen ein bisschen mehr Erholung. Ich habe das Gefühl, dass ich damit gut klarkomme. Ich bin jetzt acht Monate gesund gewesen – das ist ein Zeichen dafür, dass es für mich gut funktioniert und dass wir einen guten Weg gefunden haben, mich gesund an den Start zu bringen.

Hat sich auch im Alltag etwas geändert? Die USA sind sicherlich etwas anderes als Leipzig.

Robert Farken:
Es war ein riskanter Schritt, meinen Lebensmittelpunkt größtenteils in ein anderes Land zu verlagern, in dem ich wenige Leute kenne. Darum fällt mir ein großer Stein vom Herzen, dass das funktioniert und sich auszahlt. Im Prinzip ist mein Profisportler-Alltag nicht sehr spannend: Es wird zweimal trainiert, und zwischendurch ruhe ich mich aus und esse viel. Hinzu kommen Physiotherapie, der ein oder andere Kaffee, und ich arbeite mühsam an meinem Online-Studium Sportmanagement weiter und lese viel. Erste Priorität hat aber der Sport.

Sie haben zuvor lange beim ehemaligen Leitenden Bundestrainer Lauf Thomas Dreißigacker trainiert, erst in Leipzig und dann in St. Moritz. Hatten Sie nach Ihrem Rekordlauf bereits mit ihm Kontakt?

Robert Farken:
Thomas war sogar selbst in Rom und wir haben vor dem Rennen und danach miteinander gesprochen. Sein Athlet war auch in meinem Rennen und ist gut gelaufen – zum Glück konnte ich ihn hinter mir lassen (lacht). Ich freue mich aber, wenn seine Athleten gut laufen, und genauso freut er sich, wenn ich gut laufe.

Sie haben mittlerweile mehrfach die WM-Norm unterboten und sind in Deutschland über 1.500 Meter klar die Nummer eins. Damit steht bei der WM in Tokio im September eine Premiere bevor!

Robert Farken:
Das werden im Freien meine ersten Weltmeisterschaften sein – bisher war ich nur bei Olympischen Spielen. In Budapest 2023 war ich zwar qualifiziert, konnte verletzt aber nicht daran teilnehmen. Daher wird es die erste WM sein, bei der ich hoffentlich an der Startlinie stehe.

Bei der Hallen-EM sind Sie im Finale leider gestürzt. Wie haben Sie das inzwischen verarbeitet und was haben Sie daraus für Erkenntnisse gezogen?

Robert Farken:
Das bleibt nicht so lange an mir hängen, bei der EM in Rom bin ich im Vorlauf leider auch gestürzt. Da habe ich zweimal Pech gehabt. Aber das gehört dazu. Man muss ein bisschen Feingefühl dafür entwickeln, solche Situationen zu lesen und vorhersehen zu können. Vermeiden lässt es sich aber nicht, wenn dir jemand in die Hacken läuft. Das sind Sachen, die nicht in deiner Macht stehen und vor denen du nicht geschützt bist.

Nach dem verletzungsbedingten WM-Verzicht 2023 haben Sie ein sehr anspruchsvolles Radrennen in der spanischen Wüste bestritten und in dem Zusammenhang viel von Selbstmotivation gesprochen. Wie motivieren Sie sich für das Leben als Profisportler und was ist Ihr Antrieb?

Robert Farken:
Wenn ich etwas mache, dann geht es im Prinzip darum, das richtig zu machen und mit 100 Prozent Commitment anzugehen. Nicht aufzuhören, bevor ich es geschafft habe. Das ist die Maxime. Das gilt auch, wenn etwas nicht nach Plan läuft – etwas, das im Profisport regelmäßig passiert. Das ist Teil der Geschichte. Dann kommt es darauf an, auf solche Situationen zu reagieren. Den Kopf in den Sand zu stecken ist reine Zeitverschwendung. Das Einzige, das etwas bringt, ist effektiv eine Lösung zu finden. Das ist die Einstellung, mit der ich versuche durchs Sportlerleben zu gehen.

Blicken wir auf die Deutschen Meisterschaften in Dresden voraus. Im letzten Jahr haben Sie sowohl Gold über 800 Meter als auch über 1.500 Meter gewonnen. Werden wir Sie erneut auf beiden Strecken sehen?

Robert Farken:
Das weiß ich noch nicht. Aufgrund der langen Anreise aus den USA ist es dieses Mal eine andere Situation, da muss ich mit meinen Kräften sparsam umgehen. Das Double war etwas Besonderes. Vielleicht versuche ich irgendwann einmal, über alle Strecken eine Goldmedaille um den Hals zu haben – Hindernislauf einmal ausgenommen (lacht).

Wenn Sie zur DM extra aus den USA anreisen – verbringen Sie den Sommer dann auch in Boulder, oder bleiben Sie zunächst noch etwas in Leipzig? Wie sieht Ihr Fahrplan für die kommenden Wochen aus?

Robert Farken:
Das hängt ein bisschen von den Rennen ab. Aktuell bin ich in Leipzig und laufe am Donnerstag die Meile in Oslo und danach in Dessau. Dann starte ich Ende Juni bei der Team-EM in Madrid, und danach fliege ich nach Boulder zurück, bevor ich für die Deutschen Meisterschaften zurückkomme. Vielleicht komme ich noch in ein paar Diamond League Meetings rein – zum Beispiel London. Die WM-Vorbereitung findet dann aber in Boulder statt.

Wie sehr verfolgen Sie in den USA die aktuellen Ereignisse im deutschen Lauflager? Mit Ihrem deutschen Rekord und dem von Hindernisläufer Frederik Ruppert tut sich gerade einiges …

Robert Farken:
Ich verfolge das intensiv – die beiden Rekorde von Freddy und mir waren nur eine Frage der Zeit, das hatte sich in den letzten Jahren schon angedeutet. Das Rennen von Freddy habe ich live vor dem Fernseher in Boulder verfolgt. Ich bin total durchgedreht und hatte Gänsehaut. Ich war von der Leistung von Freddy absolut inspiriert. Das war international schon Wahnsinn. Wenn die Spitze vorlegt, zieht die Breite nach. Das sieht man auch in Europa, wo Jakob Ingebrigtsen seit Jahren deutlich unter 3:30 Minuten läuft und die europäische Breite extrem nachgezogen hat. Ich würde mir wünschen, dass die Entwicklung in Deutschland jetzt auch so weitergeht. In anderen europäischen Ländern ist es schon ähnlich, wenn man sich die Briten oder die Franzosen anguckt.

* deutscher Rekord vorbehaltlich Ratifizierung

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