| Masters-Interview

Sonja Keil: "Qualität vor Quantität"

400-Meter-Läuferinnen Antonia Giesche, Sonja Keil und Hannah Mergenthaler nebeneinander im Sprint auf der Zielgeraden © Theo Kiefner
Sonja Keil (LG Augsburg) ist die 400 Meter Ende Juni bei den Süddeutschen Meisterschaften in St. Wendel so schnell wie noch nie in ihrem Leben gelaufen. In 53,52 Sekunden gewann die Masters-Athletin wenige Tage nach ihrem 40. Geburtstag nicht nur den Titel, sondern stellte auch gleich einen neuen W40-Masters-Weltrekord auf. Die bisherige Rekordmarke einer Chilenin aus dem Jahr 1994 verbesserte die Augsburgerin um 16 Hundertstelsekunden. Dass der Weltrekord eher zufällig fiel, verrät sie im Interview.
Marc Gogol

W40-Weltrekord mit neuer Allzeit-PB - so etwas kann man nicht planen, oder vielleicht doch?

Sonja Keil:
Die Marke hatte ich so gar nicht im Visier. Mein Trainer und ich haben gesagt, ich trainiere halt so lange, wie ich Spaß habe, und dann sieht man, was rauskommt. So einen Lauf kann man wirklich nicht planen.

Es müssen ja für einen Rekordlauf meist annähernd perfekte Bedingungen herrschen. Wie war es in St. Wendel?

Sonja Keil:
Es waren nahezu perfekte Bedingungen. Fast windstill, 27, 28 Grad aber eine trockene Wärme. Ich habe mich auch sehr gut gefühlt an diesem Tag. Ich wusste, wenn ich das Ding gewinnen will, muss ich von vorne laufen. Hannah Mergenthaler auf Bahn drei hat gedrückt, und Antonia Giesche (beide MTG Mannheim) auf Bahn fünf hat mich gezogen.

Sie sind W35-Weltmeisterin von Göteborg. Der Finallauf im vergangenen Sommer war – bei weniger gutem Wetter – schon eine souveräne Ansage. Insbesondere aus dem Lager der Gastgeber [Anm. d. Red: Jonna Tilgner, ehemalige DLV-Top-Athletin, jetzt bei den Masters für Schweden startend] wurde Ihnen Respekt gezollt. Bekommen Sie die Anerkennung der Konkurrenz mit?

Sonja Keil:
Ja, zwei Kenianerinnen und auch Jonna Tilgner haben mir damals sofort gratuliert und sich für mich gefreut. Auch der 400-Meter-Sieger der M40 aus Polen hat mir gleich gratuliert. Ich selbst habe das alles aber erst bei der Siegerehrung so richtig registriert. Als ich dann da oben stand und die deutsche Hymne gespielt wurde.

Ihr Trainer Ivan Seykov hat Ihnen vor dem Weltrekord-Lauf eine neue PB prophezeiht. Was war Ihre Reaktion darauf?

Sonja Keil:
Ivan hatte mir vor dem Lauf zwei Sachen gesagt. Zum einen: „Du rennst die 400 Meter, als wenn Du 200 Meter laufen würdest.“ Und zum anderen: „Heute läufst Du eine 53,5.“ Daraufhin habe ich gelacht und gemeint: „Was Du schon wieder weißt.“

Sie sind erst als 30-Jährige wieder mit der Leichtathletik angefangen, nach Ihrer aktiven Jugendzeit. Erzählen Sie leichtathletik.de bitte, wie es dazu kam?

Sonja Keil:
2003 war ich sehr erfolgreich in der Jugend, dann über 400 Meter Hürden 2004 auch im Jugend-Nationalkader des DLV. Dann hatte ich jedoch Pfeiffersches Drüsenfieber und auch eine Art Ermüdungsbruch. Bis 2005 habe ich mich noch versucht wieder zurükzukämpfen. Danach war Leistungssport nicht mehr vereinbar mit meinem Studium und der Arbeit nebenbei. Und ich habe entschieden: Lass' gut sein. Mit 30 habe ich dann gemerkt, dass mir die Leichtathletik fehlt. Ich hatte immer losen Kontakt zu meinem Trainer Ivan Seykov. Der hat mir am Anfang gesagt:: „Habe Spaß.“ Dass es jetzt nach zehn Jahren zu einem Weltrekord geführt hat, damit haben wir beide nicht gerechnet.

Ihr Training lässt sich jetzt zeitlich gut mit Ihrem Beruf als Lehrerin an einer Berufsschule für die Fächer Ernährung und Chemie vereinbaren. Dennoch trainieren Sie, was Umfänge und Inhalte betrifft, nicht unbedingt "klassisch" für die Viertelmeile. Was hat es damit auf sich?

Sonja Keil:
Ich muss bezüglich der Schule und meinem Training flexibel und sehr diszipliniert sein. Ich kann mir aber Vieles selber einteilen, das ist das Gute. Was die Trainingsumfänge betrifft, wir haben zuerst ausprobiert so wie früher zu trainieren. Aber ich bin dadurch einfach nicht schneller geworden. Dann haben wir beispielsweise Sprünge ganz weggelassen, und meine längsten Läufe enden bei 300 Metern. Die Devise ist immer: Qualität vor Quantität.

Sie starten gerne noch bei den Aktiven?

Sonja Keil:
Ich brauche schnellere Läuferinnen, damit ich über mich hinauswachsen kann. Und solange ich die Jüngeren noch ärgern kann ...

Welche Saisonhöhepunkte haben Sie 2025 noch auf dem Programm?

Sonja Keil:
Tatsächlich starte ich in dieser Saison nur noch bei den Aktiven. Die A-Qualis für die DM in Dresden über 400 Meter und 400 Meter Hürden sind eine Belohnung, das will ich mitnehmen. Es ist ein tolles Erlebnis vor dem größeren Publikum, wenn man dann vorgestellt wird und so weiter. Ob ich vorher auch noch bei den Bayerischen Meisterschaften am 19. und 20. Juli laufen werde, wissen wir noch nicht. Oder ob ich meinem Körper mal eine Pause gönne ...

Zurück zum Weltrekord-Wochenende. Sie haben ja kurz zuvor auch Ihren 40. Geburtstag gefeiert. Wie fielen die Feierlichkeiten nach dem Weltrekordlauf aus? Oder warten Sie sicherheitshalber erst noch auf die Ratifizierung?

Sonja Keil:
Während der Wettkampf-Saison feiere ich sowieso nie, da ich dann absolut keinen Tropfen Alkohol trinke. Nach dem Lauf in St. Wendel wurden gleich noch meine Spikes überprüft, und zwei Freundinnen haben mir gratuliert. Die echten Feierlichkeiten wären dann aber erst nach der Saison, und dann sollte der Rekord ja auch ratifiziert sein.

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