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Lisa Mayers Abschied voller Stolz und Dankbarkeit

© Gladys Chai von der Laage
Der 100-Meter-Vorlauf bei den Weltmeisterschaften in Tokio war das letzte Rennen in der Karriere von Lisa Mayer. Die Sprinterin blickt voller Dankbarkeit auf ihre Zeit im Spitzensport zurück. Eine Zeit, die geprägt war von Höhen und Tiefen, von Medaillen-Erfolgen und verletzungsbedingten Rückschlägen und von einem Kampfgeist und einer Resilienz, die ihresgleichen suchen.
Svenja Sapper

Die Fakten zum letzten Rennen in Lisa Mayers Karriere sind schnell erzählt. Am ersten Tag der Weltmeisterschaften in Tokio (Japan) belegte die Athletin vom Sprintteam Wetzlar in ihrem 100-Meter-Vorlauf Rang fünf. Ihre Zeit: 11,45 Sekunden. Ein Resultat, das für die 29-Jährige im Ziel zunächst zweitrangig war. "Auch wenn die Leistung heute sicher nicht dem entspricht, was in mir steckt und mein Anspruch an mich selber ist, kann ich von mir behaupten: Ich habe den Lauf sehr, sehr genossen", sagte sie unmittelbar danach. "Wie könnte ich nach einer so großartigen Karriere unzufrieden von der Bahn gehen?"

Auf eine großartige Karriere können einige deutsche Athletinnen zurückblicken. Aber nur wenige haben eine derartige Achterbahnfahrt erlebt, so viele Hindernisse überwunden wie Lisa Mayer. Hinter der Sprinterin, die einige Wochen vor der WM ihren bevorstehenden Rückzug vom Leistungssport bekannt gegeben hatte, liegen bewegte Jahre. Aus einem hoffnungsvollen Talent einer "goldenen" Sprint-Generation entwickelte sich eine Athletin, die wie kaum eine Zweite für Kampfgeist, Resilienz und Durchhaltevermögen steht.

Immer wieder wurde Lisa Mayer von Verletzungen ausgebremst. Und immer wieder kämpfte sie sich zurück, sprintete in ihrem letzten Karriere-Jahr noch neue 100-Meter-Bestzeit: Am 14. Juni in Regensburg brachte sie 11,10 Sekunden auf die Bahn. 

Große Erfolge im Nachwuchsbereich

Ihre ersten Erfolge feierte die Sprinterin über 200 Meter. 2013 erreichte sie auf dieser Strecke das Finale der U18-WM in Donetsk (Ukraine). Ein Jahr später gewann sie mit der deutschen 4x100-Meter-Staffel, darunter ihre langjährigen Wegbegleiterinnen Gina Lückenkemper (SCC Berlin) und Lisa Marie Kwayie (Neuköllner SF), Bronze bei der U20-WM in Eugene (USA). Und 2015 holte sie in Eskilstuna (Schweden) U20-EM-Silber über 100 Meter.

In ihrem ersten Aktivenjahr startete sie bei den Aktiven durch: Rang zwei der Deutschen Meisterschaften über 100 und 200 Meter, dazu auf Anhieb der Finaleinzug über 200 Meter und Bronze mit der Staffel bei der EM in Amsterdam (Niederlande). Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (Brasilien) sprintete sie mit 200-Meter-Bestzeit (22,86 sec) ins Halbfinale und begeisterte mit der deutschen 4x100-Meter-Staffel als Olympia-Vierte. Und auch das Jahr 2017 begann vielversprechend mit Platz fünf (später aufgrund einer Disqualifikation zu Platz vier korrigiert) bei der Hallen-EM und dem Staffel-Sieg bei den World Relays. 

Zurückgekämpft nach langer Leidenszeit

Dann jedoch folgten mehrere Rückschläge. Verletzungsbedingt musste Lisa Mayer bei den Weltmeisterschaften 2017 in London (Großbritannien) auf den Einzelstart über 200 Meter verzichten, rannte aber mit der Staffel erneut auf Platz vier. Die Saison 2018 musste sie wegen einer Oberschenkel-Verletzung absagen und verpasste damit die Heim-EM in Berlin. Auch 2019 bremsten sie gesundheitliche Rückschläge immer wieder aus. Und 2021 meldete sie sich mit 100-Meter-Bestzeit von 11,12 Sekunden stark zurück, schaffte den Sprung ins deutsche Olympia-Team, musste dann aber verletzt aus dem Precamp abreisen. 

Andere Athletinnen hätten vielleicht bei einer derartigen Pechsträhne längst das Handtuch geworfen. Nicht so Lisa Mayer, die nie den Glauben an sich selbst und ihren Weg verlor. Durchhaltevermögen, das sich bei den Heim-Europameisterschaften 2022 in München auszahlte. Erst kurzfristig war die Sprinterin in die deutsche 4x100-Meter-Staffel gerückt, die im Finale, getragen vom Heim-Publikum zu Gold stürmte. Die Freudentränen von Lisa Mayer, sie ließen im Münchner Olympiastadion wohl niemanden unberührt, der die Karriere der damals 26-Jährigen mitverfolgt hatte. 

Bronze in Paris als Krönung der Karriere

Auch danach blieb Lisa Mayer nicht von Verletzungen verschont. Die WM 2023 in Budapest (Ungarn) verpasste sie und erlebte die Titelkämpfe stattdessen als TV-Expertin mit. Bei den Europameisterschaften 2024 in Rom (Italien) musste sie aufgrund muskulärer Probleme für das Halbfinale passen. Doch das zurückliegende Jahr hielt dennoch einen ihrer größten Karriere-Erfolge für die Sprinterin bereit: Bronze mit der 4x100-Meter-Staffel bei den Olympischen Spielen in Paris (Frankreich).

Bei der WM in Tokio unterstützte sie ihre Teamkolleginnen im Staffel-Rennen als Ersatzläuferin. "Die vier, die auf der Bahn standen, haben sich ihren Einsatz sehr verdient. Und mit ihrer Bronzemedaille dies mehr als eindrücklich bewiesen", würdigte die 29-Jährige ihre Kolleginnen bei Instagram. Für sie blieb derweil der Stolz auf ihre einzigartige Karriere, "auf meine Resilienz und mein Kämpferherz. [...] Alles fühlt sich ganz richtig an." 

Sprint-Kollegin Gina Lückenkemper sprach bei der WM vielen Fans und Wegbegleitern von Lisa Mayer aus der Seele. "Sich nach so vielen Rückschlägen immer wieder und immer wieder zurückgekämpft zu haben, davor ziehe ich meinen Hut", sagte die Deutsche Meisterin, die schon 2013 gemeinsam mit Lisa Mayer im U18-WM-Finale gestanden hatte. "Ich hatte immer den Glauben an mich selbst und auch ein unglaubliches Umfeld, das mich unterstützt hat", blickt die Sprinterin selbst voller Dankbarkeit zurück. "Mein Weg, meine Geschichte, die Rückschläge, das Dranbleiben – das macht mich alles so glücklich und dankbar." 

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